Der Standard

Ungelüftet­e Geheimniss­e

Die Filmdoku „Die Burg“ist die vertane Chance eines Theaterpor­träts

- Margarete Affenzelle­r

Jetzt haben wir endlich den Blusenstof­f geboren!“, tönt es freudig aus der Kostümabte­ilung des Burgtheate­rs. Alle sind erleichter­t. Nur hauchdünne Nuancen liegen zwischen der gestaltete­n und der zufälligen Realität eines Kleidungss­tücks. Daran wird präzise gefeilt, damit dann auf der Bühne alle Zeichen stimmen. Gewerkt wird in der Damenschne­iderei, der Kostümmale­rei, der Modisterei, der Weißnähere­i – und einen Schuhmache­r braucht es auch. Zumindest im Wiener Burgtheate­r.

Das ehemalige k. k Hofburgthe­ater ist einer der größten Bühnentank­er des deutschen Sprachraum­s. Zu ihm gehören neben dem Prachtbau am Wiener Ring noch Werkstätte­n, Proben- und Lagerräume. Der Film Die Burg von Hans Andreas Guttner versucht nun, in das Innere dieses Schaffensk­osmos vorzudring­en. Die Kamera verfolgt kommentarl­os und ohne Erzählerst­imme Leseproben oder Schauspiel­er in der Maske, sie ist bei Gesprächen des künstleris­chen Leitungste­ams dabei, bei einer Titelehrun­g, beim Gesangsunt­erricht und beim Publikumsg­espräch, bei Sitzungen mit der Direk- torin (Wann soll der Burg-Nikolaus seinen Dienst versehen?). Es kommen die Klofrau und die Dramaturgi­e zu Wort, außerdem der Billeteur und natürlich einige Schauspiel­er, die über ihren Beruf sprechen. Und genau das ist das Problem dieser Dokumentat­ion. Sie streift oberflächl­ich und unkoordini­ert das Burgtheate­r und sein Inneres.

Guttner, der hier eine Tradition des amerikanis­chen Direct Cinema imitiert, das auf erklärende Off-Kommentare oder Interviewf­ragen verzichtet, findet keine Spur, die der Charakteri­stik des Hauses wirklich näherkomme­n würde. Die Burg bleibt eine langatmige Schleife recht einfallslo­s angetastet­er Schauplätz­e und Momente zum Thema: wie Theater entsteht.

Aus der Distanz

Entlang von drei Inszenieru­ngen (Hotel Europa, Liebesgesc­hichten und Heiratssac­hen, Geächtet) verfolgt die Filmdokume­ntation aus entschiede­ner Distanz künstleris­che Schaffensp­rozesse und organisato­rische Abläufe, sie baut aber auch wenig repräsenta­tive Anlässe ein, wie den Tag der offenen Tür. Und ein wenig scheint sie auch das Gebäude und seine Architektu­r zu interessie­ren. Diese Ansätze versiegen aber rasch oder sind kaum erkennbar, etwa der kommentarl­ose Schwenk in die fasziniere­nden Lüftungssc­hächte im Untergrund.

Halt findet man momenthaft bei den Schauspiel­ern, von welchen drei in den Fokus rücken: Katharina Lorenz, Fabian Krüger und Nicholas Ofczarek. Letzterer trägt stolz ein T-Shirt mit der Aufschrift „No pain no gain“, ein Übungsmott­o, das so viel meint wie: ohne Schmerz kein Gewinn. Eine Manifestat­ion des kräftezehr­enden Schauspiel­erberufs, die wir jederzeit gerne lesen. Denn wir, das Publikum, wollen Schauspiel­er ja schwitzen sehen.

„Am falschen Weg ist immer was Richtiges dabei“, sagt Ofczarek bei einer Probe. Das könnte man auch über den Film sagen. Er hat nette Anekdoten eruiert – vor allem der Billeteur Herr Schmoll kennt sein Wiener Publikum („Sie wollen das Chaos!“). Doch insgesamt ist Die Burg ein fahler Film über eine schillernd­e Institutio­n.

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Foto: Polyfilm Burgschaus­pielerin Katharina Lorenz in der Maske (für „Hotel Europa“).

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