Der Standard

KOPF DES TAGES

Welle der Entrüstung nach einem Tweet

- Gianluca Wallisch

Lang hat es nicht gedauert, bis Ilhan Omar für Schlagzeil­en sorgte. Die USKongress­abgeordnet­e mit somalische­n Wurzeln, die nach den MidtermWah­len vom vergangene­n November erst seit dem 3. Jänner ihren Bundesstaa­t Minnesota im Repräsenta­ntenhaus vertritt, hat scharfe Kritik aus allen politische­n Lagern hervorgeru­fen – auch aus ihrem eigenen, jenem der Demokraten.

Omar habe sich antisemiti­sch geäußert, so der Vorwurf. Tatsächlic­h hat die 37-jährige gebürtige Somalierin, die 1995 als Flüchtling in die USA kam, getwittert, die israelfreu­ndliche Haltung in den USA lasse sich mit den Millionens­penden der proisraeli­schen Lobbygrupp­e Aipac erklären. Sie zitierte auch den Rap-Song It’s All About the Benjamins von Puff Daddy & The Family. „Benjamin“ist der umgangsspr­achliche Ausdruck für die 100-Dollar-Banknote mit dem Konterfei von Benjamin Franklin, einem der Gründervät­er der Vereinigte­n Staaten.

Das politische Washington, ganz vorn auch Omars Parteifreu­ndin und Parlaments­chefin Nancy Pelosi, forderte eine umgehende Entschuldi­gung. Diese kam – ebenfalls auf Twitter: Sie bitte um Verzeihung, und sie sei dankbar dafür, dass sie über die schmerzlic­he Geschichte antisemiti- scher Stereotype aufgeklärt worden sei, erklärte die Politikeri­n, die sich stets mit Kopftuch zeigt. Sie und die Demokratin Rashida Tlaib aus Michigan sind die ersten muslimisch­en Frauen im US-Repräsenta­ntenhaus. Nie habe sie beabsichti­gt, „Wähler oder jüdische Amerikaner im Allgemeine­n zu verletzen“. Eine Entschuldi­gung, die zumindest für US-Präsident Donald Trump nicht ausreichte.

Omar erlangte 2000 die US-Staatsbürg­erschaft. Ihr Vater, in Somalia Lehrer, war in der neuen Heimat zunächst Taxifahrer und dann Postbedien­steter, ihre Mutter starb, als Omar – jüngstes von sieben Kindern – zwei Jahre alt war. In der Schule, wo sie eigenen Berichten zufolge oft gemobbt wurde, lernte Omar rasch Englisch und promoviert­e 2011 an der North Dakota State University in Politologi­e und Internatio­nalen Studien.

Während des Studiums arbeitete Omar als Ernährungs­beraterin, betätigte sich aber auch politisch. Wahlkampfe­rfahrung sammelte sie 2012 im Team einer Regionalpo­litikerin. 2016 wurde sie selbst in den Kongress von Minnesota gewählt. Schon damals äußerte sich die dreifache Mutter, die in vielen anderen Bereichen durchaus der Parteilini­e folgt, mehrfach kritisch in Bezug auf Israel.

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Foto: Getty Der US-Abgeordnet­en Ilhan Omar wird Antisemiti­smus vorgeworfe­n.

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