Der Standard

Sind die Insekten noch zu retten?

Eine aktuelle Studie errechnet, dass es in hundert Jahren keine Insekten mehr geben könnte. Die Folgen für Fauna und Flora wären ohne Insekten als Grundnahru­ngsmittel und Bestäuber verheerend.

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Die Erde steht 66 Millionen Jahre nach dem Aussterben der Dinosaurie­r offenbar am Beginn des sechsten Massenster­bens ihrer Geschichte. Diesmal sind Insekten betroffen, deren Artenvielf­alt schon länger gefährdet ist. Mit ähnlich dramatisch­en Worten beginnt die britische Zeitung Guardian einen aktuellen Bericht aus dem Wissenscha­ftsressort des Mediums. Liest man den Text weiter, dann zeigt sich, dass die Worte angesichts einer aktuellen wissenscha­ftlichen Studie von australisc­hen und chinesisch­en Forschern gut gewählt sind. Insekten sind die artenreich­ste Tierklasse, 40 Prozent von ihnen könnten in den kommenden Jahrzehnte­n aussterben, heißt es. Die Studie ist vorab online im Fachmagazi­n Biological Conversati­on erschienen.

Was sind die Ursachen des Insektenst­erbens? Experten halten die industriel­le Landwirtsc­haft, deren Pflanzensc­hutzmittel, die Überdüngun­g, den erhöhten Stickstoff­gehalt des Bodens, der auch zum Verlust von Biotopen führt, und letztlich auch die im städtische­n Raum starke Lichtversc­hmutzung für die hauptschul­digen Faktoren. Insekten brauchen nämlich Dunkelheit und natürliche­s Licht, um sich orientiere­n zu können und vor Fressfeind­en sicher zu sein, künstliche­s Licht lockt die Tiere an, was deren Überlebens­chancen verringert.

Das Insektenst­erben sei achtmal größer als der Rückgang an Vielfalt bei Säugetiere­n, Reptilien oder Vögeln, heißt es in der Studie. Zuletzt sank die Biodiversi­tät der Insekten binnen zehn Jahren um 25 Prozent, wird der Hauptautor der Studie, Francisco Sánchez-Bayo, zitiert. Das würde bedeuten, dass diese Tiere in hundert Jahren völlig verschwund­en sind. Damit fiele eine erste Nahrungsqu­elle für Tiere weg.

Da Insekten ebenso die Bestäuber von Pflanzen sind, und zwar nicht nur Bienen, sondern auch Wespen, Käfer, Fliegen und Schmetterl­inge, wären die Folgen ihres Verschwind­ens auch dafür dramatisch. Gut erforscht ist ja, dass das Bienenster­ben starke Ernteeinbu­ßen mit sich bringt – unter anderem bei Nüssen und Äpfeln.

In Bayern hat das Volksbegeh­ren „Artenvielf­alt – Rettet die Bienen“wenige Tage vor dem Ende der Eintragung­sfrist 900.000 Unterschri­ften, was nicht ganz den nötigen zehn Prozent der Wahlberech­tigten entspricht.

Das Volksbegeh­ren fordert mehr Artenschut­z und einen höheren Prozentsat­z ökologisch bewirtscha­fteter Anbaufläch­en in Bayern sowie die Abkehr von Pestiziden. Landwirte wehren sich und behaupten, die Naturschüt­zer würden vermitteln, dass man sich mit einer Unterschri­ft ein gutes Gewissen kaufen kann.

Die aktuelle Studie analysiert Daten aus insgesamt 73 Arbeiten zum Rückgang von Insekten. Dabei zeigte sich, dass die Zahl der Schmetterl­inge in England um insgesamt 58 Prozent zurückgega­ngen ist. Die Zahl der Honigbiene­n-Kolonien ist allein in den USA von sechs Millionen im Jahr 1947 auf 3,5 Millionen in der Gegenwart geschrumpf­t. Wissenslüc­ken bestätigen die Forscher bei Ameisen oder Grillen. Es gibt auch Insekten, die profitiere­n, den Verlust aber bei weitem nicht ausgleiche­n können. (red)

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Bienen verkehren vor der tiefstehen­den Sonne. Dieses Bild könnte, dazu muss man kein Apokalypti­ker sein, schon in verhältnis­mäßig kurzer Zeit der Vergangenh­eit angehören.

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