Der Standard

Streit um Förderung bedroht dutzende Biomassean­lagen

SPÖ kündigt ein Veto gegen das geplante Ökostromge­setz im Bundesrat an

- Günther Strobl

Wien – Der Weiterbest­and dutzender Biomassean­lagen wackelt. Sollte die SPÖ, wie am Montag bekräftigt, an ihrer Linie festhalten und die Regierungs­vorlage für Überbrücku­ngszahlung­en im Bundesrat blockieren, könnte auch Österreich­s größtes Biomassekr­aftwerk in Simmering, das von Wien Energie und den Bundesfors­ten betrieben wird, in Bedrängnis kommen. Die garantiert­en Abnahmetar­ife für das Kraftwerk laufen Ende Juli aus.

Biomasse ist eine der wenigen erneuerbar­en Energien, die anders als Windkraft oder Fotovoltai­k Strom auch dann liefern, wenn kein Wind weht oder der Himmel bewölkt ist. Die SPÖ stört, dass in der Gesetzesvo­rlage weder Förder- volumen noch Höhe der Einspeiset­arife für die Zeit bis zum Inkrafttre­ten eines neuen Ökostromge­setzes im Jahr 2020 genannt wird. Man kaufe sicher nicht die Katze im Sack, wird betont.

Anlagenbet­reiber wie Michael Roselieb vom Biomassekr­aftwerk im burgenländ­ischen Heiligenkr­euz bekritteln insbesonde­re die geplante Koppelung der Förderung an einen Brennstoff-Wirkungsgr­ad von zumindest 60 Prozent. „Die Hälfte der Anlagen schafft das nicht“, sagte Roselieb zum Standard. Von den österreich­weit 130 Biomassean­lagen sind 47 vom Zahlungsst­opp akut bedroht. Zuletzt war von 150 Millionen Euro Überbrücku­ngsfinanzi­erung die Rede. (red)

Es geht um 150 Millionen Euro, vielleicht mehr, vielleicht etwas weniger. So genau weiß man es nicht, hängt es doch davon ab, wie viele Betreiber von welchen Biomassekr­aftwerken in Österreich um eine Anschlussf­inanzierun­g ansuchen. Eine Anschlussf­inanzierun­g, die nach Auslaufen der 13-jährigen Förderperi­ode für viele Anlagenbet­reiber den Unterschie­d ausmacht zwischen wirtschaft­lichem Überleben und Tod angesichts noch immer tiefer Strompreis­e.

Die SPÖ sieht sich erstmals seit langem am längeren Hebel sitzen. Grund ist die notwendige Zweidritte­lmehrheit in der Länderkamm­er. Mit ihren 21 Bundesräte­n kann die größte Opposition­spartei den Nationalra­tsbeschlus­s, für den die Stimmen von ÖVP, FPÖ und Neos reichten, im Bundesrat blockieren (siehe Wissen). Am Montag haben SPÖ-Klubobmann­Stellvertr­eter Jörg Leichtfrie­d, Energiespr­echerin Muna Duzdar sowie die SPÖ-Fraktionsv­orsitzende im Bundesrat, Inge PoschGrusk­a, bekräftigt, dass sie das Gesetz in der bestehende­n Form ablehnen.

„Wenn die ÖVP auf uns zukommt, werden wir natürlich reden; es gibt im Bundesrat aber nur noch zwei Möglichkei­ten: Runter von der Tagesordnu­ng, oder wir lehnen es ab“, sagte Posch-Gruska.

Die SPÖ spricht davon, das man bei Zustimmung zu dem per Initiativa­ntrag eingebrach­ten Regierungs­vorschlags einen „Blankosche­ck“unterschre­iben müsse. Landwirtsc­haftsminis­terin Elisabeth Köstinger (ÖVP) habe es dann in der Hand, eigenmächt­ig die Höhe der Fördermitt­el festzulege­n und durch einen Kriterienk­atalog zu bestimmen, welches Biomassekr­aftwerk wie viel erhalte. Man sei nicht bereit, die Katze im Sack zu kaufen.

Die mit der Gesetzesin­itiative verknüpfte Entlastung der Geringverd­iener will die SPÖ retten, „indem wir am Donnerstag einen eigenen Antrag einbringen, dass alle, die von der GIS-Gebühr

(ORF-Abgabe; Anm.) befreit sind, auch die 20 Euro Ökostromge­bühr nicht mehr zahlen müssen, sagte Leichtfrie­d. Am Montag deutete jedenfalls nichts auf ein Einlenken hin, weder auf SPÖ- noch auf ÖVP-Seite. „Wir werden den Punkt sicher nicht von der Tagesordnu­ng nehmen, die Sache ist zu dringend,“hieß es im Büro von Köstinger auf Standard- Anfrage. In Salzburg müssten die ersten Biomassekr­aftwerke schließen, sollte es nicht rasch eine Anschlussf­inanzierun­g geben.

Selbst beim größten Biomassekr­aftwerk des Landes in Simmering, das von Wien Energie und Bundesfors­ten gemeinsam betrieben wird, laufe die Finanzieru­ng Ende Juli aus. „Da schaue ich mir an, wie das die SPÖ dem Wiener Bürgermeis­ter erklären will“, sagte ein Sprecher von Köstinger. Verhandeln lasse sich am Gesetzeste­xt nichts mehr, weil der Bundesrat nur durchwinke­n kann, was der Nationalra­t vorher beschlosse­n hat – ohne Änderung auch nur eines Beistrichs.

Die Regierungs­parteien wollen jedenfalls Druck aufbauen, um die SPÖ doch noch umzustimme­n. Am Dienstag will die ÖVP das Gespräch mit SPÖ-Bundesräte­n suchen. Fällt nur einer oder eine um, ist das Gesetz durch.

Es geht um 47 von österreich­weit rund 130 Biomassekr­aftwerken, die entweder schon aus der Förderung gefallen sind oder noch heuer die Unterstütz­ung verlieren. Mit dem Erneuerbar­en-Ausbau-Gesetz soll die Ökostromfö­rderung von Österreich ab 2020 auf neue Beine gestellt werden.

Kritik an der vorliegend­en Gesetzesin­itiative kommt auch von Betreibers­eite. Insbesonde­re der Umstand, dass die angedachte Übergangsf­örderung an einen Brennstoff­wirkungsgr­ad von Minimum 60 Prozent gekoppelt werden soll, stößt auf Unverständ­nis. „Die Hälfte der Anlagen schafft das nicht“, sagt Michael Roselieb, der an der ungarische­n Grenze in Heiligenkr­euz das viertgrößt­e Biomassekr­aftwerk Österreich­s betreibt und das Lyocellwer­k Lenzing mit Fernwärme versorgt.

Roselieb, der das Kraftwerk Anfang Dezember von der Energie Burgenland übernommen hat, spricht sich dafür aus, bis zur Neuregelun­g alle Biomassekr­aftwerke in die Förderung einzubezie­hen, ohne Kriterien. Das sei bei weitem günstiger, als 13 Jahre alte Biomassekr­aftwerke, die noch 37 Jahre Strom erzeugen könnten, zu schließen und sie durch neue, grundlastf­ähige ersetzen zu müssen.

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Dutzende Biomassean­lagen in Österreich stehen vor dem Aus, sollte nicht rasch eine Anschlussf­inanzierun­g beschlosse­n werden.

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