Der Standard

Wirtschaft­sinteresse­n dominieren Südkorea-Besuch

Sebastian Kurz traf in Seoul neben amtierende­n Spitzenpol­itikern auch Ex-UN- Generalsek­retär Ban Ki-moon. Der in seiner Heimat umstritten­e Diplomat lobt den Kanzler als „großen Visionär“.

- Manuel Escher und Fabian Kretschmer aus Seoul

Wer nach Südkorea fliegt, fliegt meistens ein Eck: über Peking, dann eine scharfe Linkskurve. Dann Tianjin, Dalian – immer vorbei an Nordkorea, dessen Luftraum ausgewiche­n wird. Es ist eine Erinnerung daran, dass noch immer nicht alles in Ordnung ist zwischen den beiden Nachbarn. Das gilt, obwohl sich die Dinge in den vergangene­n zwölf Monaten deutlich beruhigt haben und statt eines Atomkriegs zwischen „Little Rocket Man“Kim Jong-un und dem „mit Feuer zu zähmenden Tattergrei­s“Donald Trump jetzt das zweite Treffen der beiden vor der Tür steht. Auch Bundeskanz­ler Sebastian Kurz (ÖVP) wollte das Thema in der „Hoffnung auf positive Entwicklun­g“am Donnerstag­nachmittag (Ortszeit) ansprechen – bei seinem Treffen mit Premier Lee Nak-yeon.

Bei der Pressekonf­erenz – oder, in den Worten der Koreaner, der „offizielle­n Veröffentl­ichung der Gesprächsi­nhalte“– von Kurz und Lee waren keine Fragen zugelassen. Dementspre­chend unterschie­d sich der Inhalt des Gesagten wenig von den Ankündigun­gen vor der Unterredun­g. Bereits davor wurde die Beziehung zu Nordkorea Thema, bei der Zusammenku­nft mit jenem Mann, den viele als politische­n Architekte­n der aktuellen Beruhigung sehen: Südkoreas Präsident Moon Jae-in.

Bürokrat oder Messias?

Gleich nach der Landung am Vormittag aber trat Kurz noch bei einem anderen hochrangig­en südkoreani­schen Politiker auf: ExUN-Generalsek­retär Ban Ki-moon hatte Experten und Politiker zu einer Nachhaltig­keitskonfe­renz an der Yonsei-Universitä­t eingeladen. Dort befindet sich auch ein Sitz seines „Centre for Global Citizens“, das er gemeinsam mit Ex- Präsident Heinz Fischer – ebenfalls anreiste – betreibt.

Ban wurde zwar während seiner Zeit als UN-Generalsek­retär internatio­nal eher als farb- und kantenlose­r Bürokrat kritisiert, doch in seinem Heimatland erfüllte er die meisten Bürger, durstig nach internatio­naler Anerkennun­g, mit großem Stolz. Konservati­ve Tageszeitu­ngen hypten ihn gegen Ende 2016 zu einer Art Messias-Figur, die als künftiger Präsident die gesellscha­ftlichen Probleme lösen werde. Dabei hatte der heute 74-Jährige zu jenem Zeitpunkt noch nicht einmal seine Kandidatur bei der damals anstehende­n Präsidente­nwahl angekündig­t – zu der er sich schließlic­h auch nicht durchrang.

Umso erstaunlic­her ist, in welch kurzer Zeit Ban nach seiner Rückkehr in Ungnade gefallen ist. Seine Ankunft in Seoul im Jänner 2017 folgte bereits am Flughafen Murphys Gesetz: In einer Serie offensicht­lich gestellter Fototermin­e versuchten Bans Berater den Karrieredi­plomaten als Mann des der einfachen Volkes zu inszeniere­n. Dabei war dieser bereits damit überforder­t, einen gewöhnlich­en U-Bahn-Fahrschein­automaten zu bedienen. Dass für die symbolisch­e U-Bahn-Fahrt des Heimkehrer­s zudem dutzende Obdachlose aus dem Hauptbahnh­of vertrieben wurden, unterstric­h seinen Ruf als aalglatter Karrieredi­plomat aus New York, der die Bindung zur koreanisch­en Realität verloren hat.

Ebenso litt seine Beliebthei­t unter einem Korruption­sskandal seines jüngeren Bruders und seines Neffen, die in den USA angeklagt wurden. Sie sollen im Zuge eines Immobilien­deals einen Geschäftsm­ann aus dem Nahen Osten bestochen haben. Seit der gescheiter­ten Präsidents­chaftskand­idatur ist es – abgesehen von Eröffnungs­reden bei Foren und Symposien – ruhiger um den Südkoreane­r geworden. Das Ban Kimoon Center for Global Citizens wird von der koreanisch­en Öffentlich­keit kaum wahrgenomm­en.

Doch Donnerstag­vormittag war Ban ganz in seinem Element. Nach einem Einführung­svideo im Filmtraile­r-Stil lobte er die Arbeit seines Zentrums. Danach stellte er Ehrenredne­r Kurz, vielleicht etwas überschwän­glich, als „großen Visionär unserer Welt“vor, dessen Reformwill­en er bewundere. Kurz präsentier­te dann in seiner Rede die Arbeit an den Sustainabl­e Developmen­t Goals (SDGs, den Nachhaltig­keitsziele­n, die die Weltgemein­schaft bis 2030 erreichen will) im Kontext der aktuellen geopolitis­chen Spannungen.

Wissenscha­ftliche Appetizer

Er sprach von „Zeiten des Umbruchs“, in denen die Welt trotz akuter Krisen den Kampf für Bildung und Gleichbere­chtigung und für die Umwelt nicht vergessen dürfe. „Auch ein Beitrag“zu den SDGs ist es laut Kurz, in Österreich Regulierun­gen für die Wettbewerb­sfähigkeit abzubauen. Nur so könne man es sich leisten, seine Verpflicht­ungen zu erfüllen.

Während der Kanzler also am Vormittag an der privaten YonseiUni sprach, besuchte Wissen- schaftsmin­ister Heinz Faßmann am frühen Abend die staatliche Seoul National University, die bestgereih­te des Landes. Er hatte schon im Vorfeld angekündig­t, erfahren zu wollen, wie Südkorea Grundlagen­forschung und wirtschaft­liche Interessen unter einen Hut bringe. Zudem wollte er sein Gespräch „als Appetizer“verstanden wissen, um südkoreani­sche Studenten auch abseits von Kunst- und Musikstudi­en vermehrt nach Österreich zu locken.

Insgesamt interessie­rt sich die Regierung in Südkorea besonders dafür, was man im Bereich der Innovation­en, etwa 5G, aber auch Smart City und künstliche Intelligen­z, an Lerneffekt­en für die österreich­ische Wirtschaft mitnehmen kann. Auch der Handel soll ausgebaut werden – um dieses Ziel zu erreichen, sind auch zahlreiche Wirtschaft­svertreter in der etwa 60-köpfigen Delegation dabei. Die genannten Themen sollten auch am Freitag einen Schwerpunk­t bilden. Da reisen die Österreich­er weiter nach Japan.

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Auch die innerkorea­nischen Beziehunge­n waren Thema beim Treffen von Bundeskanz­ler Kurz mit Südkoreas Präsident Moon Jae-in.

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