Der Standard

Flotte Millionen für eine wackelnde Judo-WM

Im September 2018 bejubelte Sportminis­ter H.-C. Strache die Vergabe der Judo-WM 2021 an Wien. Nun weiß man: Die Finanzieru­ng war nie gesichert, die WM droht zu platzen. Dabei sind bereits – zack, zack, zack – Millionen geflossen.

- Fritz Neumann, Fabian Schmid

Ist es vorstellba­r, dass man sechs, sieben Stunden bei Wodka und Red Bull zusammensi­tzt, ohne (auch) über Sport zu reden? Mit Nichten. Mag sein, auch infolge des Ibiza-Videos ist, wie der Standard erfuhr, die schöne Disziplin Judo ins Gerede gekommen – und das nicht von ungefähr.

Am 19. September 2018 wurde am Rande der Judo-WM in der aserbaidsc­hanischen Hauptstadt Baku bekannt, dass Wien den Zuschlag für die Ausrichtun­g der WM 2021 erhalten hatte. Philipp Trattner, Sektionsle­iter im Sportminis­terium, bestätigt dem Standard, dass Wien der einzige Bewerber war, deshalb habe keine Abstimmung stattgefun­den. Das sollte nicht die einzige Besonderhe­it im Zusammenha­ng mit der Vergabe bleiben.

Nach Baku reiste Strache nicht nur wegen der Judo-WM, er nahm auch an Treffen mit der aserbaidsc­hanischen Regierung teil. Die gilt als eine der korruptest­en der Welt. Die Panama Papers zeigten, dass die Familie des Präsidente­n Alijew Beteiligun­gen in fast allen Wirtschaft­sbranchen des Landes hält. Alijew – nicht zu verwechsel­n und nicht verwandt mit dem kasachisch­en Politiker Rachat Alijew, der in Wien im Gefängnis starb – ist seit 2003 Ministerpr­äsident, er folgte seinem Vater nach.

Neben Strache und zwei ÖVP-Abgeordnet­en waren bei der Reise im September auch Ex-Klubobmann Johann Gudenus sowie der designiert­e FPÖ-Finanzrefe­rent und Nationalra­tsabgeordn­ete Markus Tschank dabei. Dieser geriet in den Tagen nach dem Ibiza-Video für seine einstige Tätigkeit bei „Austria in Motion“in die Schlagzeil­en. Der Verein soll Spenden für die FPÖ gesammelt haben, die Wirtschaft­s- und Korruption­sstaatsanw­altschaft beantragte seine Auslieferu­ng.

Auf Anfrage des Standard gibt Tschank an, er habe am Empfang für die Judo-WM in Baku nicht teilgenomm­en. Zudem kann er nach „jüngster persönlich­er Einsichtna­hmen

in die Umsatzlist­en“des Vereins „zu hundert Prozent ausschließ­en“, dass Austria in Motion im Zusammenha­ng mit der Judo-WM Spenden erhalten habe. Eine Anfrage an Strache blieb unbeantwor­tet.

Die FPÖ baut seit Jahren Verbindung­en nach Aserbaidsc­han auf, im Sommer 2017 war eine Delegation der Partei unter der Leitung des früheren außenpolit­ischen Sprechers Johannes Hübner in Baku. Bei seiner Rede zum Nationalfe­iertag 2016 in Wien begrüßte Strache Diplomaten aus dem vorderasia­tischen Land.

Mittlerwei­le ist es, wohl auch wegen Straches Rücktritt, so weit gekommen, dass Österreich­s Judoverban­d (ÖJV) eine Rückgabe der WM überlegt. ÖJV-Präsident Hans Paul Kutschera sprach in den Oberösterr­eichischen Nachrichte­n schon von „Rückabwick­lung“. Dem Standard sagt er: „Mein Optimismus hält sich in Grenzen. Aber noch hoffe ich, dass die WM stattfinde­n kann.“Doch selbst wenn sie nicht stattfinde­n sollte, könnte sich die WM für Österreich, sprich den Steuerzahl­er, als Millioneng­rab erweisen.

Schließlic­h hat der Weltverban­d (IJF) von Österreich eine Veranstalt­ungsgebühr in Höhe von sechs Millionen Euro verlangt. Und die erste von jährlichen drei Tranchen, zwei Millionen Euro, hat der Bund schon überwiesen. „Das stimmt“, sagt Trattner, der im Fall einer WM-Rückgabe allerdings mit dem IJF verhandeln will und auf eine Rückzahlun­g hoffen würde.

Auch ÖJV-Präsident Kutschera bestätigt die Transaktio­n. Der Bund habe dem ÖJV im Jänner zwei Millionen überwiesen, tags darauf überwies der ÖJV flott weiter an den Weltverban­d. Diesem steht Marius Vizer vor, ein gebürtiger Rumäne, der die österreich­ische Staatsbürg­erschaft hat und als einer der besten Freunde von Wladimir Putin gilt, der IJF-Ehrenpräsi­dent ist. Vizer will sich am Rande der WM 2021 im Amt bestätigen lassen, auch Putin würde nach Wien kommen wollen.

Marius Vizer (60) wird in Judokreise­n dafür gelobt, dass er – auch bei Weltmeiste­rschaften – Preisgelde­r in diesem Sport eingeführt hat. Sie sollten sich bei der WM in Wien auf eine Million Euro belaufen. Dazusagen muss man, dass auch diese Million, zusätzlich zu den sechs Millionen Veranstalt­ungsgebühr, vom Gastgeber gestemmt werden sollte, in dem Fall vom ÖJV. In einem von Strache und Finanzmini­ster Hartwig Löger erstellten „Vortrag an den Ministerra­t“von 12. Dezember 2018 heißt es gar: „Die eingesetzt­en Eigenmitte­l des Judoverban­ds werden drei Millionen Euro betragen.“Wie der ÖJV drei Millionen aufstellen wollte oder will, bleibt unklar.

Der großzügige Bund

Der Ministerra­tsbeschlus­s zur WM-Unterstütz­ung ist bemerkensw­ert. Nur fünf Sätze im „Vortrag“waren der Finanzieru­ng des Großereign­isses gewidmet. Dessen Gesamtkost­en werden mit zwölf Millionen Euro beziffert, drei soll, wie gesagt, der ÖJV beisteuern. Alles Weitere bleibt diffus, freilich: „Weitere Mittel werden durch Werbeund Sponsorene­innahmen sowie andere Fördergebe­r aufgebrach­t werden; der verbleiben­de offene Teil wird vom Bund getragen.“Zack, zack, zack.

Für den Wiener Sportstadt­rat Peter Hacker klingt das nach „hohem Risiko“, er sagt dem Standard: „Ich würde gerne wissen, ob es sich da nicht um eine generelle Ausfallsha­ftung handelt.“Üblicherwe­ise teilen sich Bund und Land bei einem Sportgroße­vent die Kosten. Wo also ist die Stadt Wien geblieben, in der die WM in Szene gehen soll? Außen vor, sagt Hacker. Er sei weder von Strache noch vom ÖJV rechtzeiti­g informiert worden und habe „bis heute keine brauchbare Kalkulatio­n gesehen“. ÖJV-Präsident Kutschera klagt, er blitze in Wien mit Terminwüns­chen ab. Hacker über die Herangehen­sweise des Bundes und des Judoverban­ds: „Wenn der Steuerzahl­er zahlt, kann man leicht großzügig sein.“

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ÖJV-Präsident Kutschera, Vizekanzle­r Strache, IJF-Präsident Vizer in Baku.

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