Ausnahmepianist Daniil Trifonov
Daniil Trifonov ist noch keine 30 Jahre alt und zählt bereits zu den fesselndsten Pianisten der Welt. Eine kurze Begegnung mit dem scheuen Ausnahmetalent, das in New York lebt und in Wien gerne musiziert.
Er ist einer jener raren Klassikstars, die für ihr Label noch ordentlich Kohle einfahren. Dafür werden die neuen Produkte des Umsatzbringers aber auch opulent in Szene gesetzt: Für den Trailer zu seiner letzten CD (Destination Rachmaninow: Departure) ließ man eine Dampflok samt alten Pullman-Wagons durch die Rockies pfauchen. Der Pianist, zum pittoresken Landstreicher umgestylt, entdeckt im Salonwagen per Zufall einen zeitgenössischen Konzertflügel der Luxusklasse. Kitschalarm! Da ist das Coverfoto des Silberlings – Trifonov im Anzug im edlen historischen Zugabteil – deutlich stilvoller.
Wenn der große Sergej Rachmaninow in den USA auf Tournee war, ließ er an die Reisezüge einen eigenen Waggon samt Flügel anhängen. Daniil Trifonov benutzt für seine Konzertreisen selbstverständlich den Flieger, und das nicht gerade selten. Seit der Russe 2011 den Tschaikowsky-Wettbewerb gewonnen hat, ist er die meiste Zeit unterwegs. Etwa 130 Konzerte habe er seitdem im Schnitt jährlich gespielt.
Ein Blick ins Kalendarium verrät: Allein im ersten Halbjahr 2019 interpretiert der 27-Jährige acht verschiedene Konzerte für Klavier und Orchester, er gibt Soloabende, spielt Kammermusikkonzerte und Liederabende. „Für die nächste Saison plane ich allerdings ein Semisabbatical“, verrät Trifonov. „Ich werde mich auf 60 Konzerte pro Saison beschränken. Denn ich möchte an neuem Repertoire arbeiten, an Bachs Die Kunst der Fuge und der dritten Sonate von Brahms. Und ich möchte komponieren.“
Trifonov arbeitet im Moment an einem Liederzyklus für Bariton und Klavier, er vertont hierfür Gedichte von Nabokov, Brodsky und Arseni Tarkowski, dem Vater des Filmregisseurs Andrei Tarkowski. Im Juni interpretiert er mit dem ORF RSO Wien im Musikverein auch sein eigenes, erstes Klavierkonzert. Er hat es im Alter von 21 Jahren für das Cleveland Institute of Music geschrieben. Trifonov beantwortet Fragen sachlich. Er spricht schnell. Seine blassen Hände sind schmal, seine Schüchternheit verleiht dem jungenhaften Mann etwas Hölzernes. Am Klavier? Kann er alles und mehr.
Trifonovs Debüt im Wiener Konzerthaus vor knapp fünf Jahren: ein unglaubliches Erlebnis. Bei seinem Solokonzert im Musikverein Ende Februar wird er ein Programm mit Stücken spielen, die eine kuriose Entstehungsgeschichte haben. Beethovens Andante favori, so erzählt Trifonov, war eigentlich als langsamer Satz der Waldstein-Sonate gedacht, Schumanns Presto passionato sollte ursprünglich das Finale seiner zweiten Sonate sein. Vier Tage vor seinem Recital wird Trifonov im Musikverein zudem Ravels Klavierkonzert spielen, mit Sir Simon Rattle und dem London Symphony Orchestra.
Der Lebensmittelpunkt des Jetsetters ist seit einigen Jahren New York. Und wenn Daniil Trifonov über die Metropole spricht, beginnt er auch endlich etwas aufzutauen: „Ich liebe die Stadt, sie ist multikulturell und voller Energie. Und obwohl New York eine Millionenmetropole ist und ein Touristenmagnet, gibt es dort viele Viertel, wo es ruhig ist und gemütlich: Ich bin definitiv ein Downtown-Mensch!“19. 2. Ravel-Klavierkonzert mit LSO und Simon Rattle; 23. 2. Soloabend (Musikverein)