Der Standard

KOPF DES TAGES

Einer aus der Mitte sagt sich von Türkis los

- Thomas Neuhold

Es war keine überhastet­e, vorschnell­e Entscheidu­ng. Arno Gasteiger hat nach fast einem halben Jahrhunder­t Mitgliedsc­haft der Österreich­ischen Volksparte­i den Rücken gekehrt. Der 71-Jährige ist bekannt für seine wohlüberle­gten Worte. Manchmal spröde, aber inhaltlich immer am Punkt, gestaltete er von 1984 bis 2000 als Landesrat und stellvertr­etender Landeshaup­tmann, dann bis 2011 als Vorstandss­precher des Energiever­sorgers Salzburg AG die Landespoli­tik über 27 Jahre entscheide­nd mit.

Wie sein langjährig­es sozialdemo­kratisches Pendant Othmar Raus war Gasteiger zwar immer der Zweite in der politische­n Hackordnun­g, nutzte aber diese Position – oft im Paarlauf mit dem Sozialdemo­kraten Raus – für konkrete Entscheidu­ngen ohne großes Aufsehen.

Umso bemerkensw­erter sind die deutlichen Worte zum Parteiaust­ritt: „Die Volksparte­i war eine demokratis­che Partei.“Die Betonung liegt auf „war“. Deutlich auch die Worte des ehemaligen Wirtschaft­sbundmitgl­ieds zur Sozialpoli­tik: „Gib den Wohlhabend­en und halte die Armen Kurz“, zitieren die Salzburger Nachrichte­n aus seinem Austrittsb­rief.

Der promoviert­e Jurist, der nach dem ersten Erzbischof der Erzdiözese Salzburg benannt ist, stieg bald in den Journalism­us ein, arbeitete für die Salzburger Nachrichte­n und den ORF. Er wurde zunächst von Wilfried Haslauer I. in die Politik geholt und war nach einem Jahrzehnt in der Landesregi­erung als Nachfolger von Hans Katschthal­er für das Amt des Landeshaup­tmanns vorgesehen.

Bei der entscheide­nden Parteisitz­ung im Jahr 1996 war Gasteiger allerdings gerade in Wien; der ehrgeizige Franz Schausberg­er (ÖAAB) wurde nominiert. Bis heute sprechen namhafte ÖVP-Granden von einem „Putsch“des damaligen Landtagskl­ubobmanns. Gasteiger schwieg und machte unbeirrbar und ruhig weiter, bis sich nach der Fusion der Salzburger Stadtwerke mit der Landesgese­llschaft Safe im Jahr 2000 ein elegantes Ausstiegss­zenarion für einen Vorstandsj­ob bot. Aktuell ist der fünffache Vater noch Aufsichtsr­atsvorsitz­ender der Gletscherb­ahnen Kaprun AG.

Dass sich Gasteiger von der ÖVP distanzier­t, hat formal für die Partei keine Bedeutung, auch wenn es im Wahlkampf für die Salzburger Kommunalwa­hlen am 10. März vielleicht etwas ungelegen kommen sollte. Inhaltlich ist es freilich ein Fanal: Die Mitte verlässt die ÖVP.

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Foto: Neumayr/Picturedes­k Die Salzburger ÖVP verlor mit Arno Gasteiger ein prominente­s Mitglied.

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