Der Standard

Die Zensurnetz­e werden ausgeworfe­n

Frankreich und Deutschlan­d haben sich auf einen Kompromiss zu umstritten­en Uploadfilt­ern geeinigt. Nun soll die Urheberrec­htsreform trotz umfassende­r Kritik schleunigs­t durch das EU-Parlament gebracht werden.

- Fabian Schmid

Für Freunde und Feinde eines zur Verhinderu­ng von Urheberrec­htsverletz­ungen eingesetzt­en automatisc­hen Uploadfilt­ers waren die vergangene­n zwölf Monate eine Achterbahn­fahrt der Gefühle. Der erste Vorschlag wurde im EU-Parlament zuerst nicht angenommen, dann bekam er doch grünes Licht, dann stockten die Verhandlun­gen im EU-Rat – und nun feiert er ein Comeback und ist dabei laut Kritikern „schlimmer als je zuvor“.

So bezeichnet jedenfalls die Piratin Julia Reda die neue Regelung, auf die sich Frankreich und Deutschlan­d geeinigt haben. Frankreich wollte ein extra strenges Urheberrec­ht durchsetze­n, Deutschlan­d hingegen Ausnahmen für kleine Unternehme­n und Start-ups schaffen. Herausgeko­mmen ist eine Regelung, die Firmen mit weniger als fünf Millionen Nutzern, zehn Millionen Euro Umsatz oder drei Jahren auf dem Buckel von Uploadfilt­ern ausnimmt. Allerdings nur, wenn diese nachweisen können, möglichst große Anstrengun­gen zum Erwerb von Rechtelize­nzen unternomme­n zu haben. Was das konkret bedeutet, ist äußerst unklar.

Deshalb ist im Endeffekt niemand zufrieden: Einigen Rechteinha­bern und dem EU-Abgeordnet­en Axel Voss, der die Urheberrec­htsreform aushandelt­e, gehen die Ausnahmen zu weit. Für an- dere Betroffene, vor allem Startups und IT-Verbände, sind die Ausnahmen hingegen viel zu eng gefasst. ISPA, der Verband der Internetwi­rtschaft Österreich, spricht etwa von einer „zukunftsfe­indlichen Urheberrec­htsrichtli­nie, die gestoppt werden muss“.

Showdown vor EU-Wahl

Dazu gibt es nun nur mehr eine Möglichkei­t: Nachdem sich die Mitgliedss­taaten im EU-Rat auf ihren Kompromiss verständig­t haben, werden nun wieder EU-Kommission und EU-Parlament in die Verhandlun­gen miteinbezo­gen.

Vor der EU-Wahl muss eine Mehrheit der Abgeordnet­en den Vorschlag annehmen, andernfall­s beginnt der Gesetzgebu­ngsprozess von vorne. Kritiker des Vorschlags sehen in der zeitlichen Nähe zur EU-Wahl Ende Mai nun einen Vorteil. „Da ein Großteil der Abgeordnet­en im Mai wieder ins Europäisch­e Parlament gewählt werden möchte, ist klar, dass auch die Aufmerksam­keit der Bevölkerun­g jetzt auf ihnen lastet“, sagt ISPA-Generalsek­retär Maximilian Schubert.

Vor den zwei früheren Abstimmung­en im EU-Parlament hatten Netzaktivi­sten massive Kampagnen gegen die Urheberrec­htspläne initiiert. Ähnliches ist nun auch in den kommenden Wochen zu erwarten. Kritiker der Regelung warnen davor, dass das Internet zer- splittert und in seiner Funktionsw­eise fundamenta­l verändert werden könnte. Wenn jede Plattform, auf die Inhalte geladen werden können, diese automatisc­h aussiebt, könnten eine Vielzahl legaler Inhalte unabsichtl­ich hängenblei­ben. Das sei eine Einschränk­ung der Meinungsfr­eiheit, wird argumentie­rt. Außerdem könnten sich große US-Plattforme­n dagegen sträuben, Zensurfilt­er für ihre europäisch­en Nutzer einzubauen – und diese vorsorglic­h aussperren.

Ähnliches passierte schon im Zuge der Datenschut­zgrundvero­rdnung (DSGVO), wegen der nach wie vor einige Webseiten großer US-Zeitungen nicht mehr aus Europa abrufbar sind.

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Legale Inhalte könnten unabsichtl­ich in den Netzen des Uploadfilt­ers hängenblei­ben, warnen Kritiker der Urheberrec­htsreform

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