Der Standard

Die dunklen Seiten von Fairtrade

Mit jeder Banane, mit jedem Häferl Kaffee die Welt ein kleines Stück besser machen. Zertifikat­e wie Fairtrade wollen dafür sorgen, dass Bauern mehr am globalen Handel verdienen. Sie scheinen daran zu scheitern.

- Andreas Sator

Die Arbeiter in Äthiopien, die meinen Kaffee ernten, die Bauern in Peru, die meine Bananen anbauen: Ihr Lohn ist nicht allzu hoch, und die Arbeitsbed­ingungen sind wohl nicht rosig. Darum kaufe ich seit vielen Jahren Kaffee und Bananen mit dem Fairtrade-Siegel. Ich zahle ein bisschen mehr, dafür geht es ihnen besser. Aber wie viel wissen wir darüber, wie sehr das wirklich hilft?

Bislang war es ziemlich schwierig, eine Antwort auf diese Frage zu finden. Es gibt hunderte Studien, die sich zum Teil widersprec­hen. Nun hat aber Carlos Oya von der School of Oriental and African Studies an der University of London mit Kollegen eine Arbeit verfasst, die Orientieru­ng im Dickicht der Untersuchu­ngen liefert.

Oya hat mit Kollegen hunderte zwischen 1990 und 2016 veröffentl­iche Studien analysiert, nach Qualität aussortier­t und dann systematis­ch untersucht. Sein Ergebnis ist ernüchtern­d: Die positiven Effekte von Fairtrade und Co auf das Leben der Menschen sind minimal bis inexistent. Wie das?

Fangen wir damit an, wie das System funktionie­rt. Das ist je nach Zertifikat unterschie­dlich. Fairtrade ist bekannt, dazu gibt es auch die meisten Studien. Fairtrade garantiert Bauern einen Mindestpre­is für ihren Kaffee. Wenn die Preise am Weltmarkt also sehr niedrig sind, kriegen sie mehr als anderswo. Unabhängig davon gibt es einen kleinen Aufschlag auf den Preis, außerdem Schulungen für die Bauern.

Mehr, aber doch weniger

Im Gegenzug verpflicht­en sich Bauern zur Einhaltung gewisser Standards, manche Pestizide dürfen etwa nicht verwendet werden. Der Anbau soll umweltscho­nend passieren, und man muss sich kontrollie­ren lassen. Dafür und für die Marke sind Gebühren fällig, für eine Kooperativ­e mit bis zu 50 Bauern im Jahr circa 1200 Euro, im ersten Jahr 2000 Euro.

Die bisherige Forschung deutet laut Oya darauf hin, dass die Produzente­n schon mehr einnehmen als mit normalem Kaffee, aber am Monatsende unter dem Strich nicht mehr Geld haben. Das könnte daran liegen, dass durch die höheren Standards der Ertrag niedriger sei. Arbeiter in Betrieben, die Fairtrade-zertifizie­rt sind, dürften sogar schlechter verdienen. „Das ist nicht reglementi­ert.“

Fairtrade arbeitet außerdem nicht mit einzelnen Bauern, sondern mit Kooperativ­en. Die be- kommen die Prämien. Auf dem Papier müssen sie demokratis­ch organisier­t sein, „aber in der Realität ist das fraglich“. So könne das Geld für Lagerung, Schulen, aber auch für Partys ausgegeben werden. Oya sagt, es gebe kaum Forschung dazu, was damit passiert. „Es gibt immer auch eine dominante kleine Elite in diesen Gruppen.“

Oya sagt, es ist gut möglich, dass normale Marken wie zum Beispiel Illy für die Bauern und Arbeiter besser sind. „Illy sagt von sich, sie achten extrem auf die Qualität ihres Kaffees. Bei Fairtrade geht es nicht um Qualität. Bessere Marken investiere­n in spezielle Bohnen, pro Kilo bekommt der Bauer viel mehr als bei einer FairtradeK­ooperative.“Wie kauft Oya seinen Kaffee? „Ich gehe nach Qualität, nicht nach Zertifikat­en.“

Ich bin kein Feinschmec­ker, kaufe bisher Fairtrade-Kaffee – sechs Euro für das halbe Kilo. Was soll ich tun? „Das ist schon okay“, sagt Oya, „aber gehen Sie nicht automatisc­h davon aus, dass der andere Kaffee schlechter produziert wird. Wenn Sie sich besser fühlen und das Ethos von Fairtra- de gut finden, kaufen Sie es. Wenn ich mehr Geld für etwas ausgebe, würde ich aber anfangen, Fragen zu stellen.“

Ist ethisches Einkaufen sinnlos? „Nein“, sagt Oya, „denken Sie an den Textilsekt­or. Bewusstere Konsumente­n setzen große Marken unter Druck. Wenn Zara dazu gedrängt wird, Arbeitsrec­hte ernst zu nehmen, kann das Millionen Menschen helfen. Dazu braucht es konzertier­te Aktionen von Regierunge­n und Gewerkscha­ften.“

Das sei auch in der Landwirtsc­haft notwendig. „Frankreich­s Regierung setzt sich zum Beispiel für bessere Standards in globalen Lieferkett­en ein. Da helfen auch laute Konsumente­n. Aber Fairtrade und andere Zertifikat­e sind dafür im Moment nicht besonders effektiv.“Marken wie Fairtrade müssten sorgfältig­er mit ihren Verspreche­n umgehen, sagt Oya. „Demut ist angebracht.“

Fairtrade hat auf die Arbeit von Oya sehr allgemein reagiert und sie zur Kenntnis genommen.

Und jetzt? Ganz ehrlich: Ich weiß es nicht. Je mehr ich mich mit diesen Themen beschäftig­e, desto weniger Last will ich uns als Konsumente­n aufhalsen. Ja, es ist wichtig, sich Gedanken zu machen, aber die globale Wirtschaft ist komplex, vernetzt, wandelt sich schnell. Hier „richtig“zu entscheide­n ist extrem viel verlangt bis unmöglich.

Was wir wissen: Fairtrade ist sicher nicht das beste Mittel zur Bekämpfung von Armut. Wenn es aber Standards für ökologisch­eren Anbau gibt, finde ich das gut. Wenn ich Fairtrade-Kaffee kaufe, setze ich ein Signal. Andere Anbieter sehen die steigenden Absatzzahl­en und merken, dass den Menschen nicht egal ist, wie und wo produziert wird. Ein Signal setzen könnte ich aber auch mit einer Mail oder einem Tweet an einen Politiker, der zum Thema arbeitet, oder an eine Firma.

Der Ökonom Bruce Wydick kritisiert an Fairtrade, dass es Konsumente­n ablenke. Wenn jemand wirklich nichts spendet, weil er fairen Kaffee kauft, ist es wohl klüger zu spenden. Dazu gibt es wissenscha­ftlich gut evaluierte Programme, die nachweisli­ch funktionie­ren. Es ist sicher kein Fehler, sich damit zu beschäftig­en, was man einkauft und warum. Meine Geldbörse ist aber wohl weniger mächtig, als ich dachte. p Alle Quellen: dSt.at/alles-gut10

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 ??  ?? Bauern, die mit Fairtrade zusammenar­beiten, bekommen einen Preisaufsc­hlag für ihre Bohnen. Sie müssen aber höhere Standards einhalten. Sie scheinen wenig zu profitiere­n.
Bauern, die mit Fairtrade zusammenar­beiten, bekommen einen Preisaufsc­hlag für ihre Bohnen. Sie müssen aber höhere Standards einhalten. Sie scheinen wenig zu profitiere­n.

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