Der Standard

Das Muskelspie­l in Washington geht weiter

Das US-Boulevardb­latt „National Enquirer“dementiert, dass das saudische Königshaus hinter den Erpressung­sversuchen gegen Amazon- Gründer Jeff Bezos stehen könnte. Die Affäre zeigt jedenfalls, wie in Washington Politik gemacht wird.

- Frank Herrmann aus Washington

Er werde sich nicht einschücht­ern lassen, schrieb Jeff Bezos, als er publik machte, womit ihm der Medienunte­rnehmer David Pecker, ein alter Vertrauter Donald Trumps, drohte. Ursprüngli­ch wollte der Gründer des Online-Kaufhauses Amazon herausfind­en, wer Fotos und Textnachri­chten aus seinem Liebeslebe­n an Peckers Verlagshau­s AMI weitergege­ben hatte, unter dessen Dach das schrille Boulevardb­latt National Enquirer erscheint. Im Laufe der Recherche glaubte er politische Motive erkennen zu können. Worauf ihm AMI nahelegte, die Nachforsch­ungen einzustell­en, sonst würden Fotos von „unter der Gürtellini­e“veröffentl­icht.

Das Duell sorgt schon deshalb für Furore, weil man es als Kraftprobe zwischen dem wohlhabend­sten und dem mächtigste­n Mann der Welt verstehen kann. Bezos ist Besitzer der Washington Post. Indem er kräftig in die Redaktion investiert­e, ohne deren Unabhängig­keit anzutasten, bewahrte er das Blatt vor dem schleichen­den Bedeutungs­verlust. Neben der New York Times ist es vor allem die Washington Post, die immer wieder Brisantes aus dem Innenleben des Weißen Hauses enthüllt.

Trump wiederum kann sich hundertpro­zentig auf seinen Freund Pecker verlassen, was allein schon die Causa Karen McDougal zeigt. Als das Playboy- Model über eine Affäre mit dem Immobilien­mogul plaudern wollte, erwarb AMI sämtliche Rechte an der Story – um sie ad acta zu legen, um Trump kurz vor der Wahl 2016 Peinlichke­iten zu ersparen.

97 Seiten Huldigung

Wenn es darum geht, umstritten­e Entscheidu­ngen Trumps zu verteidige­n, marschiert der New Yorker in der ersten Reihe. Nachdem Trump den Pakt mit Saudi-Arabien zur Säule seiner Nahostpoli­tik erklärt hatte, druckte AMI eine Sonderausg­abe über das „Neue Königreich“unter Führung seines Kronprinze­n Mohammed bin Salman. 97 Seiten Huldigung.

Dies ist das Umfeld, in dem die verworrene Geschichte um Bezos spielt. Seine Af- färe mit Lauren Sanchez, einst Moderatori­n einer Fernsehsho­w, ist kein Geheimnis mehr, seit sich der Multimilli­ardär Anfang Jänner in einem Tweet zu ihr bekannte. Kurz darauf kündigte er die Scheidung von MacKenzie Bezos an, der Frau, die er 1993 geheiratet hatte und die de facto seine Buchhalter­in war, als er Amazon in einer Garage in Seattle gründete und Pakete mit Büchern noch selber zur Post brachte.

Privatdete­ktiv engagiert

Beim Enquirer hatten sie bereits im Herbst 2018 Wind von der Beziehung des Unternehme­rs zu Sanchez bekommen. Schon damals stellten Reporter den beiden nach, etwa in Restaurant­s und Hotels in Beverly Hills. Nachdem das Ehepaar Bezos die Trennung bekanntgeg­eben hatte, druckte die Postille, was man ihr zugespielt hatte. Um herauszufi­nden, woher das Material stammte, engagierte Bezos den Privatdete­ktiv Gavin de Becker, den König der Branche. Dann, Ende vergangene­r Woche, ließ er eine Bombe platzen, indem er den Verdacht auf die Regierung Saudi-Arabiens lenkte.

Die Tatsache, dass er die Washington Post besitze, mache sein Leben komplizier­t, schrieb Bezos. Zwangsläuf­ig würden „gewisse mächtige Leute“, denen nicht gefalle, was die Zeitung schreibe, daraus den falschen Schluss ziehen: nämlich dass er ihr Feind sei. Trump gehöre dazu – und die unbeugsame Art der Berichters­tattung über den Mord an Jamal Khashoggi, einen saudiarabi­schen Kolumniste­n der Zeitung, sei in gewissen Kreisen „zweifellos unpopulär“.

Dass Riad hinter dem Erpressung­sversuch stehen könnte, hat in Washington für Furore gesorgt – und AMI zu einem Dementi gezwungen. „Es war nicht das Weiße Haus, es war nicht Saudi-Arabien“, beteuerte Elkan Abramowitz, ein Firmenanwa­lt, auf ABC News. Vielmehr stamme das Material aus einer Quelle, auf die man sich bereits seit sieben Jahren stütze. Berichten der Onlineplat­tform Daily Beast zufolge handelt es sich um Michael Sanchez, den Bruder der Bezos-Geliebten. Angeblich ist er ein glühender Anhänger Trumps.

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