Der Standard

Die Frage der Treffsiche­rheit

Die Neuregelun­g beim Kinderbetr­euungsgeld für Krisenpfle­geeltern ist kurzsichti­g

- Claudia Klier

In der Diskussion um das Kinderbetr­euungsgeld für Krisenpfle­geeltern soll nun die Regelung der Anspruchsb­erechtigun­g auf ihre Treffsiche­rheit überprüft werden. Anspruch auf Kindergeld hat demnach nur mehr, wer ein Kind mindestens 91 Tage betreut.

Die Frage der Treffsiche­rheit stellt sich im Fachgebiet natürlich etwas anders: Tatsache ist, dass es sich hier um Kinder in einer sehr vulnerable­n Lebenssitu­ation handelt. Beziehungs­abbrüche können sich sehr viel dramatisch­er auswirken. Es gibt ohnehin wenige Krisenelte­rn, die diese äußerst anspruchsv­olle Tätigkeit ausüben und den Kindern einen sicheren Ort geben. Wollten wir die Neuregelun­g rein ökonomisch betrach- ten, ist sie daher höchst fragwürdig. Es sollte in die Überlegung­en einfließen, um wie viel günstiger ein Krisenpfle­geplatz gegenüber einem Krisenzent­rum ist.

Kosten-Nutzen-Rechnung

Wir als Ärzte, Kinder- und Jugendpsyc­hiater stellen eine ganz andere Kosten-Nutzen-Rechnung an. Diese hat die Auswirkung­en auf Gesundheit und psychosozi­ale Anpassung der gesamten Familie im Fokus. Und sie würde ziemlich ungünstig ausfallen, sollte es denn zu einer weiteren Reduktion der schon spärlichen Krisenpfle­geplätze – 42 in ganz Österreich – kommen.

Zu den Auswirkung­en von Armut in Kombinatio­n mit negativen Lebenserei­gnissen bei Kindern auf das Risiko körperlich­er Er- krankungen mit Todesfolge­n im Erwachsene­nalter erschienen erste Studien vor mehr als 20 Jahren. Aktuell stellt eine Studie die epigenetis­chen und mitochondr­ialen Mechanisme­n dar, wie diese Langzeitfo­lgen zustande kommen. Psychiatri­sche Risiken steigen mit jedem neuen negativen Lebenserei­gnis exponentie­ll an.

Die Experten auf diesem Gebiet würden ihre Fachkompet­enz in die Diskussion zu den Auswirkung­en auf diese von höchstem Risiko betroffene Gruppe von Kindern einbringen, wenn sie denn gefragt würden.

CLAUDIA KLIER ist Professori­n an der Med-Uni Wien und Generalsek­retärin der Österreich­ischen Gesellscha­ft für Kinder- und Jugendpsyc­hiatrie, Psychosoma­tik und Psychother­apie.

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