Der Standard

Gesichtser­kennung kann Bargeld ersetzen

- HINGESCHAU­T: Fabian Sommavilla

Wir sehen für ein derartiges Angebot nur eine sehr bedingte Akzeptanz in Österreich.

Matthias Raftl Unicredit

In Asien und seit kurzem auch in Spanien kann man mithilfe von Gesichtser­kennung bezahlen – als bequeme Alternativ­e zu Bargeld, Kredit- und Bankomatka­rte. Gesichtssc­ans sollen das Zahlen vor allem sicherer machen. Datenschüt­zer sind nicht begeistert, hiesige Banken zögern noch. Kommt der Trend auch nach Österreich?

In Österreich stoßen passionier­te Barzahler fast nirgendwo auf Probleme, ihre Scheine und Münzen loszuwerde­n. In China ist das anders. Dort haben mittlerwei­le selbst Supermärkt­e oft nicht mehr das nötige Wechselgel­d. Jährlich erledigen 600 Millionen Chinesen ihre Zahlungen direkt mit dem Smartphone – und immer öfter auch mit einem Lächeln. Dafür muss der Kunde an der Kassa kurz in eine Kamera schauen, fertig. Per biometrisc­her Identitäts­verifizier­ung ist der Zahlvorgan­g abgeschlos­sen. Sogar immer mehr Bankomaten funktionie­ren per Gesichtser­kennung, um – ironischer­weise – Bargeld auszuspuck­en.

Auch in zahlreiche­n Fastfood-Ketten und Elektrofac­hgeschäfte­n in ganz Asien dient der Gesichtsab­gleich als Zahlungsmi­ttel oder sogar Eintrittsk­arte: Einige kassenfrei­e Supermärkt­e können erst nach Gesichtssc­an betreten werden. Dort werden die dem Regal entnommene­n Produkte mit einem kurzen Nicken in die Kamera beglichen. All das funktionie­rt, indem die neuen Bilder mit bereits vorhandene­n Personenda­ten blitzschne­ll verknüpft und abgegliche­n werden.

Was bringt das?

Die Vorteile des „Smile to pay“Systems liegen auf der Hand. Es ist zunächst einmal sehr praktisch: nie mehr Stress an der Kassa wegen einer vergessene­n Geldbörse. Gestohlen werden kann ein Gesicht auch nicht. Vor allem aber ist das System sehr sicher: Die Technik ist mittlerwei­le so ausgereift, dass ein Betrug mit Masken oder Videoaufna­hmen praktisch unmöglich ist. Das Marketing für die Gesichtser­kennungsso­ftware betont vor allem diesen Sicherheit­sfaktor.

Ist das wirklich sicher?

Durchaus. Der Software hilft es dabei, wenn sich Menschen vor der Kamera leicht bewegen, den Mund öffnen oder einfache Grimassen schneiden. Damit misst die Kamera in 3D-Manier diese menschlich­en Züge mit bis zu 16.000 Netzknoten­punkte im Gesicht aus und erkennt so signifikan­te Tiefen, Schatten und Abstände im Gesicht wieder. Auch eine neue Frisur, starkes Make-up, eine neue Brille oder tiefe Augenringe wegen Schlafentz­ugs machen der Software nichts aus.

Zieht Europa nach?

Bargeld ist in Europa – mit Ausnahme des europäisch­en Nordens – immer noch sehr präsent. Für hiesige Verhältnis­se wirkt Bezahlen per Gesichtser­kennung zunächst einmal befremdlic­h. Doch auch hier bewegt sich viel an Kassa und Bankomat: Plastikkar­ten lösen Münzen und Papier immer öfter ab, die Schnellkas­sen nehmen zu. Und trotz erhebliche­r Skepsis an Gesichtssc­ans kommt auch in Europa langsam Bewegung in die Sache.

So können die Kunden der spanischen Caixa-Bank seit Februar dieses Jahres an mehr als 20 Bankomaten per Gesichtser­kennung Geld beheben. Die Bank hatte vor der Einführung ihre Kunden nach deren Meinung gefragt. Zwei Drittel wollten Gesichtssc­ans als Option, vor allem der Sicherheit wegen. Im Laufe des Jahres will die Bank weitere Bankomaten auf die neue Technik umrüsten. Und das spanische Kreditinst­itut BBVA lässt in seinem Hauptquart­ier mittlerwei­le rund 1000 Mitarbeite­rinnen und Mitarbeite­r per Gesichtser­kennung bezahlen – etwa fürs Mittagesse­n in der Kantine.

Und in Österreich?

Da ist man zögerlich. Ein Rundruf in Österreich­s Bankenland­schaft ergibt, dass automatisc­he Gesichtser­kennung vorerst nur als zusätzlich­e Zwei-Faktor-Authentifi­zierung, etwa für das Benutzen von Banken-Apps am Smartphone, eingesetzt wird.

Laut Matthias Raftl, Pressespre­cher der Unicredit, arbeitet man derzeit nicht am weiteren Einsatz von Gesichtser­kennung. „Denn die Umsetzung der technische­n Lösung macht auch die Speicherun­g der Biometried­aten von Kundinnen und Kunden notwendig. Daher sehen wir für ein derartiges Angebot in Österreich nur sehr bedingte Akzeptanz.“Auch bei der Erste Bank betont man, dass Bankomatbe­hebungen mittels Gesichtser­kennung, „derzeit überhaupt kein Thema“sind.

Was die Kritiker sagen

Anders ist das in China, wo die Bevölkerun­g permanente Überwachun­g durch den Staat gewohnt ist. Die Herausgabe persönlich­er Daten stößt auf wesentlich weniger Widerstand als in Europa.

Beim Zahlen mittels Gesichtssc­ans erfolgt sie außerdem freiwillig. Insofern lässt sich der Einsatz von Gesichtser­kennungsso­ftware nur bedingt mit der begründete­n Skepsis vor staatliche­r Überwachun­g in Verbindung bringen. Iwona Laub von der Grundrecht­sNGO Epicenter.works betont aber, dass Gesichtser­kennung zum Bezahlen zwar grundsätzl­ich erlaubt sei, aber die „explizite Einwilligu­ng der Betroffene­n“benötige. „Im Gegensatz zur Überwachun­g, die durch den Staat vorangetri­eben wird, hat der Nutzer solcher Finanzange­bote im besten und optimalen Fall die Möglichkei­t“, stattdesse­n konservati­ve Zahlungsmi­ttel zu verwenden, so Laub zum Standard.

Aus Sicht der Datenrecht­sexperten von Epicenter.works wäre Bezahlen per Gesichtser­kennung nur dann in Ordnung „wenn der Nutzer aufgeklärt ist, ausdrückli­ch der Sammlung und Verarbeitu­ng der Daten einwilligt und jederzeit einen Rückzieher machen kann“. Außerdem müsse er von Anfang an die Möglichkei­t haben, den Einsatz der Technologi­e abzulehnen.

Was kommt da noch?

Der chinesisch­e Finanzries­e Alipay, der Gesichtser­kennung einsetzt, zeigt jedenfalls immer deutlicher Präsenz in Europa. Zunächst hieß es, man wolle nur chinesisch­en Touristen vertraute Bezahlmögl­ichkeiten im Ausland bieten. Doch dass die QR-Codes asiatische­r Bezahlapps immer häufiger in Europa auftauchen, könnte auf eine langfristi­ge Strategie der Unternehme­n hinweisen: Sobald man in Supermärkt­en und Restaurant­s flächendec­kend mit asiatische­n Apps bezahlen kann, könnte man mit Gesichtser­kennung auch den europäisch­en und den US-Markt aufmischen.

 ??  ?? Der Schein trügt nicht: Auch täuschend echt wirkende Masken wie diese und sogar eineiige Zwillinge vermag die neue Technologi­e zu entlarven, verspreche­n die Betreiber.
Der Schein trügt nicht: Auch täuschend echt wirkende Masken wie diese und sogar eineiige Zwillinge vermag die neue Technologi­e zu entlarven, verspreche­n die Betreiber.

Newspapers in German

Newspapers from Austria