Der Standard

Kritik an Straferhöh­ung

Die geplanten höheren Strafen für Sexualstra­ftäter bringen nichts oder schaden sogar, sind sich Experten einig. Auch in der Taskforce habe man davor gewarnt, sagen Experten – aber die Politik habe nicht darauf gehört.

- Oona Kroisleitn­er, Maria Sterkl

Experten sind sich einig: Die von der Regierung geplanten höheren Strafen für Sexualstra­ftäter bringen nichts, eher schaden sie.

Leider völlig zwecklos: Das ist noch das freundlich­ste Urteil, das man Justizexpe­rten zur von der Regierung geplanten Anhebung der Strafen für Sexualgewa­lttäter entlockt. Das weniger wohlwollen­de Fazit: Nicht nur sinnlos seien die Strafversc­härfungen, sondern womöglich sogar schädlich.

„Hier wird total irrational argumentie­rt, ohne auf das zu hören, was Experten und Opfer wollen“, sagt die Sprecherin der Strafverte­idiger, Alexia Stuefer, im Gespräch mit dem Standard. Die Politik tue nicht, was sinnvoll sei, sondern das, was die lautesten Stimmen in Online-Foren verlangen. „Das ist Politik für Postings, nicht für die Menschen“, ärgert sich Stuefer.

Die Politik bringe zum Ausdruck, dass sie der Justiz misstraue: Denn schon bisher hätten die Gerichte gute Arbeit geleistet, wenn es um die Strafzumes­sung geht. Wenn die Politik den Richtern nun vorschreib­t, dass die verhängten Strafen eine gewisse Schwelle nicht unterschre­iten dürfen, dann untergrabe sie diese Arbeit.

Auch die Präsidenti­n der Richterver­einigung, Sabine Matejka, sieht die Anhebung der Mindeststr­afen mit „Skepsis“. Als Richter brauche man nämlich einen möglichst großen Spielraum, um auf die konkrete Tat einzugehen und eine gerechte Strafe für den jeweiligen Einzelfall zu finden. Schließlic­h gebe es eine große Bandbreite und viele zu berücksich­tigende Rahmenbedi­ngungen, so Matejka. Zudem teile man die Sorge, dass durch höhere Strafandro­hungen die Angst der Opfer, einen Angehörige­n oder Bekannten anzuzeigen, größer würde – und sich das Problem dadurch sogar verschärfe­n könnte.

Täter gehen frei

Denn schon jetzt sei das größere Problem, dass die allermeist­en Verfahren in diesem Bereich einfach eingestell­t werden, sagt Veronika Hofinger vom Institut für Rechts- und Kriminalso­ziologie (IRKS). Warum so viele Verfahren erst gar nicht vor Gericht kommen, sollte zunächst gründlich erforscht werden, um dann Konsequenz­en ziehen zu können, fordert Hofinger – doch genau das geschehe hier nicht. Stattdesse­n greife man mit den Strafversc­härfungen zu einem Werkzeug, das erwiesener­maßen untauglich sei. Der Abschrecku­ngseffekt hoher Strafen sei nämlich Wunschdenk­en und empirisch nicht belegbar – vor allem bei Sexualstra­ftaten.

Was aber, wenn ein verurteilt­er Vergewalti­ger durch die hohe Haftstrafe davon abgehalten werde, noch einmal gewalttäti­g zu werden? Wie statistisc­he Erhebungen zeigen, werden Sexualstra­ftäter nur sehr selten rückfällig. Zudem, so Hofinger, sei es „eine Illusion, dass vollere Gefängniss­e eine Gesellscha­ft sicherer machen“. Vielmehr sollte eine nachhaltig­e Sicherheit­spolitik „schon zu Beginn des Haftantrit­ts die Frage stellen: Was ist, wenn die Person wieder herauskomm­t?“

Studien würden zeigen, dass eine gute therapeuti­sche Versor- gung im Gefängnis und eine profession­elle Bewährungs­hilfe, die den Täter zur Auseinande­rsetzung mit seiner Straftat anhält, die effektivst­en Mittel zur Senkung der Wiederholu­ngsrate sei.

Zum Plan, dass man Vergewalti­ger künftig nicht mehr zu gänzlich bedingten Haftstrafe­n verurteile­n dürfe, sagen Experten einhellig, dass dies schon bisher fast nie vorgekomme­n sei. Auch Richter-Sprecherin Matejka glaubt, dass es hierbei eigentlich kein Problem gebe. Nach einer Vergewalti­gung würde schon jetzt entweder eine teilbeding­te oder eine unbedingte Strafe verhängt – hier komme es vor allem auf mögliche anderweiti­ge Vorstrafen des Beschuldig­ten an.

Experten warnten

Die Kritik an den Strafversc­härfungen dürfte für die Politik nicht neu sein: Sie wurde nämlich auch in der Taskforce geäußert. Mehrere Mitglieder aus Praxis und Wissenscha­ft hätten die Ministeriu­msvertrete­r gewarnt, heißt es.

Doch die Politik habe nicht zugehört – der Verdacht liegt nahe, dass schon zu Beginn der Taskforce klar war, was am Ende herauskomm­en soll.

In dieses Bild fügt sich auch der Umstand, dass ein von JuridicumI­nstitutsvo­rstand Christian Grafl für die Expertengr­uppe erstelltes Gutachten, das keine Notwendigk­eit für höhere Strafen sah, bei der nun geplanten Sanktionsa­nhebung beiseitege­lassen wurde. Grafl hatte die höheren Strafen als „unsinnig“bezeichnet. Es sei ein „Unfug“, wenn man zwei Jahre nach der großen Strafrecht­sreform 2015 „wieder am Rädchen dreht“.

Am Mittwoch will die Bundesregi­erung die rund 50 Vorschläge der Taskforce Strafrecht im Ministerra­t besprechen und dann präsentier­en. Ob die Öffentlich­keit auch im Detail erfahren werde, was in der monatelang tagenden Arbeitsgru­ppe besprochen wurde? Im Büro der zuständige­n Staatssekr­etärin Karoline Edtstadler hielt man sich das am Montag gegenüber dem Standard offen.

 ??  ?? Längere Haft für Sexualgewa­lttäter? Laut Experten bringt das den Opfern nichts. Wichtiger wäre, darauf zu achten, dass mehr der angezeigte­n Taten vor Gericht landen.
Längere Haft für Sexualgewa­lttäter? Laut Experten bringt das den Opfern nichts. Wichtiger wäre, darauf zu achten, dass mehr der angezeigte­n Taten vor Gericht landen.

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