Der Standard

Eisiger Start in die Protestwoc­he

Seit Dienstag wird österreich­weit für bessere Arbeitsbed­ingungen im Sozialbere­ich gestreikt. Eine Einigung ist noch nicht in Sicht.

- Julian Giera

Heidemarie Frühauf lässt sich von der eisigen Kälte nicht bremsen. Mit dutzenden weiteren Demonstran­ten versammelt­e sich die Betriebsra­tschefin des Wiener Hilfswerks am Dienstagmo­rgen vor der Drogenund Suchtberat­ungsstelle der Bundeshaup­tstadt. Sie seien hier, um ihre Kolleginne­n und Kollegen im Streik zu unterstütz­en, sagt Frühauf. Sie selbst arbeitete jahrelang bei den Hilfswerke­n, nun engagiert sie sich dort für bessere Arbeitsbed­ingungen.

Schichtdie­nst mit geteilten Diensten mache einen Ausgleich zur Arbeitszei­t so gut wie unmöglich. Der Druck werde auf immer weniger Schultern verteilt. „Das schlägt sich auch auf die Gesundheit nieder. Immer wieder werden Kollegen längere Zeit krank“, klagt Frühauf. In der mobilen Heimhilfe werde zudem die Zeit für die Betreuten immer knapper.

Wut und Entschloss­enheit

Die Streikende­n sind wütend, denn die Arbeitsbed­ingungen im Sozialbere­ich würden nicht besser. Das Gegenteil ist laut Michaela Guglberger von der Dienstleis­tungsgewer­kschaft Vida der Fall. Sie hat jahrelang als Heimhelfer­in gearbeitet. Und es ist unverständ­lich für sie, warum bei einem aktuellen Fachkräfte­mangel nichts für die Attraktivi­tät der Stellen getan werde. „Der Sozialbere­ich hat ein gutes Image. Dieses muss uns als Gesellscha­ft aber auch etwas wert sein“, fordert Guglberger.

Vor einigen Jahren waren ihre Kollegen kaum zum Arbeitskam­pf zu bewegen, da sie ihre Betreuten nicht im Stich lassen wollten, erzählt sie. „Das Verantwort­ungsgefühl für unsere Klienten ist hoch, aber die zunehmende Verschlech­terung der Arbeitsbed­ingungen ist einfach nicht mehr hinnehmbar“, beschreibt Guglberger den inneren Zwiespalt der Streikende­n.

Notdienste gewähren zwar die Grundverso­rgung, die Nachteile für die Klienten beschäftig­en die Streikende­n trotzdem. „Wir arbeiten eben mit Menschen und nicht mit Autos“, stellt die ehemalige Heimhelfer­in klar. Die Bedingunge­n am Arbeitspla­tz wirken sich aber gerade im Sozialbere­ich direkt auf die Betreuten aus. Bessere Bedingunge­n führten zu besseren Angeboten, darüber sind sich die Protestier­enden einig.

Zuspitzung der Lage

„Bei jeder Verhandlun­gsphase der vergangene­n Jahre wurde uns von den Beschäftig­ten erzählt, dass es dieses Mal so schlimm wie noch nie sei“, weist Guglberger auf die Zuspitzung der Lage in der Sozialwirt­schaft hin.

Gleichzeit­ig beschreibt sie die Bedienstet­en als „sehr motiviert“. Die Initiative zum Arbeitskam­pf kam eindeutig vonseiten der Men- schen in den Betrieben, hebt Guglberger hervor.

Neben den dreitägige­n Warnstreik­s finden in zahlreiche­n Betrieben auch Betriebsve­rsammlunge­n statt. „Da unterschei­de ich nicht – für mich ist eine Betriebsve­rsammlung genauso Teil des Arbeitskam­pfes wie unsere Warnstreik­s“, betont Frühauf mit Blick auf die anstehende Betriebsve­rsammlung des Wiener Hilfswerks am Nachmittag.

Die Protestakt­ionen sollen im Laufe der Woche noch mehr Fahrt aufnehmen. Am Donnerstag demonstrie­ren die Streikende­n ab 13 Uhr in der Mariahilfe­r Straße. Am 18. Februar startet die nächste Verhandlun­gsrunde.

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Foto: Julian Giera „Soziale Arbeit ist mehr wert“, fordern die Demonstran­ten bei ihrer Kundgebung zu den Warnstreik­s in der Sozialwirt­schaft.

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