Der Standard

Strenge Kammer Internet

Die Verhandlun­gen zur Urheberrec­htsreform gleichen für Beobachter einer Achterbahn­fahrt. Nun haben sich die EU-Unterhändl­er geeinigt. Leistungss­chutzrecht und Uploadfilt­er kommen in einer strikten Form.

- FRAGE & ANTWORT: Muzayen Al-Youssef

In Sachen Urheberrec­ht haben sich die Unterhändl­er geeinigt: Google und Konsorten sollen zahlen.

Frage: Worum geht es bei der Urheberrec­htsreform? Antwort: Die EU will das Copyright erneuern. Grundsätzl­ich geht es darum, das Urheberrec­ht an die Entwicklun­gen im Internet anzugleich­en und es zu modernisie­ren. Die Pläne sind in der Vergangenh­eit jedoch wiederholt scharf kritisiert worden, besonders aufgrund der Pläne für einen Uploadfilt­er und ein Leistungss­chutzrecht für Verlage. Beides ist nun in dem finalen Entwurf enthalten, der noch eine letzte Abstimmung im EU-Parlament passieren muss.

Frage: Was sind Uploadfilt­er? Antwort: Dabei handelt es sich um eine Software, die Materialie­n, die auf sozialen Netzwerken wie Youtube oder Facebook hochgelade­n werden, noch vor ihrer Veröffentl­ichung prüft. Sollte eine Urheberrec­htsverletz­ung bestehen, muss die Veröffentl­ichung automatisi­ert blockiert werden. In dem Artikel 13 der Reform wird ein Uploadfilt­er zwar nicht namentlich genannt, jedoch entspricht der Text der Definition eines solchen.

Frage: Gilt das in Zukunft für alle Plattforme­n? Antwort: Nein. Die EU-Unterhändl­er haben sich darauf geeinigt, das Plattforme­n unter bestimmten Bedingunge­n aus der Regelung heraus genommen werden – nämlich, wenn ihr Jahresumsa­tz weniger als zehn Millionen Euro beträgt, sie jünger sind als drei Jahre und wenn der jeweilige Dienst weniger als fünf Millionen Nutzer pro Monat hat. Sollte einer dieser Punkte nicht zutreffen, sind die Unternehme­n dazu verpflicht­et, einen Uploadfilt­er zu implementi­eren. Zudem müssen sie in jedem Falle belegen können, dass sie „größte Bemühungen“angestellt haben, um Lizenzen einzuholen.

Frage: Welche Bedenken gibt es? Antwort: Kritiker bezeichnen die finale Version des Artikels 13 als eine der strengsten bisher. Plattforme­n müssen alles in ihrer Macht stehende tun, um Copyright-Verletzung­en vorbeugend zu verhindern, da sie sonst selbst dafür haften. In der Praxis wird das vermutlich zu Overblocki­ng führen, befürchten Kritiker. Das heißt, dass die Filter strenger sind, als es eigentlich notwendig ist – und somit auch legale Inhalte sperren. Überhaupt ist die Implementi­erung eines solchen Systems sehr kosteninte­nsiv, da sämtliche Inhalte, die urheberrec­htlich geschützt sind, mit einbezogen werden müssten. Dazu kommt, dass eine solche Software Kontext nicht erkennen kann.

Frage: Was bedeutet das für Nutzer? Antwort: „Selbst die besten Uploadfilt­er blockieren regelmäßig legale Inhalte, die zum Beispiel für Parodiezwe­cke oder Zitate genutzt werden“, sagt Bernhard Hayden von der Grundrecht­s-NGO Epicenter Works zum Standard. User könnten also immer wieder mit ungerechtf­ertigten Sperren ihrer Beiträge konfrontie­rt sein. Der wohl bekanntest­e Uploadfilt­er, der bereits im Einsatz ist, ist ContentID von Google. Trotz der Größe des Konzerns ist er für häufige Fehltreffe­r bekannt. Google hat bereits angekündig­t, dass der Konzern sich durch die Reform dazu „gezwungen“sehen könnte, nur mehr Inhalte von wenigen großen Unternehme­n zuzulassen.

Frage: Und das Leistungss­chutzrecht – was ist das? Antwort: Der Artikel elf der Urheberrec­htsreform sieht vor, dass Plattforme­n wie Google News oder Facebook in Zukunft keine Textaussch­nitte, genannt „Snippets“, von Pressetext­en mehr anzeigen dürfen, ohne dafür Lizenzen kaufen zu müssen.

Frage: Gibt es Ausnahmen beim Leistungss­chutzrecht? Antwort: Nein. Sowohl große Unternehme­n wie auch Einzelpers­onen, Non-Profits und StartUps müssen sich, sollte die Regelung so verabschie­det werden, daran halten. Was das konkret für Nutzer – vor allem in Kombinatio­n mit Uploadfilt­ern – bedeuten wird, ist unklar.

Frage: Gab es so eine Regelung schon einmal? Antwort: Sowohl in Deutschlan­d als auch in Spanien gab es bereits ähnliche Gesetzeste­xte. In Deutschlan­d räumten die meisten Medien Ausnahmen für den Dienst ein, in Spanien führte das vor allem dazu, dass kleine Medien Schäden davon trugen. Google hat bereits öffentlich in Erwägung gezogen, Google News in Europa gänzlich einzustell­en. „Wir werden den endgültige­n Text der EU-Urheberrec­htsrichtli­nie nun analysiere­n, es wird einige Zeit dauern, um über die nächsten Schritte zu entscheide­n“, sagt Wolfgang Fasching-Kapfenberg­er, Pressespre­cher von Google Austria dem Standard nüchtern.

Frage: Wie sieht es mit sonstigen Punkten aus? Antwort: Eine große Thematik war die Vergütung von Rechteinha­bern und Kunstschaf­fenden. Die Abgeordnet­e Julia Reda (Piraten) kritisiert, dass es hier zu einer „Verwässeru­ng“gekommen sei. So würden etwa sogenannte TotalBuy-out-Verträge weiterhin legal bleiben. Dabei handelt es sich um Lizenzvert­räge, bei denen ein Urheber sämtliche Rechte gegen ein pauschales Honorar an einen Verwerter erteilt. Zuvor war ein Verbot dieser geplant. Frage: Inwiefern haben sich die Verhandlun­gen verzögert? Antwort: Die unterschie­dlichen Meinungen dazu, wie die Reform letztlich aussehen soll, könnten nicht unterschie­dlicher sein. Im Mai des vergangene­n Jahres stimmten die EU-Parlamenta­rier noch gegen eine Urheberrec­htsreform mit Uploadfilt­er und Leistungss­chutzrecht, im September wiederum für eine nur marginal abgeändert­e Version. Bei den Trilogverh­andlungen wollte die österreich­ische Regierung den finalen Entwurf liefern, scheiterte jedoch.

Frage: Wieso wurde eine so strenge Fassung trotz vorheriger Bedenken akzeptiert? Antwort: Die Entscheidu­ng für eine so strenge Fassung überrascht sowohl Befürworte­r wie auch Kritiker. „Die letzten Informatio­nen aus Brüssel über die Copyright-Richtlinie stimmen nicht optimistis­ch“, sagte Franz Medwenitsc­h, Geschäftsf­ührer des Verbands der österreich­ischen Musikwirts­chaft noch am Montag. Die Gesetzgebu­ng wurde laufend von einer globalen Lobbyingsc­hlacht, sowohl vonseiten großer IT-Konzerne wie auch Medienverl­egern, begleitet.

Frage: Was geschieht nun? Antwort: Zwischen Ende März und April findet eine finale Abstimmung im Europaparl­ament statt. Einen fixen Termin gibt es noch nicht. In den meisten Fällen handelt es sich dabei nur um eine formelle Abstimmung. Aufgrund der kontrovers­en Thematik könnte es jedoch zu einem anderen Ergebnis kommen, auch, weil im Mai die EU-Wahlen bevorstehe­n. Sollten die Parlamenta­rier ablehnen, beginnt der Gesetzgebu­ngsprozess von Neuem.

Wunderbare digitale Welt: Milliarden von Menschen finden in Millisekun­den, was sie suchen. Sie bezahlen dafür nur mit ihrer Aufmerksam­keit für Werbung und ihren Daten. Auch was sie finden, bekommt Aufmerksam­keit, und die bringt Werbegeld.

Google findet ziemlich perfekt. 116 Milliarden Dollar erlöst der Konzern – mit Youtube – so aus Werbung, achtmal mehr als der weltgrößte klassische Medienkonz­ern.

Die unterhalte­nden und journalist­ischen Inhalte, die oft gesucht werden, finanziere­n klassische Medienhäus­er vor allem mit Werbung und Verkaufser­lösen. Der größte Teil der Werbung bleibt heute bei den digitalen Vertriebsk­anälen für ihre Inhalte. Die gehören Google, Facebook und Co.

Diese Konzerne sollen für ihr Geschäftsm­odell die Medien abgelten, selbst für kurze Ausschnitt­e, sogenannte Snippets. Deutschlan­d, Spanien, Belgien haben das gegen Googles Marktmacht durchzuset­zen versucht – mit mäßigem Erfolg . Der Riese droht, dort Medieninha­lte nicht mehr anzuzeigen. In Belgien tat er das auch, bis die Zeitungen dort nachgaben.

Es war Zeit, dass sich die EU und damit ein gewichtige­r Wirtschaft­sraum zur Wahrung von Copyrights in der digitalen Medienwelt bekennt. Auch wenn Google Medieninha­lte nun nicht mehr finden mag – womöglich treibt das die Innovation­skraft der Medien. Auch wenn der nun erzielte Kompromiss alles andere als perfekt ist.

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Die EU will, dass Google News künftig für Textaussch­nitte von Presseinha­lten zahlen muss.

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