Gesichtserkennung kann Bargeld ersetzen
Wir sehen für ein derartiges Angebot nur eine sehr bedingte Akzeptanz in Österreich.
Matthias Raftl Unicredit
In Asien und seit kurzem auch in Spanien kann man mithilfe von Gesichtserkennung bezahlen – als bequeme Alternative zu Bargeld, Kredit- und Bankomatkarte. Gesichtsscans sollen das Zahlen vor allem sicherer machen. Datenschützer sind nicht begeistert, hiesige Banken zögern noch. Kommt der Trend auch nach Österreich?
In Österreich stoßen passionierte Barzahler fast nirgendwo auf Probleme, ihre Scheine und Münzen loszuwerden. In China ist das anders. Dort haben mittlerweile selbst Supermärkte oft nicht mehr das nötige Wechselgeld. Jährlich erledigen 600 Millionen Chinesen ihre Zahlungen direkt mit dem Smartphone – und immer öfter auch mit einem Lächeln. Dafür muss der Kunde an der Kassa kurz in eine Kamera schauen, fertig. Per biometrischer Identitätsverifizierung ist der Zahlvorgang abgeschlossen. Sogar immer mehr Bankomaten funktionieren per Gesichtserkennung, um – ironischerweise – Bargeld auszuspucken.
Auch in zahlreichen Fastfood-Ketten und Elektrofachgeschäften in ganz Asien dient der Gesichtsabgleich als Zahlungsmittel oder sogar Eintrittskarte: Einige kassenfreie Supermärkte können erst nach Gesichtsscan betreten werden. Dort werden die dem Regal entnommenen Produkte mit einem kurzen Nicken in die Kamera beglichen. All das funktioniert, indem die neuen Bilder mit bereits vorhandenen Personendaten blitzschnell verknüpft und abgeglichen werden.
Was bringt das?
Die Vorteile des „Smile to pay“Systems liegen auf der Hand. Es ist zunächst einmal sehr praktisch: nie mehr Stress an der Kassa wegen einer vergessenen Geldbörse. Gestohlen werden kann ein Gesicht auch nicht. Vor allem aber ist das System sehr sicher: Die Technik ist mittlerweile so ausgereift, dass ein Betrug mit Masken oder Videoaufnahmen praktisch unmöglich ist. Das Marketing für die Gesichtserkennungssoftware betont vor allem diesen Sicherheitsfaktor.
Ist das wirklich sicher?
Durchaus. Der Software hilft es dabei, wenn sich Menschen vor der Kamera leicht bewegen, den Mund öffnen oder einfache Grimassen schneiden. Damit misst die Kamera in 3D-Manier diese menschlichen Züge mit bis zu 16.000 Netzknotenpunkte im Gesicht aus und erkennt so signifikante Tiefen, Schatten und Abstände im Gesicht wieder. Auch eine neue Frisur, starkes Make-up, eine neue Brille oder tiefe Augenringe wegen Schlafentzugs machen der Software nichts aus.
Zieht Europa nach?
Bargeld ist in Europa – mit Ausnahme des europäischen Nordens – immer noch sehr präsent. Für hiesige Verhältnisse wirkt Bezahlen per Gesichtserkennung zunächst einmal befremdlich. Doch auch hier bewegt sich viel an Kassa und Bankomat: Plastikkarten lösen Münzen und Papier immer öfter ab, die Schnellkassen nehmen zu. Und trotz erheblicher Skepsis an Gesichtsscans kommt auch in Europa langsam Bewegung in die Sache.
So können die Kunden der spanischen Caixa-Bank seit Februar dieses Jahres an mehr als 20 Bankomaten per Gesichtserkennung Geld beheben. Die Bank hatte vor der Einführung ihre Kunden nach deren Meinung gefragt. Zwei Drittel wollten Gesichtsscans als Option, vor allem der Sicherheit wegen. Im Laufe des Jahres will die Bank weitere Bankomaten auf die neue Technik umrüsten. Und das spanische Kreditinstitut BBVA lässt in seinem Hauptquartier mittlerweile rund 1000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter per Gesichtserkennung bezahlen – etwa fürs Mittagessen in der Kantine.
Und in Österreich?
Da ist man zögerlich. Ein Rundruf in Österreichs Bankenlandschaft ergibt, dass automatische Gesichtserkennung vorerst nur als zusätzliche Zwei-Faktor-Authentifizierung, etwa für das Benutzen von Banken-Apps am Smartphone, eingesetzt wird.
Laut Matthias Raftl, Pressesprecher der Unicredit, arbeitet man derzeit nicht am weiteren Einsatz von Gesichtserkennung. „Denn die Umsetzung der technischen Lösung macht auch die Speicherung der Biometriedaten von Kundinnen und Kunden notwendig. Daher sehen wir für ein derartiges Angebot in Österreich nur sehr bedingte Akzeptanz.“Auch bei der Erste Bank betont man, dass Bankomatbehebungen mittels Gesichtserkennung, „derzeit überhaupt kein Thema“sind.
Was die Kritiker sagen
Anders ist das in China, wo die Bevölkerung permanente Überwachung durch den Staat gewohnt ist. Die Herausgabe persönlicher Daten stößt auf wesentlich weniger Widerstand als in Europa.
Beim Zahlen mittels Gesichtsscans erfolgt sie außerdem freiwillig. Insofern lässt sich der Einsatz von Gesichtserkennungssoftware nur bedingt mit der begründeten Skepsis vor staatlicher Überwachung in Verbindung bringen. Iwona Laub von der GrundrechtsNGO Epicenter.works betont aber, dass Gesichtserkennung zum Bezahlen zwar grundsätzlich erlaubt sei, aber die „explizite Einwilligung der Betroffenen“benötige. „Im Gegensatz zur Überwachung, die durch den Staat vorangetrieben wird, hat der Nutzer solcher Finanzangebote im besten und optimalen Fall die Möglichkeit“, stattdessen konservative Zahlungsmittel zu verwenden, so Laub zum Standard.
Aus Sicht der Datenrechtsexperten von Epicenter.works wäre Bezahlen per Gesichtserkennung nur dann in Ordnung „wenn der Nutzer aufgeklärt ist, ausdrücklich der Sammlung und Verarbeitung der Daten einwilligt und jederzeit einen Rückzieher machen kann“. Außerdem müsse er von Anfang an die Möglichkeit haben, den Einsatz der Technologie abzulehnen.
Was kommt da noch?
Der chinesische Finanzriese Alipay, der Gesichtserkennung einsetzt, zeigt jedenfalls immer deutlicher Präsenz in Europa. Zunächst hieß es, man wolle nur chinesischen Touristen vertraute Bezahlmöglichkeiten im Ausland bieten. Doch dass die QR-Codes asiatischer Bezahlapps immer häufiger in Europa auftauchen, könnte auf eine langfristige Strategie der Unternehmen hinweisen: Sobald man in Supermärkten und Restaurants flächendeckend mit asiatischen Apps bezahlen kann, könnte man mit Gesichtserkennung auch den europäischen und den US-Markt aufmischen.