„Satire ist einfach ein Schmutzgeschäft, das ist vergleichbar mit Journalismus oder wenn man jetzt im Darknet Organe verkauft.“
„Die Tagespresse“-Macher Sebastian Huber erklärt, warum es Satire braucht
Peter Pilz sucht auf Parship nach Wählern, die Neos präsentieren ihr Maskottchen Bernie Burnout, um schon die Kleinsten auf die Härten der neoliberalen Arbeitswelt einzuschwören, und Nicholas Ofczarek spielt einen hippen Burschenschafter mit Schmiss, der als Influencer einen Videoblog betreibt: Die Macher des Satire-Portals Tagespresse bringen ihr zweites Stück auf die Bühne: Es heißt Schwarz-Blau unzensuriert und feiert heute, Donnerstag, Premiere im Wiener Rabenhof-Theater. Moderator ist wieder Ö1-Journalist Paul Kraker. In Videozuspielungen sind etwa noch Erwin Steinhauer, Peter Rapp, Manuel Rubey oder Peter Klien zu sehen.
Standard: Sie wollen laut Ankündigung den Zusehern zeigen, was ihnen die Mainstreammedien über Schwarz-Blau vorenthalten. Was ist das? Jergitsch: Das Stück ist im Wesentlichen eine Bestandsaufnahme, wie die Regierung Österreich prägt, wie die Opposition versagt und wie das Zwischenspiel mit den Medien läuft – insbesondere mit den großen Massenmedien. Marschal: Das ist die Phrase, die wir für den Pressetext geschrieben haben. Was wir zeigen, ist eine geheime Aufnahme von Strache, als er Zahntechniker war. Dann haben wir noch Unterlagen von Sebastian Kurz. Huber: Wir zeigen die komplette Genese von Kurz. Wie sich der eigentlich opportunistische Blender zu einem autoritären Charak- ter entwickelt hat. Wir beleuchten dieses sektenhafte Innere der Jungen ÖVP. Bei Kurz gab es ja viele Warnzeichen, wie er tickt. Im Wahlkampf ist sein Zug zur Macht medial untergegangen. Jergitsch: Zum einen haben wir eine Regierung, die es extrem gut versteht, mit Medien umzugehen, und zum anderen eine Opposition, die so mit sich selbst beschäftigt ist, dass sie ihrer eigenen Arbeit nicht nachkommt – etwa die SPÖ und die Liste Pilz. Die Neos machen eigentlich Regierungsarbeit, und die Grünen gibt es nicht mehr. Huber: Zwei weitere Dinge, die uns wichtig waren: wie der Sozialstaat angegriffen wird und wie die Burschenschafter ins Machtzentrum vorgedrungen sind und nun so stark im Parlament verankert sind wie nie zuvor. Das ist der Status quo, der im medialen Diskurs untergeht. Stattdessen wird über Tempolimits geredet. Dieser Tabubruch ist passiert, man geht aber zur Normalität über. Das wollen wir sichtbar machen.
Standard: Die derzeitige politische Lage dürfte kein schlechter Nährboden für Ihre Satire sein. Huber: Satire ist einfach ein Schmutzgeschäft, das ist vergleichbar mit Journalismus, oder wenn man jetzt im Darknet Organe verkauft. Satire wird immer gebraucht, wenn es eine Nachfrage gibt. Ich glaube schon, dass es uns als Schmutzarbeiter mehr braucht als noch vor einigen Jahren. Marschal: Es gibt jetzt auch mehr Angriffsfläche als bei unserem letzten Stück, als Faymann und Mitterlehner an der Macht waren. Kurz und Kickl geben natürlich mehr her.
Standard: Ist FPÖ-Innenminister Kickl Ihr Lieblingsprotagonist? Jergitsch: Er bietet jedenfalls sehr viel Angriffsfläche. Zum Teil provoziert er bewusst, aber er wirkt in seiner Arbeit auch überfordert. Zumindest ist das der Eindruck, den wir haben. Marschal: Kickl hat einfach überhaupt keinen Humor. Strache hat zumindest eine gewisse Selbstironie. Kickl ist so ernst, dass es noch lustiger ist. Huber: Er ist der Ideologe und Dogmatiker, solche Leute halten Widerspruch noch schwerer aus. Und Satire untergräbt diese Allmachtsfantasien. Gerade bei so völkischen Ideen, die Kickl vertritt, merkt man auch, wie er gegen Kritiker vorgeht. Jede Form von Kritik greift sein Dogma an, das möchte er halt nicht. Jergitsch: Bei Kickl merkt man an den kleinen Dingen, wie ihm die Macht zu Kopf steigt. Er wollte im Ministerium den Gang zu seinem Büro blau ausleuchten. Da gibt es Fotos, wo das Stiegenhaus mit blauem Licht durchflutet ist. Erst als die Fotos in den Medien aufgetaucht sind und die das thematisiert haben, hat er es gestoppt.
Standard: Das Stück soll auch medienkritisch sein? Jergitsch: Man sieht deutlich, dass manche Medien gewisse Dinge sehr unkritisch, einseitig und aus einer gewissen Ideologie heraus beleuchten. Das kommt auch in dem Stück vor, indem wir auf die Rolle von Massenmedien eingehen. Was die Regierung aus satirischer Sicht so interessant macht, ist diese Medienarbeit. Man sieht, dass alles durchgetaktet ist. Historisch gesehen ist so eine Medienarbeit für die ÖVP total ungewöhnlich, weil sie oft sehr ungeschickt agiert hat. Huber: Die Verschränkung ist die, dass die Polizei in einschlägig rechtsextremen Zeitungen neue Polizisten anwirbt. Das sind bizarre Vorgänge, dass man ganz offen um rechtsextreme Polizisten wirbt. Das Inseratengeld wird in ganz klare Bahnen gelenkt. Unsere Arbeit ist oft mediensatirisch. Das ist die Folie, die unter dem gesamten Stück liegt.
Standard: Sie haben kürzlich mit einer Anzeige in der „Kronen Zeitung“für den aus der Haft entlassenen Rechtsextremisten Gottfried Küssel für Erstaunen gesorgt. Wie ist „Lieber Gotti“durchgegangen? Marschal: Das war ein Zufall. Wir wollten ein Inserat am Tag der Premiere unseres Stücks schalten und eine lustige Figur aus dem Stück vorkommen lassen. Mit Küssel war das nur ein Test, ob das durchgehen würde. Das hat sich verselbstständigt. Die Anzeigenverkäuferin der Krone hat zurückgeschrieben, dass das Bild nicht stimmt und wir es richtig zuschneiden sollen. Jergitsch: Dann haben sie auch noch die Blumen reinmontiert. Marschal: Wir haben nie wieder geantwortet. Sie hat zurückgeschrieben, dass sie das Bild selbst zugeschnitten hat, und um eine Bestätigung gebeten. Ich habe geantwortet, dass wir das Inserat stornieren möchten, weil das Datum nicht passt. Wir wollten es ja am Tag der Premiere unsers Stücks schalten. Sie hat nicht reagiert, und es ist dann erschienen, obwohl wir es dreimal zurückziehen wollten.
FRITZ JERGITSCH (27) studierte Volkswirtschaft in Utrecht. 2013 gründete er das Satiremagazin „Die Tagespresse“. Das Portal hält derzeit bei 3500 Abonnenten. SEBASTIAN HUBER (28) war beim ORF, „Falter“und „Profil“, bevor er 2014 zur „Tagespresse“wechselte. Er schreibt noch für Kabarettisten und TV-Sendungen. JÜRGEN MARSCHAL (35) studierte Soziologie und Theaterwissenschaften. Er schreibt für „Willkommen Österreich“und seit 2014 für „Die Tagespresse“. p Langfassung: derStandard.at/Etat