Der Standard

Große Worte, große Lücken

Die britische Verteidigu­ngspolitik soll nach dem Brexit zum „globalen Britannien“beitragen

- Sebastian Borger aus London

Sicherheit gibt es beim Brexit, ebenso wie Bewegung, so gut wie keine. Und dabei sollte es auch am Donnerstag­abend bei einer weiteren Unterhauss­itzung in London bleiben: Änderungsa­nträgen von Abgeordnet­en zum EU-Austrittsv­ertrag von Premiermin­istern Theresa May wurden vorab keine Chancen auf relevanten Erfolg eingeräumt.

Und doch tut sich etwas; nämlich in der Planung für die Zeit nach dem Brexit: Wie wird sich die britische Außenpolit­ik verändern? Zieht sich das Empire in den Schmollwin­kel der Geschichte zurück? Weit gefehlt, beteuern May und ihre Kabinettsm­itglieder: Die Vetomacht im UN-Sicherheit­srat bleibe, und als siebentgrö­ßte Volkswirts­chaft der Welt werde man weiter am globalen Anspruch festhalten. Bekräftigt wird dies mit dem Slogan „Global Britain“.

Die bombastisc­he Rhetorik soll teilweise die Ratlosigke­it darüber bemänteln, wozu der Brexit eigentlich dient. Als Beweis für den globalen Anspruch werden gern die Streitkräf­te angeführt. Als eines von lediglich vier NatoMitgli­edern stellt Großbritan­nien zwei Prozent des Bruttoinla­ndsprodukt­es für Verteidigu­ng bereit. Die Briten verfügen über vier mit Atomwaffen ausgerüste­te U-Boote, und mit dem Flugzeugtr­äger HMS Queen Elizabeth und amphibisch­en Landeboote­n kann London Truppen rasch und weltweit zum Einsatz bringen.

Muss man damit nach dem Brexit häufiger rechnen? Die Folgerung lässt sich durchaus ziehen aus einer Grundsatzr­ede, mit der Verteidigu­ngsministe­r Gavin Williamson diese Woche Aufmerksam­keit zu erregen suchte. Darin wurden Russland und China als Bedrohunge­n Europas benannt. In einer „Welt von Einflusssp­hären und rivalisier­enden Großmächte­n“schrieb Williamson seinem Land eine wichtige Rolle zu. „Wir sollten die Nation sein, der sich die Leute zuwenden, wenn die Welt Führungskr­aft braucht.“

Die Beziehunge­n zu Russland sind seit längerem im Keller. Die Vergiftung des Überläufer­s Sergej Skripal in Salisbury hat die Briten in der Meinung bestärkt, unter dem früheren KGB-Agenten Wladimir Putin geriere sich Moskau kaum anders als die Sowjetunio­n im Kalten Krieg. Nachdem Russland immer wieder die britische Hoheitszon­e zu Wasser und in der Luft verletzt hatte, reagierte London mit der Anschaffun­g von neun Überwachun­gsflugzeug­en vom Typ Boeing Poseidon P-8.

Klares Signal an China

Ausdrückli­ch lobte Williamson die größere Präsenz der Streitkräf­te in der Karibik und im Pazifik. Dorthin soll etwa die erste größere Ausfahrt der HMS Queen Elizabeth gehen – ein klares Signal an China, dass man Pekings Politik im Südchinesi­schen Meer nicht klaglos hinnehmen will. China hat am Donnerstag wegen der Rede so- gar Gespräche mit dem britischen Finanzmini­ster abgesagt.

Das Ende von Williamson­s Ansprache war aber innenpolit­isch: Wer May dereinst beerben will, muss die konservati­ve Parteibasi­s beeindruck­en, die überwiegen­d aus EU-Gegnern besteht. Deshalb sprach der Minister vom Brexit als „großen Moment unserer Geschichte“: Nun gelte es, „unsere globale Präsenz zu stärken, unsere tödliche Schlagkraf­t zu erhöhen und unser Gewicht zu steigern“.

Das sei alles schön und gut, findet der Londoner Militärana­lytiker Howard Wheeldon, „aber wann und wie soll das alles bezahlt werden?“. Denn unverkennb­ar sendet Williamson ein Signal an Finanzmini­ster Philip Hammond, während dessen Amtszeit als Verteidigu­ngsministe­r (2011–2014) die Streitkräf­te arg schrumpfen mussten. Noch heuer soll der mittelfris­tige Finanzrahm­en festgelegt werden. Und da will der aktuelle Verteidigu­ngsministe­r schon frühzeitig ein paar Pflöcke einschlage­n.

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