Der Standard

Als die Menschen die Erde verließen

Rechtzeiti­g zum 50. Jahrestag der ersten Mondlandun­g im Juli und zum 60-jährigen Bestehen der Weltraumbe­hörde Nasa gewährt ein neuer Bildband Einblick in die Archive. Es ist eine fulminante Reise durch sechs Jahrzehnte US-Raumfahrt und ein Ausblick auf kü

- Tanja Traxler

Angefangen hatte alles mit einem gewaltigen Schock: Am 4. Oktober 1957 eröffnete mit Sputnik 1 der erste Erdsatelli­t das Zeitalter der Raumfahrt. Die Amerikaner hatten das sowjetisch­e Vorhaben nicht ernst genommen und mussten erkennen, dass die Sowjetunio­n in der Lage war, den Weltraum zu erreichen – und folglich jeden Ort der Erde.

Ganz im Sputnik-Schock stehend, wurde 1958 unter enormem Zeitdruck die USWeltraum­behörde Nasa gegründet. Anlässlich ihres 60-jährigen Bestehens und des 50. Jahrestags der Mondlandun­g am 21. Juli 1969 bietet ein neuer Bildband mit Fotos und Textdokume­nten Einblicke in die Archive der Nasa. Es ist eine beeindruck­ende Rückschau auf sechs Dekaden US-Weltraumfo­rschung, die auch aktuelle Herausford­erungen auf der Erde und im All nicht unterbelic­htet lässt.

Da wären zum Beispiel die Anfänge einer kleinen Forschungs­einrichtun­g, die Affen mit Mittelstre­ckenrakete­n in 15-minütigen Flügen bis an die Grenze zum All schickte. Neun Jahre später war daraus eines der größten Projekte der Menschheit­sgeschicht­e geworden – eine halbe Million Mitarbeite­r entwickelt­en eine Technologi­e, die es Menschen möglich machte, den Mond zu betreten. Rund zehn Jahre später war bereits die erste Nasa-Roboterson­de auf dem Mars gelandet. Andere waren unterwegs, um die Stürme des Jupiters und die Ringe des Saturns zu erforschen.

Riskante Missionen und neue Ziele

Gewagte Unternehmu­ngen sind klarerweis­e nicht risikolos. Siebzehn US-Astronaute­n haben die Erforschun­g des Alls mit ihrem Leben bezahlt. Drei starben am 27. Jänner 1967: Bei einem Routinetes­t am Boden fing das erste Apollo-Raumschiff Feuer. Bei der Explosion des Shuttles Challenger am 28. Jänner 1986 starben sieben Astronaute­n. Weitere sieben mussten ihr Leben lassen, als die Columbia am 1. Februar 2003 beim Wiedereint­ritt in die Erdatmosph­äre zerbrochen ist. Insgesamt zeichnet der Band Das Nasa

Archiv allerdings ein überwiegen­d positives Bild der US-Raumfahrt. Weggefährt­en, Astronaute­n und Forscher lassen die großen Erfolge Revue passieren. Dabei darf freilich auch Neil Armstrong nicht fehlen. Der erste Mensch, der den Mond betreten hat, wird etwa mit folgenden pathetisch­en Worten zitiert: „Wir wissen heute, dass der Homo sapiens nicht für alle Zeiten im Gravitatio­nsfeld der Erde gefangen ist. Wir haben tief in unser Universum geblickt, weit zurück, fast bis an den Anfang der Zeit.“

Welche Ziele verfolgt die Weltraumfo­rschung heute? Der Radius hat sich deutlich erweitert: Während in den ersten Dekaden die Erforschun­g des Sonnensyst­ems im Zentrum stand, verlagert sich das Interesse zunehmend auf ferne Exoplanete­n. Doch auch unsere unmittelba­ren kosmischen Nachbarn Mond und Mars motivieren die Forscher zu weiteren Missionen. Dabei werden auch irdische Begehrlich­keiten ins All exportiert: Könnten Menschen den Mars kolonisier­en? Gibt es wertvolle Rohstoffe auf dem Mond? Zudem hat der Blick zurück auf die Erde an Bedeutung gewonnen: Satelliten übermittel­n wichtige Daten, um Fakten in der Klimadebat­te zu schaffen.

 ??  ?? Beim Start der Mission STS-8 der Nasa-Raumfähre Challenger schlug am 30. August 1983 ein Blitz in die Raketenabs­chussrampe ein, die von hohen Türmen und anderen leitfähige­n Systemen umgeben war, sodass sich ein gigantisch­er Faraday’scher Käfig bilden konnte. Der elektrisch­e Schlag wurde somit abgeleitet und vom Raumschiff ferngehalt­en. Zweieinhal­b Jahre später kamen bei der Challenger-Mission STS-51-L alle sieben Astronauti­nnen und Astronaute­n ums Leben, als die Raumfähre in 15 Kilometer Höhe auseinande­rbrach.
Beim Start der Mission STS-8 der Nasa-Raumfähre Challenger schlug am 30. August 1983 ein Blitz in die Raketenabs­chussrampe ein, die von hohen Türmen und anderen leitfähige­n Systemen umgeben war, sodass sich ein gigantisch­er Faraday’scher Käfig bilden konnte. Der elektrisch­e Schlag wurde somit abgeleitet und vom Raumschiff ferngehalt­en. Zweieinhal­b Jahre später kamen bei der Challenger-Mission STS-51-L alle sieben Astronauti­nnen und Astronaute­n ums Leben, als die Raumfähre in 15 Kilometer Höhe auseinande­rbrach.
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Im März 1969 teste der Astronaut Dave Scott die Raumanzüge für die Mondlandun­g (oben). Die Gesteinspr­oben vom Mond wurden später im Lunar Receiving Laboratory analysiert (Mitte). Im April 2016 entdeckten Nasa-Forscher durch Satelliten­aufnahmen rätselhaft­e Strukturen im Kaspischen Meer, die – wie sich später herausstel­lte – durch Eisschmelz­e entstanden waren (unten).
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 ??  ?? Piers Bizony, Andrew Chaikin,Roger Launius: „Das Nasa-Archiv – 60 Jahre im All“. € 100,– / 468 Seiten. Taschen, Köln 2019
Piers Bizony, Andrew Chaikin,Roger Launius: „Das Nasa-Archiv – 60 Jahre im All“. € 100,– / 468 Seiten. Taschen, Köln 2019

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