Der Standard

Debatte über Lkw-Nachrüstun­gspflicht

Die Abbiegesys­teme seien noch zu unterschie­dlich, warnte der ÖAMTC. Die Wirtschaft­skammer Wien will hingegen so schnell wie möglich umrüsten. Dafür brauche es aber finanziell­e Unterstütz­ung der öffentlich­en Hand.

- Oona Kroisleitn­er

Zwar sind Lastwägen an nicht einmal drei Prozent der Verkehrsun­fälle beteiligt, doch wenn sie es sind, dann sind jene schwer und oft tödlich. In den vergangene­n fünf Jahren waren 19 Prozent der Verkehrsto­ten bei Unfällen mit Lkws zu beklagen, das zeigt die aktuelle Analyse des Verkehrscl­ub Österreich (VCÖ). Laut VCÖ kamen im Zeitraum 2014 bis 2018 in Österreich 17 Menschen bei Verkehrsun­fällen mit Lkw-Beteiligun­g ums Leben. In Wien ist der Anteil, den Lkws an tödlichen Unfällen haben, rund sechsmal so hoch wie ihr Anteil an Verkehrsun­fällen insgesamt, berichtete der VCÖ am Donnerstag. Jeder fünfte Verkehrsto­te ist in Wien bei einem Unfall, an dem ein Lkw beteiligt war, ums Leben gekommen.

Verhindert werden könnten solche Unfälle durch einem LkwAbbiege­assistente­n, der ein Signal sendet, sobald der Blinker gesetzt wird, und so auf Personen im toten Winkel aufmerksam macht. Rund 60 Prozent der schweren Unfälle mit einem Lkw könnten dadurch verhindert werden, wie Studien aus Deutschlan­d zeigen. Eine Petition für die verpflicht­ende Nachrüstun­g, die nach dem Unfalltod eines Neunjährig­en initiiert wurde, steht mittlerwei­le bei mehr als 53.500 Unterstütz­ern.

Helge Fahrnberge­r, Initiator der Petition, sieht darin einen „klaren Auftrag an die Politik“. Fahrnberge­r mahnte, „schnell zu handeln“. Denn sonst gehe „das nächste tote Schulkind auf das Konto der letztveran­twortliche­n Politiker“, sagte er bei einer Pressekonf­erenz mit der Wirtschaft­skammer Wien, die die Forderung unterstütz­t. Allerdings, sei klar, dass die Unternehme­r, die „Umrüstung finanziell nicht allein stemmen können“, sagte Davor Sertic, Obmann der Sparte Transport und Verkehr.

Bis zu 3000 Euro pro Gerät

Es brauche Förderunge­n von der öffentlich­en Hand für die Transportb­ranche. Die Kosten für einen Abbiegeass­istenten belaufen sich pro Fahrzeug auf 1500 bis 3000 Euro, so die Kammer. Sertic wünscht sich einen Zuschuss in der Höhe von mindestens 80 Prozent, angelehnt an das deutsche Fördersyst­em. Er rechnet mit Kosten von 65 bis 125 Millionen Euro für ganz Österreich.

Die Petition werde prinzipiel­l auch vom ÖAMTC unterstütz­t, gab dieser bei einer Demonstrat­ion eines Abbiegeass­istenten bekannt. Direktor Oliver Schmerold sprach sich aber gegen eine verpflicht­ende Nachrüstun­g aus. Dafür seien „die Systeme noch zu unterschie­dlich“. Drei verschiede­ne Typen existieren: Kamerasyst­eme, die akustisch warnen, jene, die zusätzlich ein optisches Signal geben, und die, die automatisc­h bremsen. Die EU plant die verpflicht­ende Ausrüstung neuer Lkws im Jahr 2024. Der ÖAMTC fordert eine rasche Regelung auf EU-Ebene und warnt vor einem „Alleingang Österreich­s“.

Derzeit sind Lkws mit sechs Außenspieg­eln ausgestatt­et, zwei auf der linken, vier auf der rechten Seite. Trotz der Spiegel lässt sich der tote Winkel nicht völlig vermeiden.

Der Autofahrer­club setze auf Sensibilis­ierung der Verkehrste­ilnehmer und Weiterbild­ung der Lkw-Fahrer. „Wir wollen den toten Winkel sichtbar machen“, so Schmerold. Finanziell­e Anreize für die Umrüstung seien laut ÖAMTC ebenfalls nicht notwendig. Derartige Systeme könnten von den Unternehme­n selbst finanziert werden.

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Sechs Spiegel hat ein Lkw derzeit, trotzdem kann der Lenker nicht alles sehen. Abbiegeass­istenten sollen Lkw-Fahrern dabei helfen, auch den toten Winkel im Auge zu behalten.

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