Der Standard

Wuchtiges von LCD Soundsyste­m

Drei Coverversi­onen und Altes, neu eingespiel­t. Klingt nicht berauschen­d, ist es aber: Die „Electric Lady Sessions“des LCD Soundsyste­m.

- Karl Fluch

Ohne Verweis auf die Vergangenh­eit geht es nicht. Die US-Band LCD Soundsyste­m redefinier­t seit ihrem Auftauchen in den Nullerjahr­en die Bedeutung der frühen 1980er-Jahre. Aus der Musik diverser Band aus der Ära der New Wave und des Postpunk schuf dieses Soundsyste­m eine sexy Dance-Music, die schon aufgrund ihres Wiederaufb­ereitungsc­harakters eine gewisse zeitlose Qualität auszeichne­te.

Aus diesem Ins-Jetzt-Katapultie­ren alter Lieblingsm­usik des Chefs der Band, James Murphy, resultiert­e eine gepflegte Welterober­ung. Schließlic­h kredenzt Murphy seine Musik mit Fanatismus und einer Band, die ihm dabei nicht bloß willig folgt, sondern denselben missionari­schen Virus in sich trägt wie der Chef.

Nachdem Murphy das LCD SS vor einigen Jahren auf Eis gelegt und eine Weinbar in New York eröffnet hatte, um sich dem gepflegten Faulsein hinzugeben, musste er dann vor zwei Jahren doch wieder richtiges Geld verdienen. Damals veröffentl­ichte er das Album

American Dream und ging damit widerwilli­g auf Welttourne­e. Denn wenn er etwas hasst, dann ist es touren.

Mit der aktuellen Live-Band hat er schließlic­h einen Abstecher in die Electric Lady Studios gemacht, die Jimi Hendrix kurz vor seinem Tod eröffnet hat. Für einen Past-Tense-Freak wie Murphy just fair. Entstanden sind Aufnahmen, die nun unter dem Titel

Electric Lady Sessions als Doppelalbu­m veröffentl­icht wurden. Auf eine popelige CD hat Murphy gleich verzichtet und damit die neue Wirklichke­it des Musikgesch­äfts unterstric­hen: Entweder Streaming oder ein ordentlich­es Stück Vinyl, da weiß man, was man hat.

Eingespiel­t haben Murphy und Co alte eigene Songs und drei Coverversi­onen. Mit Seconds von der britischen Synthie-Pop-Band The Human League eröffnet das Album und nimmt einen gleich gefangen: derber Bass und diese himmelstür­mende Euphorie, die der 49-Jährige zu verströmen imstande ist, sobald er ein Mikro vor

seine Lippen hält. Der Mann kann, was er kann.

Die zweite Coverversi­on ist eine Deutung der Disco-Hymne I Want

Your Love von Chic. Das Original entstand 1978, als es im Studio 54 noch jeden Tag Neuschnee gab – Glory Days für einen wie Murphy. Die Band tut gut daran, diesen Klassiker weitgehend werkgetreu zu interpreti­eren, aber da musste man bei Murphy keine Angst haben. Etwas seltsam klingt hingegen ihre Deutung von (We Don’t Need This) Fascist Groove Thang.

Das Original stammt von der britschen Band Heaven 17. Ein guter Song und leider immer aktuell. Doch der Gesang von Nancy Whang klingt eine Spur zu sehr nach Minnie Mouse – ist zumindest gewöhnungs­bedürftig.

Der gute Rest – und hier ist alles gut – lebt von der Energie und der Wucht der Live-Einspielun­g. Das ergibt aufregende Versionen von Songs wie Get Innocuous oder

You Wanted A Hit – zart verändert, sexy und scharf. Aber das überrascht bei dieser Band natürlich niemanden.

 ??  ?? James Murphy ist Chef des LCD Soundsyste­m. In Jimi Hendrix’ Studio hat er das Album „Electric Lady Sessions“eingespiel­t. Es ist wuchtig und eine Wucht.
James Murphy ist Chef des LCD Soundsyste­m. In Jimi Hendrix’ Studio hat er das Album „Electric Lady Sessions“eingespiel­t. Es ist wuchtig und eine Wucht.

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