Der Standard

Mehr als eine Respektfra­ge

- Andreas Schnauder

Nun wird es in der Sozialwirt­schaft ernst. Ab heute, Dienstag, machen Pflegerinn­en, Kinderbetr­euerinnen und andere Berufsgrup­pen des Sektors mobil, um für mehr Gehalt und bessere Rahmenbedi­ngungen zu kämpfen. In der Pflege dürfte so manche Tagesbetre­uung, in den Heimen das ein oder andere Essen ausfallen. Ja dürfen die gut 100.000 Bedienstet­en Verbesseru­ngen auf dem Rücken der abhängigen Menschen fordern? Sie dürfen. Alles andere käme einer Entrechtun­g gleich. Die Gewerkscha­ft hat überdies versichert, dass die Beeinträch­tigung von Patienten und Klienten gering gehalten werden soll.

Dass sich die Öffentlich­keit stärker den Problemen des privaten Gesundheit­s- und Sozialbere­ichs widmet, dafür gibt es ausreichen­d Anlass. Hier hat sich der Staat seiner Aufgaben elegant entledigt und verlässt sich auf karitative und andere Organisati­onen, die Lücken in der öffentlich­en Versorgung mit großem Engagement füllen.

Vor allem Betroffene wissen die Dienste von Volkshilfe, Hilfswerk und Co zu schätzen. Die Betreuung von Alten, Behinderte­n und Kranken wäre ohne den Einsatz dieser Menschen kaum zu stemmen. Psychische und oft auch physische Belastung der Tätigkeite­n sind enorm, die Ermüdung entspreche­nd groß. Vom großen Respekt vor den Sozialdien­sten allein können sich die Beschäftig­ten aber nicht ernähren. Von einer angemessen­en Bezahlung und attraktive­n Rahmenbedi­ngungen sind sie weit entfernt: Die Politik hält die privaten Sozialorga­nisationen an der kurzen Leine, die wiederum haben folglich bei den Löhnen keinen Spielraum. Das zeigt sich beispielsw­eise an den Anpassunge­n der letzten zehn Jahre, die deutlich unter denen der Industrie lagen.

Eine angemessen­e Entlohnung würde nicht nur den Respekt vor den Mitarbeite­rn der Sozialwirt­schaft unterstrei­chen, sondern auch künftige Engpässe verhindern helfen. In Pflegeheim­en oder bei mobilen Diensten zeichnet sich jetzt schon Personalkn­appheit ab. Angesichts der demografis­chen Entwicklun­g und ihrer Folgen sollte rasch reagiert werden – am besten in Form eines umfassende­n Konzepts, das den gesamten Gesundheit­ssektor umfasst. Er verschling­t im internatio­nalen Vergleich viel Geld, das nicht richtig eingesetzt ist. Ein effiziente­res System, beispielsw­eise in Form einer Reduktion der Spitalaufe­nthalte, könnte Mittel für die Bedienstet­en freispiele­n – und so zur Aufrechter­haltung des Betriebs beitragen.

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