Airbus A380 – Gründe für das Aus
Airbus stellt die Produktion des Riesenflugzeugs A380 ein. Das Ende des Prestigeprojektes erfolgt ausgerechnet während eines Führungswechsels beim europäischen Hersteller.
Es war „Liebe auf den ersten Blick“, hieß es auf dem gigantischen Flugzeugrumpf: 50.000 Aviatikfans sind an jenem Frühlingstag des Jahres 2005 mit Wohnwagen oder Privatjets in die französische Pyrenäenstadt Toulouse gereist, um den Jungfernflug der A380 zu erleben. Als der Supervogel abhob, applaudierten sie spontan: Endlich boten die Europäer den Amerikanern und ihrem legendären „Jumbo-Jet“Paroli, endlich flogen sie auf Augenhöhe mit dem bisherigen Monopolisten im Bereich der Großflugzeuge. Die Liebe hielt nicht ganz ein Jahrzehnt.
Als die erste A380 im Jahr 2007 an Singapore Airlines ausgeliefert wurde, staunten die 544 Passagiere noch über die Erste-Klasse-Suiten mit richtigen Betten und Wänden. Die Fachwelt fragte, ob die Investitionskosten von zwölf Milliarden Euro jemals wieder eingespielt würden. Und die Hauptkunden wie Emirates lagen dem Hersteller mit Sonderwünschen mächtig in den Ohren.
Solange sie aber den Flieger noch im Dutzend bestellten, sagte niemand etwas. Dann aber gingen die Aufträge zurück. Im Jahr 2013 mutierte die A380 zum Pechvogel: Keine einzige Maschine wurde bestellt. Airbus musste die Fertigung zurückfahren. 2017 wurden die Europäer bei der Flugschau in Dubai von den Emiratis richtiggehend desavouiert: Gekommen, um endlich wieder einmal einen versprochenen A380-Auftrag einzuheimsen, mussten sie bitter miterleben, wie Konkurrent Boeing absahnte.
Ab 2018 wurde nur noch eine A380 pro Monat ausgeliefert – laut Fachleuten das industrielle Minimum. Nun hat auch Emirates seine Bestellungen des Doppeldeckerflugzeuges um 39 (auf 123) reduziert. Damit hat die Golfairline der A380 endgültig das Genick gebrochen.
Letzte Auslieferung 2021
Ohne Überraschung hat Airbus deshalb die definitive Einstellung des Großfliegers bekannt gegeben. Die letzte Auslieferung soll im Jahr 2021 erfolgen. Noch stehen 79 Auslieferungen aus, doch scheint es sehr fraglich, ob sie alle realisiert werden. „Die heutige Ankündigung ist schmerzlich für uns und für die A380-Communitys weltweit“, erklärte der scheidende Airbus-Chef Tom Enders bei der Vorlage der Jahresbilanz in Tou- louse. In den nächsten Wochen sollen Gespräche mit Sozialpartnern über die Zukunft der knapp 3500 betroffenen Arbeitnehmer geführt werden. Es gebe zahlreiche Möglichkeiten für interne Stellenwechsel. Allerdings baut Airbus seit längerem schon generell Stellen ab.
Alles in allem endet mit der A380 die Ära der Großraumflugzeuge. Dank der Beförderung von bis zu 800 Passagieren konnte Airbus die Transportkosten pro Sitz zwar gegenüber Boeings B747 um 15 Prozent senken. Doch das genügte nicht: Wegen der steigenden Kerosinpreise rechnete sich die A380 für viele Airlines auch im Modus „Sardinenbüchse“nicht.
Der am Donnerstag vorgestellte Jahresabschluss übertrifft die Erwartungen aber einmal mehr: Airbus steigerte seinen Umsatz von 59 auf 63,7 Mrd. Euro, den Betriebsgewinn von 3,2 auf 5,8 Mrd. Euro. Diese Zahlen täuschen aber nicht darüber hinweg, dass Airbus die Nase im Dauerwettbewerb gerade hinter Boeing hat. Der US-Konzern sammelte im vergangenen Jahr bedeutend mehr Bestellungen – deren 893 – als die Europäer. Der kleine Emirates-Rivale Etihad stornierte zudem am Donnerstag einen Auftrag über 42 Exemplare der A350.
Das Aus für die A380 ist auch ein psychologischer Rückschlag für die AirbusHändler. Sie sind ohnehin schon geschwächt durch die Pensionierung des jahrzehntelangen und überaus erfolgreichen Chefverkäufers John Leahy. Durch mehrere Korruptionsaffären seines Konzerns unter Druck tritt auch Konzernchef Enders ab. Er wird durch Guillaume Faury ersetzt.
Obwohl der 50-jährige Franzose sein Amt erst im April antreten wird, hat er laut Insidern bereits eine Planungsabteilung eingesetzt, welche die Strategie des ganzen Unternehmens von Grund auf überprüfen soll. Inoffizieller Titel der Übung: „Airbus’ Next Chapter“, deutsch: „Das nächste Airbus-Kapitel nach der Bauchlandung der A380“.
Nach dem A380-Aus hat der österreichische Luftfahrtzulieferer FACC eine Gewinnwarnung abgegeben. Wegen eines daraus entstehenden negativen Einmaleffekts senkte FACC seinen Ausblick für das operative Ergebnis (Ebit) im Geschäftsjahr 2018/19 um zwölf auf rund 40 Mio. Euro. Ein Stellenabbau sei nicht geplant.
Auch die Flugzeugträume wachsen nicht in den Himmel. Mangels Abnehmern stellt Airbus den Bau des derzeit größten zivilen Flugzeugs A380 nicht ganz überraschend ein. Für die europäische Luftfahrt ist das eine bittere Entscheidung. Das Aus für ihr Prestigeprojekt ist folgerichtig ein Prestigeverlust. Das drückt auf das Selbstverständnis der Europäer, die sich dank des A380 mit viel Willen und Energie auf die Höhe Boeings und dessen B747 gehievt hatten.
Eine ökonomische Katastrophe ist der Tod des europäischen FlugzeugGoliaths nicht: Airbus ist momentan nicht in Superform, hat aber volle Fertigungsschienen und Auftragsbücher. Die meisten der mehr als 3000 betroffenen A380-Arbeiter dürften anderweitig Verwendung finden. Trotzdem sind die Airbus-Granden am Firmensitz in Toulouse kleinlaut geworden. Der Markt habe sich eben verändert, erklärte Vorstandsvorsitzender Tom Enders den – sich seit langem abzeichnenden – A380-Misserfolg wiederholt. Flugexperten glauben eher, dass Airbus einem falschen Konzept gefolgt war. Der Konzern setzte auf den Massentransport zwischen den einzelnen „Hubs“, den Dreh- und Angelpunkten der größten Airlines in New York, London oder Peking. Für sie war der A380 gedacht; kleinere Flugzeuge sollten ergänzend die Verbindungsflüge von Regionalflughäfen an die großen Umschlagplätze herstellen.
Boeing hatte das A380-Konzept von Beginn an infrage gestellt. Die Amerikaner erkannten, dass der rasant zunehmende zivile Flugverkehr ein dichtes Netz von Direktflügen erfordert – wofür Mittel- und Langstreckenflugzeuge wie der B787 besser geeignet sind. Airbus hat inzwischen eingesehen, dass heute vor allem mittelgroße, aber möglichst günstige Flugzeuge gefragt sind. Deshalb lancierte der Verwaltungsrat den A350, der weniger Sprit verbraucht und auch kleinere Flughäfen anfliegen kann.
Der übergroße A380 zwang die Flughäfen zudem dazu, teure Passagierbrücken und weitere Pistenkurven zu bauen. Das ging ins Geld. Und Airbus unterschätzte noch ein weiteres Detail: Wie früher bei dem britisch-französischen Überschallflugzeug Concorde lobbyierte Boeing erfolgreich, sodass amerikanische und japanische Flughäfen und -gesellschaften dem A380 die kalte Schulter zeigten.
Doch Airbus wollte den A380 einfach – eben aus Prestigegründen. In einem gewissen Sinn hat der Doppeldecker seinen Auftrag erfüllt: Airbus hat mit Boeing im kommerziellen Bereich gleichgezogen und sich in den vergangenen zehn Jahren als gleichwertiger Anbieter emanzipiert. Dafür zahlten die Europäer mit dem A380 aber einen sehr hohen Preis, der jetzt in einem Fiasko endete.
Wer ist schuld? Nicht Enders, dessen Abgang seit langem für Frühling 2019 geplant ist: Der Startschuss für den A380 war schon gefallen, als der Deutsche 2005 an die Airbus-Spitze gelangte. Schuld ist eher das europäische Baukastensystem: Die Flügel stammen aus England, der größte Rumpfteil aus Deutschland, das Cockpit aus Frankreich, Leitwerksteile aus Spanien. Das treibt die Kosten in die Höhe – und brachte den auch pro Sitz gerechnet nicht gerade billigen A380 letztlich zu Fall. Diese politisch und jobmäßig äußerst brisante Frage wird nun durch das A380-Aus unweigerlich aufs Tapet kommen.
Für die 130.000 Airbus-Angestellten und die zahlreichen Zulieferer gilt: Bitte anschnallen, es drohen europaund sozialpolitische Turbulenzen.