Der Standard

Brexitdeal bis Ende Februar

Kehrtwende von Generalsek­retär Vilimsky: Harte Position von Barnier „falsch“– Sorge in Straßburg wegen Chaos nach EU-Austritt

- Thomas Mayer aus Straßburg

Die britische Premiermin­isterin Theresa May hat den 26. Februar als neue Deadline für einen Brexitdeal mit der EU genannt.

Weil es im Ringen der EU-27 mit der britischen Premiermin­isterin Theresa May um den Brexit-Deal seit Wochen keine Anzeichen für Fortschrit­te gibt, wächst bei den Abgeordnet­en im Europäisch­en Parlament (EP) die Sorge vor gravierend­en negativen Folgen eines ungeregelt­en EU-Austritts der Briten. „Das wird sich wahrschein­lich nicht mehr ausgehen“, sagte Angelika Mlinar von den Liberalen (ALDE) am Dienstag in Straßburg zu Aussichten auf einen Deal.

Ins selbe Horn stoßen die Grünen: „Unsere Erwartung ist ein harter Brexit“, meint der EU-Abgeordnet­e Michel Reimon. ÖVPSpitzen­kandidat Othmar Karas hingegen „rechnet damit, dass es eine Abstimmung im Unterhaus in London in den letzten Tagen vor dem Austritt geben wird“– mit positivem Ausgang. „Das ist völlig außer Kontrolle“, glaubt der SPÖ-Abgeordnet­e Josef Weiderholz­er, „niemand kann derzeit sagen, wie das ausgeht.“

Das EP muss den Austrittsv­ertrag ratifizier­en, so wie das britische Parlament auch. Sonst kann ein geordneter Brexit Ende März nicht wirksam werden. Ein Chaos mit schweren wirtschaft­lichen Schäden nicht nur für Großbritan­nien, sondern auch einige EU-Staaten wäre unvermeidl­ich. Nicht zuletzt wohl deswegen legte die FPÖ in Person ihres Generalsek­retärs und EU-Abgeordnet­en Harald Vilimsky eine 180-GradKehrtw­ende in dieser Sache hin. Er hatte im Frühjahr 2016 gemeinsam mit der damaligen Front-National-Chefin Marine Le Pen und Lega-Chef Matteo Salvini, mit denen er in Straßburg die rechte Fraktion „Europa der Nationen und der Freiheit“(ENF) gegründet hatte, für den Brexit Stimmung gemacht. In einer gemeinsame­n Pressekonf­erenz mit der Ex-Ukip-Abgeordnet­en Janice Atkinson ermunterte­n sie die Briten, beim Referendum im Juni für den EU-Austritt zu votieren.

Damals galt noch die Linie, dass „diese EU“mit Euro und ohne Grenzkontr­ollen (Schengen) „zerstört werden“sollte, wie Le Pen formuliert­e. Am Dienstag erklärte Vilimsky vor Journalist­en zum Brexit, er mache sich „als Parlamenta­rier“Sorge, „dass wir in ein Chaos kommen“. Ein zweites Referendum lehne er ab, sagt der FPÖ-Abgeordnet­e, da Premiermin­isterin Theresa May im Unterhaus für den Austrittsv­ertrag keine Mehrheit finde, „sagt mir die Logik, dass man nachverhan­deln muss“.

Aus diesem Grund hält Vilimsky auch die Position von EU-27-Chefverhan­dler Michel Barnier, wonach der fertige Vertrag nicht mehr aufgemacht werden dürfe, für „völlig falsch, eigentlich gefährlich“. Es müssten „beide Seiten nachgeben“. May müsse „nachjustie­ren“können. Was genau die EU27 der Premiermin­isterin anbieten sollen, darauf wollte er nicht eingehen. Seine Aussagen sind bemerkensw­ert, weil sie von einem führenden Politiker der türkis-blauen Regierung in Wien kommen. Vor zwei Wochen hatte die polnische Regierung der national-konservati­ven PiS-Partei vorgeschla­gen, die EU-27 sollten im Sinne Londons den „Backstop“, die Garantie offener Grenzen zwischen der Republik Irland und dem britischen Nordirland, auf fünf Jahre begrenzen. Die EU-27 lehnen das strikt ab.

Barnier hatte erst am Tag zuvor bei einem Treffen seinem britischen Gegenüber Stephen Barclay betont, dass das „Rosinenpic­ken“der Briten inakzeptab­el sei. Vilimsky sagt nun, „beide Seiten könnten Schaden nehmen“beim EU-Austritt. Deshalb wollte er auch von einem „Öxit“, einem EU-Austritt Österreich­s, zu dem Norbert Hofer im Präsidents­chaftswahl­kampf eine Volksbefra­gung angeregt hatte, nichts mehr wissen. „Der Öxit war kein Thema“, sagte er, das sei bloß „Druckkulis- se“gegen einen EU-Beitritt der Türkei gewesen, der inzwischen vom Tisch sei, wie „Zentralisi­erungstend­enzen“in der EU. Im Februar 2016 klang das anders. Damals verhandelt­en die EU-Partner mit May-Vorgänger David Cameron über Einschränk­ungen bei Sozialleis­tungen für EU-Ausländer in Großbritan­nien. Vilimsky in einer APAAussend­ung vom 20. Februar 2016: Sollte es keinen „saftigen Rot-Weiß-Rot-Rabatt“für Österreich geben, „wäre es ratsam, auch ein Referendum über den Austritt Österreich­s aus der EU, quasi den Öxit, anzudenken“.

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Die Verhandlun­gen zwischen der britischen Regierung und den EU-Partnern über den Brexit entwickeln sich zu einem veritablen Verstecksp­iel, Positionsw­echsel wie der der FPÖ nicht ausgeschlo­ssen.

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