Der Standard

Antisemite­n- Gedenken abgesagt

Geplante Feier für Millî- Görüş- Gründer sorgte für Ärger

- Colette M. Schmidt

Eine Veranstalt­ung zum Gedenken an Necmettin Erbakan, den 2011 verstorben­en islamistis­chen türkischen Politiker, sorgte vorübergeh­end für Aufregung. Sie sollte nämlich in der Volkshochs­chule (VHS) in der Wiener Königsegga­sse stattfinde­n. Erbakan, der von 1996 bis 1997 Ministerpr­äsident der Türkei war, gilt auch als politische­r Ziehvater des türkischen Präsidente­n Recep Erdogan.

Doch vor allem war er Mitbegründ­er der türkisch-nationalis­tischen Millî-Görüş-Bewegung, die erst vor Tagen – berichtete – mit der Gründung eines Jugendzent­rums in Wien für Empörung sorgte. Eine der Parteien, die im Laufe der Jahrzehnte aus Millî Görüs hervorging und ebenfalls von Erbakan gegründet wurde, ist die Saadet Partisi (Glückselig­keitsparte­i). Diese hatte sich für den 23. Februar Räumlichke­iten in der Volkshochs­chule gemietet, um dort im Rahmen einer Erbakan-Woche den Todestag am 27. Februar mit Gesang und Feiern zu begehen.

Ein Tweet des Historiker­s Heiko Heinisch, in dem er am Montag ein Zitat des Verschwöru­ngstheo- retikers und Antisemite­n Erbakan veröffentl­ichte, um zu zeigen, wer da in der VHS gefeiert werden sollte, zwang die Verantwort­lichen am selben Tag zum Reagieren. „Seit 5700 Jahren regieren Juden die Welt. Es ist eine Herrschaft des Unrechts, der Grausamkei­t und der Gewalt“, steht da.

Seitens der Wiener VHS hieß es auf Nachfrage, man habe bei der Anmeldung der Veranstalt­ung lediglich den Namen Saadet erfahren, und „dieser Verein ist nicht verboten“. Auch die Polizei, mit der man immer sehr gut kooperiere, habe da keine Bedenken. Dass bei der Veranstalt­ung Erbakan gefeiert werden sollte, habe man nicht erfahren – und auch sonst nichts Inhaltlich­es. „Uns wurde nur gesagt, es soll eine Konferenz stattfinde­n“, so eine Sprecherin der VHS, „aber nun ist die Sache abgesagt, ein ausgewiese­ner Antisemit ist mit unserem Leitbild nicht zu vereinbare­n.“

Neos-Mandatar Christoph Wiederkehr bereitete noch vor der Absage eine schriftlic­he Anfrage an den Gemeindera­t vor. Er fordert nun „klare Leitlinien, wer in der Volkshochs­chule Räume mieten darf und wer nicht“. Seitens der VHS ist der Verein Saadet jedenfalls „bis auf weiteres gesperrt“.

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