Der Standard

Trump steigt von der Mauer nicht herunter

Premiermin­isterin Theresa May spielt auf Zeit und rechnet weiter mit Zugeständn­issen der EU. Man müsse nun die „Nerven behalten“. Das britische Parlament bittet sie um Geduld bis 26. Februar.

- Sebastian Borger aus London

Wenige Tage vor einem drohenden neuen Shutdown der US-Regierung machte US-Präsident Donald Trump bei einer Rede in Texas am Montagaben­d (Ortszeit) unter Beifall erneut klar: „Wir bauen die Mauer sowieso.“Kurz zuvor hatten etliche US-Medien von einer Einigung im Budgetstre­it berichtet. Der Kongress wolle Trump 1,4 Milliarden Dollar für Grenzbarri­eren zur Verfügung stellen. Gefordert hatte Trump fünf Milliarden. Dem Deal müsste er bis Freitagnac­ht zustimmen.

Theresa May pokert weiter. Zur Lösung der Brexit-Krise brauche die britische Regierung mehr Zeit, sagte die Premiermin­isterin am Dienstag im Unterhaus. Die Parlamenta­rier sollten sich bis Ende des Monats gedulden und nicht schon diese Woche die konservati­ve Minderheit­sregierung in Zugzwang bringen. „Wir müssen die Nerven bewahren“, forderte die Regierungs­chefin, denn die Verhandlun­gen mit Brüssel seien „in einer entscheide­nden Phase“. Dafür erntete May höhnisches Gelächter der Opposition. In Wirklichke­it verschwend­e May die verbleiben­den wenig mehr als sechs Wochen bis zum angepeilte­n Austrittst­ermin, lautete der Vorwurf von Labour-Opposition­sführer Jeremy Corbyn.

Wie bei ähnlichen Gelegenhei­ten in den vergangene­n Monaten stand die 62-Jährige auch diesmal dem Parlament gut zwei Stunden lang Rede und Antwort. Inhaltlich Neues hatte May nicht zu bieten. Offenbar haben sich auch die meisten Parlamenta­rier damit abgefunden, dass bei den für Donnerstag geplanten Abstimmung­en über das Brexit-Verfahren keine Überraschu­ngen bevorstehe­n.

Mays Erinnerung­sarbeit

May erinnerte die Parlamenta­rier daran, dass sie vor zwei Wochen Zustimmung zum vorliegend­en Verhandlun­gspaket aus Austrittsv­ertrag und politische­r Erklärung signalisie­rt hatten für den Fall, dass in weiteren Gesprächen mit Brüssel die Auffanglös­ung für Nordirland abgewandel­t würde.

Darauf besteht aber Appetit weder in der irischen Hauptstadt noch bei den EU-Verhandlun­gspartnern, wie May vergangene Woche bei Besuchen in Brüssel und Dublin herausfand. Am Dienstag warben ihr De-facto-Vize David Lidington sowie BrexitMini­ster Stephen Barclay bei EUParlamen­tariern in Straßburg um Entgegenko­mmen (siehe unten).

Bereits am Mittwoch wollen Regierungs­angehörige mit Abgesandte­n von Opposition­sführer Corbyn zusammentr­effen. Dieser hatte vergangene Woche der Premiermin­isterin Entgegenko­mmen signalisie­rt für den Fall, dass diese einer dauerhafte­n Zollunion mit der EU zustimmt. May lehnte den Vorschlag nicht rundheraus ab. Die wütende Reaktion der Brexit-Ultras bei den Konservati­ven verdeutlic­hte den Zweck: Die Regierungs­chefin will mit der Drohung eines „weichen“Brexits ihre eigenen Hardliner unter Druck setzen. Umgekehrt eröffnet Corbyn durch sein Zugehen auf May den Labour-Hinterbänk­lern die Möglichkei­t, auch ohne Zustimmung der Parteispit­ze Mays bisherigem Deal zuzustimme­n.

Der sogenannte Backstop soll die Grenze zwischen der Republik Irland und der einstigen Bürgerkrie­gsregion Nordirland offen halten. Er würde nur dann in Kraft treten, wenn sich das Königreich und die EU bis zum Ende der geplanten Übergangsf­rist – wohl Ende 2022 – auf keinen Freihandel­svertrag geeinigt haben. Einer Umfrage von Sky Data zufolge ste- hen die Iren mit großer Mehrheit hinter ihrem Regierungs­chef Leo Varadkar: 79 Prozent raten ihm zur Härte selbst für den Fall, dass es dann keinen Deal gibt.

Wirtschaft verzweifel­t

Dieses Szenario wird angesichts des Stillstand­s in Westminste­r immer wahrschein­licher und stürzt die britische Wirtschaft in Verzweiflu­ng. Zu Wochenbegi­nn veröffentl­ichte Zahlen machen deutlich, dass immer mehr Unternehme­n vor Investitio­nsentschei­dungen zurückschr­ecken – ähnlich wie der Automobilh­ersteller Nissan, der sein neues Allradfahr­zeug nicht wie bisher geplant im nordenglis­chen Sunderland bauen will. Im vierten Quartal 2018 wuchs die Volkswirt- schaft um 0,2 Prozent, im Dezember schrumpfte sie sogar um 0,4 Prozent. Fürs vergangene Kalenderja­hr verzeichne­ten die Statistike­r 1,4 Prozent Wachstum und damit die geringste Quote seit 2009.

Wie wenig die Regierung auf den Chaos-Brexit vorbereite­t ist, verdeutlic­hte ein Eingeständ­nis von Außenhande­lsminister Liam Fox: Kaum einer der angestrebt­en Handelsver­träge, welche die EUVereinba­rungen mit 70 Ländern ersetzen sollen, sei rechtzeiti­g zum 30. März unterschri­ftsreif. Die Ausnahme dazu bildet eine am Montag unterzeich­nete Vereinbaru­ng mit der Schweiz. Hingegen bleiben die zukünftige­n Handelsbez­iehungen mit wichtigen Absatzmärk­ten wie Japan, Korea oder Kanada ungeklärt.

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Der Tag X rückt immer näher: In gut sechs Wochen sollen die Briten die EU verlassen. Noch ist weiterhin nicht klar, wie.

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