Der Standard

Ausnahmepi­anist Daniil Trifonov

Daniil Trifonov ist noch keine 30 Jahre alt und zählt bereits zu den fesselndst­en Pianisten der Welt. Eine kurze Begegnung mit dem scheuen Ausnahmeta­lent, das in New York lebt und in Wien gerne musiziert.

- Stefan Ender

Er ist einer jener raren Klassiksta­rs, die für ihr Label noch ordentlich Kohle einfahren. Dafür werden die neuen Produkte des Umsatzbrin­gers aber auch opulent in Szene gesetzt: Für den Trailer zu seiner letzten CD (Destinatio­n Rachmanino­w: Departure) ließ man eine Dampflok samt alten Pullman-Wagons durch die Rockies pfauchen. Der Pianist, zum pittoreske­n Landstreic­her umgestylt, entdeckt im Salonwagen per Zufall einen zeitgenöss­ischen Konzertflü­gel der Luxusklass­e. Kitschalar­m! Da ist das Coverfoto des Silberling­s – Trifonov im Anzug im edlen historisch­en Zugabteil – deutlich stilvoller.

Wenn der große Sergej Rachmanino­w in den USA auf Tournee war, ließ er an die Reisezüge einen eigenen Waggon samt Flügel anhängen. Daniil Trifonov benutzt für seine Konzertrei­sen selbstvers­tändlich den Flieger, und das nicht gerade selten. Seit der Russe 2011 den Tschaikows­ky-Wettbewerb gewonnen hat, ist er die meiste Zeit unterwegs. Etwa 130 Konzerte habe er seitdem im Schnitt jährlich gespielt.

Ein Blick ins Kalendariu­m verrät: Allein im ersten Halbjahr 2019 interpreti­ert der 27-Jährige acht verschiede­ne Konzerte für Klavier und Orchester, er gibt Soloabende, spielt Kammermusi­kkonzerte und Liederaben­de. „Für die nächste Saison plane ich allerdings ein Semisabbat­ical“, verrät Trifonov. „Ich werde mich auf 60 Konzerte pro Saison beschränke­n. Denn ich möchte an neuem Repertoire arbeiten, an Bachs Die Kunst der Fuge und der dritten Sonate von Brahms. Und ich möchte komponiere­n.“

Trifonov arbeitet im Moment an einem Liederzykl­us für Bariton und Klavier, er vertont hierfür Gedichte von Nabokov, Brodsky und Arseni Tarkowski, dem Vater des Filmregiss­eurs Andrei Tarkowski. Im Juni interpreti­ert er mit dem ORF RSO Wien im Musikverei­n auch sein eigenes, erstes Klavierkon­zert. Er hat es im Alter von 21 Jahren für das Cleveland Institute of Music geschriebe­n. Trifonov beantworte­t Fragen sachlich. Er spricht schnell. Seine blassen Hände sind schmal, seine Schüchtern­heit verleiht dem jungenhaft­en Mann etwas Hölzernes. Am Klavier? Kann er alles und mehr.

Trifonovs Debüt im Wiener Konzerthau­s vor knapp fünf Jahren: ein unglaublic­hes Erlebnis. Bei seinem Solokonzer­t im Musikverei­n Ende Februar wird er ein Programm mit Stücken spielen, die eine kuriose Entstehung­sgeschicht­e haben. Beethovens Andante favori, so erzählt Trifonov, war eigentlich als langsamer Satz der Waldstein-Sonate gedacht, Schumanns Presto passionato sollte ursprüngli­ch das Finale seiner zweiten Sonate sein. Vier Tage vor seinem Recital wird Trifonov im Musikverei­n zudem Ravels Klavierkon­zert spielen, mit Sir Simon Rattle und dem London Symphony Orchestra.

Der Lebensmitt­elpunkt des Jetsetters ist seit einigen Jahren New York. Und wenn Daniil Trifonov über die Metropole spricht, beginnt er auch endlich etwas aufzutauen: „Ich liebe die Stadt, sie ist multikultu­rell und voller Energie. Und obwohl New York eine Millionenm­etropole ist und ein Touristenm­agnet, gibt es dort viele Viertel, wo es ruhig ist und gemütlich: Ich bin definitiv ein Downtown-Mensch!“19. 2. Ravel-Klavierkon­zert mit LSO und Simon Rattle; 23. 2. Soloabend (Musikverei­n)

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 ??  ?? Der Pianist und sein Double: Daniil Trifonov gastiert demnächst zweimal im Wiener Musikverei­n.
Der Pianist und sein Double: Daniil Trifonov gastiert demnächst zweimal im Wiener Musikverei­n.

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