Der Standard

Lernen S’ ein bisschen Physik, Herr Minister!

Nach den Tempo-140-Teststreck­en in Nieder- und Oberösterr­eich sind weitere Testabschn­itte im Gespräch. Einfache physikalis­che Fakten scheinen im toten Winkel der Politik zu verschwind­en.

- Christoph E. Mandl

Während der Club of Rome kürzlich bereits einen Klimanotfa­llplan erarbeitet und EU-Parlamenta­riern präsentier­t hat, beschäftig­t die österreich­ische Bundesregi­erung etwas viel Wichtigere­s: Tempo 140 auf den Autobahnen. Während den österreich­ischen Winterspor­torten langsam, aber stetig der Winter abhandenko­mmt und laut aktuellem Gletscherb­ericht sich die Gletscher in Österreich­s Alpen verflüchti­gen, meint Verkehrsmi­nister Norbert Hofer, dass die Erhöhung des Tempolimit­s von 130 auf 140 Stundenkil­ometer ein vorrangige­s politische­s Ziel ist, für dessen Verwirklic­hung er gewählt wurde.

Hierzu ein paar einfache physikalis­che Fakten:

Der Luftwiders­tand nimmt quadratisc­h mit der Geschwindi­gkeit zu. Obwohl daher die Zunahme der Geschwindi­gkeit von 130 auf 140 nur 7,7 Prozent beträgt, nimmt der Luftwiders­tand um 16

QProzent zu – mit entspreche­nder Auswirkung auf den Kraftstoff­verbrauch und auf die CO -Emissionen.

Auch der Bremsweg nimmt quadratisc­h mit der Geschwindi­gkeit zu. Somit ist der Bremsweg bei 140 Stundenkil­ometern ebenfalls um 16 Prozent länger als bei 130 Stundenkil­ometern.

Schließlic­h nimmt auch die Bewegungse­nergie, also die Energie, die ein Fahrzeug aufgrund seiner Bewegung enthält, mit dem Quadrat der Geschwindi­gkeit zu. Bei einem Aufprall auf ein stehendes Objekt, etwa einen Brückenpfe­iler oder ein stehendes Fahrzeug, ist die in Sekundenbr­uchteilen freiwerden­de, zerstöreri­sche Energie bei einer Aufprallge­schwindigk­eit von 140 Stundenkil­ometern um 16 Prozent größer als bei 130 Stundenkil­ometern.

Bleibt noch der Lärm: Wichtigste Lärmquelle bei Geschwindi­gkeiten ab 50 Stundenkil­ometern sind Reifen-Fahrbahn-Geräusche

QQQsowie aerodynami­sche Geräusche. Die dadurch erzeugte Schallinte­nsität steigt mit der dritten mitunter sogar mit der vierten Potenz der Geschwindi­gkeit an. Konkret bedeutet dies bei Tempo 140 eine Zunahme der Schallinte­nsität um 25 bis 35 Prozent gegenüber Tempo 130.

Wozu Messungen?

Um zu diesen Erkenntnis­sen zu gelangen, bedarf es keiner Messungen durch die Asfinag, sondern der einfachen Nutzung von Altbekannt­em aus Mechanik und Strömungsl­ehre, wie man es an einer HTBLA in der Fachabteil­ung Flugtechni­k wohl auch lernt.

All diesen bedeutungs­losen Nachteilen steht natürlich die enorme Einsparung an Fahrzeit gegenüber, wenn man statt mit 130 mit 140 Stundenkil­ometern unterwegs ist. Pro 100 Autobahnki­lometer beträgt diese Einsparung genau drei Minuten und 18 Sekunden. Für die Strecke von Wien nach Linz mit 160 Autobahnki­lometern beträgt daher die Zeiterspar­nis satte fünf Minuten und 16 Sekunden.

Achtung, Kanada!

In Kanada, das ja bekanntlic­h kaum größer ist als Österreich, beträgt die Höchstgesc­hwindigkei­t auf Autobahnen mickrige 100 Stundenkil­ometer. Würden die Kanadier daher wenigstens unse- Cartoon: Rudi Klein (www.kleinteile.at) rem Beispiel von derzeit Tempo 130 folgen, dann würden sie um 23 Prozent weniger Zeit auf Autobahnen benötigen. Dass Luftwiders­tand, Bremsweg und Bewegungse­nergie dabei um 69 Prozent und Schallinte­nsität um 120 bis 186 Prozent zunehmen würden, sollte die Kanadier nicht weiter stören – wir auch damit.

Warum folgen die Kanadier nicht endlich unserem Beispiel, Herr Minister? leben schließlic­h

CHRISTOPH E. MANDL ist gelernter Mathematik­er und Physiker sowie Privatdoze­nt an der Universitä­t Wien.

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Foto: Manfred Veigl Christoph E. Mandl: Politische­s Ziel Tempo 140?

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