Die dunklen Seiten von Fairtrade
Mit jeder Banane, mit jedem Häferl Kaffee die Welt ein kleines Stück besser machen. Zertifikate wie Fairtrade wollen dafür sorgen, dass Bauern mehr am globalen Handel verdienen. Sie scheinen daran zu scheitern.
Die Arbeiter in Äthiopien, die meinen Kaffee ernten, die Bauern in Peru, die meine Bananen anbauen: Ihr Lohn ist nicht allzu hoch, und die Arbeitsbedingungen sind wohl nicht rosig. Darum kaufe ich seit vielen Jahren Kaffee und Bananen mit dem Fairtrade-Siegel. Ich zahle ein bisschen mehr, dafür geht es ihnen besser. Aber wie viel wissen wir darüber, wie sehr das wirklich hilft?
Bislang war es ziemlich schwierig, eine Antwort auf diese Frage zu finden. Es gibt hunderte Studien, die sich zum Teil widersprechen. Nun hat aber Carlos Oya von der School of Oriental and African Studies an der University of London mit Kollegen eine Arbeit verfasst, die Orientierung im Dickicht der Untersuchungen liefert.
Oya hat mit Kollegen hunderte zwischen 1990 und 2016 veröffentliche Studien analysiert, nach Qualität aussortiert und dann systematisch untersucht. Sein Ergebnis ist ernüchternd: Die positiven Effekte von Fairtrade und Co auf das Leben der Menschen sind minimal bis inexistent. Wie das?
Fangen wir damit an, wie das System funktioniert. Das ist je nach Zertifikat unterschiedlich. Fairtrade ist bekannt, dazu gibt es auch die meisten Studien. Fairtrade garantiert Bauern einen Mindestpreis für ihren Kaffee. Wenn die Preise am Weltmarkt also sehr niedrig sind, kriegen sie mehr als anderswo. Unabhängig davon gibt es einen kleinen Aufschlag auf den Preis, außerdem Schulungen für die Bauern.
Mehr, aber doch weniger
Im Gegenzug verpflichten sich Bauern zur Einhaltung gewisser Standards, manche Pestizide dürfen etwa nicht verwendet werden. Der Anbau soll umweltschonend passieren, und man muss sich kontrollieren lassen. Dafür und für die Marke sind Gebühren fällig, für eine Kooperative mit bis zu 50 Bauern im Jahr circa 1200 Euro, im ersten Jahr 2000 Euro.
Die bisherige Forschung deutet laut Oya darauf hin, dass die Produzenten schon mehr einnehmen als mit normalem Kaffee, aber am Monatsende unter dem Strich nicht mehr Geld haben. Das könnte daran liegen, dass durch die höheren Standards der Ertrag niedriger sei. Arbeiter in Betrieben, die Fairtrade-zertifiziert sind, dürften sogar schlechter verdienen. „Das ist nicht reglementiert.“
Fairtrade arbeitet außerdem nicht mit einzelnen Bauern, sondern mit Kooperativen. Die be- kommen die Prämien. Auf dem Papier müssen sie demokratisch organisiert sein, „aber in der Realität ist das fraglich“. So könne das Geld für Lagerung, Schulen, aber auch für Partys ausgegeben werden. Oya sagt, es gebe kaum Forschung dazu, was damit passiert. „Es gibt immer auch eine dominante kleine Elite in diesen Gruppen.“
Oya sagt, es ist gut möglich, dass normale Marken wie zum Beispiel Illy für die Bauern und Arbeiter besser sind. „Illy sagt von sich, sie achten extrem auf die Qualität ihres Kaffees. Bei Fairtrade geht es nicht um Qualität. Bessere Marken investieren in spezielle Bohnen, pro Kilo bekommt der Bauer viel mehr als bei einer FairtradeKooperative.“Wie kauft Oya seinen Kaffee? „Ich gehe nach Qualität, nicht nach Zertifikaten.“
Ich bin kein Feinschmecker, kaufe bisher Fairtrade-Kaffee – sechs Euro für das halbe Kilo. Was soll ich tun? „Das ist schon okay“, sagt Oya, „aber gehen Sie nicht automatisch davon aus, dass der andere Kaffee schlechter produziert wird. Wenn Sie sich besser fühlen und das Ethos von Fairtra- de gut finden, kaufen Sie es. Wenn ich mehr Geld für etwas ausgebe, würde ich aber anfangen, Fragen zu stellen.“
Ist ethisches Einkaufen sinnlos? „Nein“, sagt Oya, „denken Sie an den Textilsektor. Bewusstere Konsumenten setzen große Marken unter Druck. Wenn Zara dazu gedrängt wird, Arbeitsrechte ernst zu nehmen, kann das Millionen Menschen helfen. Dazu braucht es konzertierte Aktionen von Regierungen und Gewerkschaften.“
Das sei auch in der Landwirtschaft notwendig. „Frankreichs Regierung setzt sich zum Beispiel für bessere Standards in globalen Lieferketten ein. Da helfen auch laute Konsumenten. Aber Fairtrade und andere Zertifikate sind dafür im Moment nicht besonders effektiv.“Marken wie Fairtrade müssten sorgfältiger mit ihren Versprechen umgehen, sagt Oya. „Demut ist angebracht.“
Fairtrade hat auf die Arbeit von Oya sehr allgemein reagiert und sie zur Kenntnis genommen.
Und jetzt? Ganz ehrlich: Ich weiß es nicht. Je mehr ich mich mit diesen Themen beschäftige, desto weniger Last will ich uns als Konsumenten aufhalsen. Ja, es ist wichtig, sich Gedanken zu machen, aber die globale Wirtschaft ist komplex, vernetzt, wandelt sich schnell. Hier „richtig“zu entscheiden ist extrem viel verlangt bis unmöglich.
Was wir wissen: Fairtrade ist sicher nicht das beste Mittel zur Bekämpfung von Armut. Wenn es aber Standards für ökologischeren Anbau gibt, finde ich das gut. Wenn ich Fairtrade-Kaffee kaufe, setze ich ein Signal. Andere Anbieter sehen die steigenden Absatzzahlen und merken, dass den Menschen nicht egal ist, wie und wo produziert wird. Ein Signal setzen könnte ich aber auch mit einer Mail oder einem Tweet an einen Politiker, der zum Thema arbeitet, oder an eine Firma.
Der Ökonom Bruce Wydick kritisiert an Fairtrade, dass es Konsumenten ablenke. Wenn jemand wirklich nichts spendet, weil er fairen Kaffee kauft, ist es wohl klüger zu spenden. Dazu gibt es wissenschaftlich gut evaluierte Programme, die nachweislich funktionieren. Es ist sicher kein Fehler, sich damit zu beschäftigen, was man einkauft und warum. Meine Geldbörse ist aber wohl weniger mächtig, als ich dachte. p Alle Quellen: dSt.at/alles-gut10