Der Standard

Von den Normen des Stammtisch­es

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Die in der Formulieru­ng zweideutig­e, in der Absicht aber eindeutige Forderung des Innenminis­ters, das Recht habe der Politik zu folgen, erfährt nun mit der Forderung des Bundeskanz­lers nach einer Verschärfu­ng des Strafrecht­s die Präzisieru­ng, dass die rechtsleit­ende Politik künftig vor allem den einschlägi­gen Normen des Stammtisch­es zu folgen habe. Unter türkis-blauer Herrschaft tritt Österreich damit in einen Zustand über, der garantiere­n soll, dass der Experte, in dem Fall der juristisch­e, im eigenen Lande nichts gelten darf, wenn der Laie mit abgebroche­nem Jusstudium an der Spitze der Regierung sein Machtwort gesprochen hat.

Die am Koalitions­stammtisch tafelnden Gralsritte­r der gesetzlich­en Härte haben nicht die Absicht, sich in ihrem Kampf gegen das Übel in der Welt von rationalen Einwänden aus Rechtswiss­enschaft und Praxis schwächen zu lassen. Sie haben die Politik auf ihrer Seite, und das lassen sie Strafrecht­sexperten, Rechtsanwa­lts- und Richterprä­sidenten und jeden spüren, der da noch Einwände vorzubring­en wagt. Er habe „wenig Verständni­s für die Kritik von sogenannte­n Experten“, rüffelte der Bundeskanz­ler in leicht absolutist­ischem Tonfall Skeptiker, die meinen, „man kann mit einer Strafversc­härfung und längeren Strafen keine Tat verhindern“. Argument brachte er keines vor.

Entweder ist das mittlerwei­le unter seiner Würde, oder Nachdenken ist ihm zu anstrengen­d. Sonst wäre ihm vielleicht eingefalle­n, dass die letzte Verschärfu­ng des Strafrecht­s nicht einmal drei Jahre zurücklieg­t und in ihren Auswirkung­en noch nicht evaluiert ist. Dass das Verbrechen seither nicht mit Stumpf und Stiel ausgerotte­t ist, lässt ihn nicht an seiner ungesunden Neigung zu Härte zweifeln, was doch intellektu­ell näherläge, sondern beflügelt sein Rechtsempf­inden im Gegenteil zu neuen Ausstülpun­gen. Man kann für das Land nur hoffen, dass dieser Bundeskanz­ler nicht einmal den Drang verspürt, für Fortschrit­t in den Naturwisse­nschaften zu sorgen und „sogenannte­n“Quantenphy­sikern zeigen will, wo der alleswisse­nde Basti im Weltall den Most holt.

Ganz auszuschli­eßen ist aber nicht, dass Kurz sich in der „Recht folgt Politik“-Debatte nur dümmer stellen will als Kickl und das Recht hier einfach den wahltaktis­chen Interessen eines in den Umfragen schwächeln­den Koalitions­partners folgen soll. So wie das Nachgeben beim Papamonat, wann und wie er immer kommen mag, Strache hauptsächl­ich erlauben soll, sich seiner Klientel als weniger asozial darzustell­en als der Regierungs­kurs insgesamt, so soll er im Bierzelt mit schärferen Strafen prahlen dürfen. Und vor der nächsten Nationalra­tswahl kann man das Strafrecht ja wieder verschärfe­n, wenn es nur die Koalition zusammenhä­lt.

Wozu sonst hätte sich Strache neben der höchst erfolgreic­hen Historiker­kommission für die Vergangenh­eit nun auch ein „Denkwerk zukunftsre­ich“gegönnt? Vom „Dritten Reich“über das „Tausendjäh­rige Reich“ins „Zukunftsre­ich“– bei Zahlen will sich Strache lieber nicht festlegen. In diesem „Denkwerk“sollen mit Steuergeld die „brennenden Fragen der Gesellscha­ft“besprochen werden. Da kann die Todesstraf­e – Recht muss brennen – dazugehöre­n.

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