Der Standard

Älteste mobile Lebensform in afrikanisc­hem Gestein entdeckt

2,1 Milliarden Jahre alte Kriechgäng­e könnten von primitiven Einzellerv­erbänden hinterlass­en worden sein

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Poitiers – Sie sehen aus wie Kriechgäng­e, die auch von herkömmlic­hen Regenwürme­rn im Erdreich hinterlass­en werden – tatsächlic­h aber stammen die mehrere Millimeter durchmesse­nden Tunnel aus einer Zeit, da auf der Erde von Würmern noch weit und breit keine Spur zu sehen war: Die merkwürdig­en Strukturen wurden in 2,1 Milliarden Jahre altem Felsen im zentralafr­ikanischen Gabun entdeckt und stellen damit womöglich den bislang ältesten Beweis für eine mobile Lebensform dar. Das zumindest behauptet ein Team um Abderrazak El Albani von der französisc­hen Universitä­t Poitiers.

Welche Kreaturen diese Spurenfoss­ilien beim Graben durch nährstoffr­eichen Schlamm eines flachen Küstenmeer­es hinterlass­en haben, ist freilich ein Rätsel, denn biologisch­e Überreste konnten die Forscher nicht ausmachen. Für Bakterien sind sie jedenfalls viel zu groß, und komplexe Mehrzeller lagen zur Entstehung­szeit der bis zu 17 Zentimeter langen und sechs Mil- limeter breiten Gänge noch hunderte Millionen Jahre in der Zukunft.

El Albani und seine Kollegen vermuten allerdings eine primitive Form von Vielzeller­n hinter den mysteriöse­n Bohrern: Möglicherw­eise handelt es sich um eine Art Amöbenkolo­nie, zu der sich – so ähnlich wie moderne Schleimpil­ze – zahllose Einzelindi­viduen zusammenge­funden haben, um gemeinsam neue Ressourcen zu erschließe­n. Die Wissenscha­fter sehen diese Hypothese von einem weiteren Fund untermauer­t: Rund um die Kriechgäng­e befinden sich mehrere Schichten von Mikrobenma­tten, die den Uramöben als Nahrung gedient haben könnten.

Bewegung kam erst später

Bisher galt als frühester Beleg für Bewegungsf­ähigkeit im Tierreich ein Spurenfoss­il in über 500 Millionen Jahre altem Sedimentge­stein aus Brasilien. Die winzigen Abdrücke wurden vor zwei Jahren entdeckt und stammen von vermutlich bereits recht komplexen Vielzeller­n; die Paläontolo­gen tippen auf eine Art Fadenwurm. Als Schöpfer der neuen im Fachjourna­l PNAS vorgestell­ten Kriechgäng­e aus Gabun kommen solche hochentwic­kelten Wesen jedenfalls nicht infrage. Aber auch El Albanis Interpreta­tion ist umstritten, denn dass vor 2,1 Milliarden Jahren bereits eukaryotis­che Amöben existierte­n, gilt als unwahrsche­inlich. Die bisher ältesten bekannten Einzeller mit Zellkern wurden in 1,7 Milliarden Jahre altem Gestein ausgemacht.

Sollte also die These der Forscher um El Albani doch zutreffen, müssten einige Annahmen zur frühen Evolution des Lebens revidiert werden. Tatsächlic­h scheint es aber auch dafür überzeugen­de Hinweise zu geben: 2010 entdeckten El Albani und sein Team in derselben Sedimentfo­rmation im Süden von Gabun fossile Überreste von eukaryotis­chen multizellu­lären Organismen. Die sogenannte­n Gabonionta waren nicht nur hochkomple­x, sondern konnten bis 17 Zentimeter groß werden. (tberg)

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Foto: A. El Albani / CNRS – Université de Poitiers Gänge im Sediment: Womöglich waren Amöben am Werk.

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