Heiratsantrag nach Leberstich
Prozess gegen 27-Jährige, die Partner attackierte
Wien – In den meisten Fällen führt der Stich mit einem Küchenmesser in den Rumpf einer anderen Person zu einer Mordanklage. Nicht im Fall von Julia V. – die 27Jährige wurde nur wegen absichtlicher schwerer Körperverletzung vor ein Schöffengericht unter Vorsitz von Christian Noe gebracht. Am 2. November hat die Unbescholtene ihren Lebensgefährten Igor M. in der gemeinsamen Wohnung attackiert. Aus Angst vor ihm, wie sie sagt.
Verteidiger Richard Soyer arbeitet in seinem Eröffnungsplädoyer drei Aspekte heraus, die das Leben seiner Mandantin geprägt haben. „2011 ist ihre drogenabhängige Schwester verbrannt, danach hat sich Frau V. in den Alkohol geflüchtet. 2017 wurde sie Opfer einer schweren Vergewaltigung. Im vergangenen Juni lernte sie Igor kennen, beide nahmen einen Rucksack in die Beziehung mit. Sie wird verbal übergriffig, er körperlich.“Zweimal habe M. ihr in den fünf Monaten der Beziehung ein blaues Auge geschlagen, referiert Soyer, zum Beweis legt er Fotos vor. Beim zweiten Mal erstattete die Frau sogar Anzeige, zog aber ihre Aussage wieder zurück.
Man lebte dennoch weiter in der ihren gutsituierten Eltern gehörenden Wohnung. Am Tattag kam es zu einem Streit, M. verließ die Wohnung, V. trank noch mehr. Immer wieder von Weinanfällen unterbrochen schildert sie ihre Version: „Er ist zurückgekommen, der Streit ging weiter. Ich hatte Angst, dass er mich wieder verprügelt. In der Küchenzeile habe ich mir ein Messer genommen. Er hat mich angebrüllt, dass er genug von mir hat.“Bei der Polizei hatte sie unmittelbar nach dem Vorfall mit gemessenen 2,4 Promille noch ausgesagt, sie wisse nicht, warum sie zugestochen habe. Nun beteuert sie, M. habe gesagt „Stich mich ab, du traust dich eh nicht“und sich vornübergebeugt. Sie habe ein Ablenkungsmanöver vor einem Faustschlag befürchtet und zugestochen.
„Ist irgendwas Spezielles vorgefallen in der Haft?“, fragt der Vorsitzende bei einer Gelegenheit unschuldig. „Nein“, hört er. „Gab es einen Heiratsantrag?“, hilft Noe. „Ja.“– „Was haben Sie Herrn M. gesagt?“– „Ja.“– „Von wem ist der Antrag gekommen?“– „Er hat ihn an mich gestellt.“Der Vorsitzende will wissen, ob sie wirklich ihre Zukunft mit M. plane. „Das wird die Zeit ergeben“, weicht die laut Gutachter an einer Borderline-Störung leidende V. aus. Und betont: „Es war ja nicht alles schlecht. Wir hatten auch schöne Zeiten.“
V. wird wegen fahrlässiger Körperverletzung im Zuge von Putativnotwehr nicht rechtskräftig zu vier Monaten bedingt verurteilt. Zusätzlich bekommt sie die Weisung zu einer Entzugstherapie und Bewährungshilfe.