Der Standard

Die roten Linien der Umfärbung

Türkis-Blau darf wichtige Organisati­onen wie die Statistik Austria nicht schwächen

- András Szigetvari

Das türkis-blaue Personalka­russell nimmt Fahrt auf. Vor kurzem erst hat die Regierung offiziell verkündet, wie die neue Führung der Oesterreic­hischen Nationalba­nk (OeNB) künftig aussehen soll. Für den SPÖ-Mann und bisherigen Notenbankg­ouverneur Ewald Nowotny ist kein Platz mehr, eine türkis-blaue Mannschaft rückt dafür ein. Aktuell sorgt für Diskussion­en, dass der Vertrag des SPÖ-nahen Statistik-AustriaChe­fs Konrad Pesendorfe­r nicht verlängert werden soll. Parallel dazu ist Verbund-Aufsichtsr­atschef Gerhard Roiss zurückgetr­eten: Der Staat ist am Verbund beteiligt und will seine Kontrollre­chte stärker ausüben.

Dass das Führungspe­rsonal wichtiger staatliche­r Organisati­onen und staatsnahe­r Unternehme­n nach einem Regierungs­wechsel neu besetzt wird, ist nichts Neues. Jedem, der sich über die aktuellen Vorgänge beklagt, muss klar sein, dass es SPÖ und ÖVP in ihrer gemeinsame­n Regierungs­zeit ganz gleich gemacht haben. Das trifft umso mehr auf Institutio­nen wie die Statistik Austria zu, die direkt von Regierungs­seite beaufsicht­igt werden.

Allerdings wird es wichtig sein, die Vorgänge in den kommenden Wochen und Monaten genau zu beobachten. Denn bei der Umfärbung gibt es sehr wohl demokratie­politische rote Linien, die nicht überschrit­ten werden dürfen. Was nicht geht, ist, Organisati­onen so umzubauen, dass ihnen jede Möglichkei­t genommen wird, mit der Öffentlich­keit eigenständ­ig zu kommunizie­ren, wodurch sie zu einem verlängert­en Arm für die Verkündung der Regierungs­politik werden.

Wenn die Presseabte­ilung der Statistik Austria nun zusammenge­stutzt wird und die Außenkommu­nikation künftig vom Bundeskanz­leramt „koordinier­t“werden soll, dann besteht genau diese Gefahr. ber was wäre daran überhaupt problemati­sch? In der aktuellen Debatte ist schließlic­h oft zu hören, dass sich die Statistik Austria auf die Sammlung von Daten beschränke­n soll und nicht, wie unter dem bisherigen Chef Pesendorfe­r, auch in öffentlich­en Debatten so präsent sein muss.

Diese Sichtweise übersieht einen wichtigen Aspekt. Die große Stärke der österreich­ischen Demokratie ist, dass eine Reihe öffentlich­er Organisati­onen existieren, die sich einen gewissen eigenständ­igen Spielraum er-

Ahalten haben. Ja, die Spitzen dieser Einrichtun­gen sind immer schon nach parteipoli­tischen Kriterien besetzt worden. Und doch trauen sich diese Organisati­onen in der Öffentlich­keit immer wieder, eigene Standpunkt­e und Analysen zu formuliere­n, sei es zur Umwelt-, Arbeitsmar­kt- oder Sozialpoli­tik. Zu dieser Gruppe gehören neben der Statistik Austria das Arbeitsmar­ktservice, die Finanzmark­taufsicht, der Rechnungsh­of und die Notenbank. Auch die Sozialvers­icherungen sind ein wichtiger Player, die sich selbst verwaltend­en Kammern sowieso.

Sie alle tragen dazu bei, dass der österreich­ischen Demokratie etwas Behäbiges und Langsames innewohnt. Irgendwie scheint sich fast jeder zu allem zu äußern, Debatten dauern oft lang und laufen chaotisch ab. Doch all das ist auch ein Sicherheit­spolster für die Demokratie, deren Lebenselix­ier der Dissens schließlic­h ist, egal wie vorsichtig er vorgetrage­n wird.

Ein Blick über die Grenze genügt, um zu sehen, wie gefährlich es für eine Demokratie wird, wenn es all diese Stimmen nicht mehr gibt: In Ungarn sind staatliche und staatsnahe Organisati­onen allesamt gleichgesc­haltet worden.

Newspapers in German

Newspapers from Austria