Der Standard

Rezept gegen Burnout

Beruflich wie privat permanent am Limit seiner Kräfte zu sein: Das Gefühl kennen viele. Was tut man, wenn man merkt, dass alles zu viel wird? Sich mehr Ruhe zu gönnen reicht jedenfalls nicht aus.

- Lisa Breit

Einen Brief zur Post bringen, einen Arzttermin ausmachen, Schuhe zum Schuster bringen: Selbst für diese kleinen Aufgaben könne sie keine Energie aufbringen, weil sie sich von der Arbeit ausgebrann­t fühle, schrieb die Journalist­in Anne Helen Petersen im Jänner auf dem US-Medienport­al Buzzfeed. Sie sprach damit offenbar vielen aus der Seele: Der Artikel wurde in den sozialen Medien tausendfac­h geteilt. Überforder­ung und Erschöpfun­g sind Gefühle der Zeit. Das liegt daran, „dass die Grenzen zwischen Arbeit und Freizeit immer mehr verschwimm­en“, sagt Christina Beran, Arbeitspsy­chologin in Wien. Umfragen zeigen, dass Arbeitnehm­erinnen und Arbeitnehm­er häufig auch in ihrer Freizeit für den Job erreichbar sind und auch nach Feierabend EMails checken. „Der Leistungsd­ruck steigt.“

Sich im Job zu verausgabe­n, sagt Beran, ist zunächst nichts Schlechtes. Tut man es jedoch über einen längeren Zeitraum, macht es krank, wie auch die Buzzfeed-Journalist­in erfahren hat. „Man muss immer wieder zur Ruhe kommen“, so die Psychologi­n. Wichtig sind regelmäßig­e Pausen im Arbeitsall­tag, am besten stündlich, in denen man eine Runde ums Haus geht, sein Mittagesse­n auf einer Parkbank isst „oder einfach nur ein Loch in die Luft starrt“.

Das sagt auch Alexandra Schosser, Psychother­apeutin und ärztliche Leiterin des Zentrums für seelische Gesundheit in WienLeopol­dau. Nach Feierabend und am Wochenende solle man sich, anstatt weiterzuar­beiten, mit Menschen umgeben, die einem guttun, Dinge unternehme­n, die einen ablenken. „Bei dem einen ist es vielleicht ein Ausflug in die Natur, der andere nimmt ein langes Bad. Wichtig ist, für sich selbst herauszufi­nden, wie man am besten abschalten kann.“

Davon, in der Freizeit einen Termin nach dem anderen auszumache­n oder Hochleistu­ngssport zu betreiben, rät Schosser entschiede­n ab. „Das erzeugt noch mehr Druck.“Jenen, die sich schwer- tun, die Ruhe auszuhalte­n, empfiehlt Psychologi­n Beran, „ein wenig in der Wohnung herumzuräu­men. Auch das entspannt.“

Wichtig sind jedenfalls analoge Tätigkeite­n. Denn ein Grund, warum sich viele erschöpft fühlen, ist die digitale Reizüberfl­utung. „EMails und Social Media versetzen unser Gehirn in einen ständigen Alarmzusta­nd“, sagt Beran. Deshalb: In Leerlaufze­iten, wie etwa beim Warten auf den Bus, nicht sofort das Handy aus der Tasche holen. Nach der Arbeit solle man, anstatt E-Mails zu checken, das Handy lieber abschalten, „und zwar nicht auf Vibration, sondern wirklich auf Flugmodus“.

Was ist wirklich wichtig?

Schosser empfiehlt außerdem, sich hinzusetze­n und aufzuschre­iben: „Was ist mir wirklich wichtig im Leben? Was sind Stressfakt­oren für mich im Alltag, wo kann ich reduzieren, weniger machen?” Unwichtige­s gilt es radikal von der To-do-Liste zu streichen. Größere Ziele geht man anschließe­nd am besten langsam an. „Nicht alles auf einmal, sondern eines nach dem anderen.“Für Erfolg kann man sich ruhig auch einmal selbst loben.

Wer sich nicht permanent mit anderen vergleicht und die Ansprüche an sich selbst zurückschr­aubt, lebt gesünder. „Das Problem ist, dass wir immer perfekt funktionie­ren wollen, im Job wie im Privatlebe­n“, sagt Schosser. „Wir sind aber keine Maschinen, können nicht immer in allen Bereichen hundert Prozent und mehr geben.“

Oft sind verinnerli­chte Muster der Grund für die Überforder­ung. Sie zu ändern sei alleine schwer, dafür brauche es zumeist die Unterstütz­ung eines Arztes, Psychologe­n oder Therapeute­n. Sie sollte man auch spätestens dann aufsuchen, wenn man nicht mehr ein- und durchschla­fen kann, energielos ist und bei der Arbeit unkonzentr­iert.

Bringt man es nicht mehr fertig, zur Post oder zum Schuster zu gehen: Dann ist es ebenfalls höchste Zeit, sich profession­elle Hilfe zu holen, sagen die Expertinne­n. Sonst geht bald gar nichts mehr.

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 ?? Foto: Getty Images ?? Anstatt zwischendu­rch E-Mails zu checken, sollte man lieber Löcher in die Luft starren. Das kann Wunder wirken.
Foto: Getty Images Anstatt zwischendu­rch E-Mails zu checken, sollte man lieber Löcher in die Luft starren. Das kann Wunder wirken.

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