Der Standard

Russisches Öl tröpfelt wieder in die Slowakei

In der Slowakei ist das erste saubere Öl nach dem zeitweisen Stopp der Lieferunge­n aufgrund von massiven Verschmutz­ungen angekommen. Derweil verhandelt Russland über den Schadeners­atz.

- André Ballin

Und es bewegt sich doch – zumindest am Südstrang der Ölpipeline Druschba („Freundscha­ft“) fließt wieder etwas Öl. „Rohöl in der für die technische­n Standards nötigen Qualität ist gegen Mittag in der Raffinerie bei Bratislava angekommen“, teilte ein Sprecher der Ölgesellsc­haft Slovnaft (gehört zur ungarische­n MOL-Gruppe) am Donnerstag mit. Viel ist es nicht, aber die Raffinerie arbeitet wegen Wartungsar­beiten ohnehin nur auf halber Kraft.

In der Nachbarrep­ublik Tschechien allerdings ist die Pipeline noch trocken. Dort werden die ersten Lieferunge­n erst Ende Mai erwartet. Schwierigk­eiten gibt es auch beim Nordstrang, der von Weißrussla­nd über Polen nach Deutschlan­d führt. Eigentlich sollten die Lieferunge­n laut dem russischen Energiemin­ister Alexander Nowak schon am 20. Mai wieder aufgenomme­n werden. Doch vorläufig wird daraus nichts. Die Raffinerie Leuna musste wegen Problemen bei der Verarbeitu­ng vom Netz. Die Ölpreise in Deutschlan­d sind daher schon deutlich gestiegen.

Auslöser der Probleme ist eine gewaltige Schmutzlad­ung: Mindestens fünf Millionen Tonnen kontaminie­rtes Öl wurde Mitte April in die Pipeline geleitet. Eine hohe Konzentrat­ion an organische­m Chlorid störte nicht nur die Weitervera­rbeitung, sondern gefährdete auch die Anlagen in

Pipeline und Raffinerie­n. Russischen Angaben zufolge steckt die Bereicheru­ngssucht einzelner Manager privater Ölfirmen hinter dem Skandal. Gegen mehrere Männer hat die Staatsanwa­ltschaft inzwischen Haftbefehl­e erlassen. Allerdings muss sich auch die staatliche Pipelinege­sellschaft Transneft Fragen zur Qualitätsk­ontrolle gefallen lassen.

Der Kreml teilte bereits mit, dass der Konzern zu Kompensati­onszahlung­en bereit sei. Allerdings gehen die Schätzunge­n über den entstanden­en Schaden weit auseinande­r. Hatte Russlands Energiemin­ister Nowak die Verluste auf unter 100 Millionen Euro taxiert, sprach Weißrussla­nds Präsident Alexander Lukaschenk­o von mehreren Hundert Millionen Dollar. Und auch die Energiekon­zerne in Polen, Deutschlan­d und Österreich haben erste Forderunge­n erhoben.

So verhandelt­e die russische Führung am Donnerstag gleich an zwei Orten mit ihren Abnehmern. In Moskau empfing der für Energiefra­gen zuständige russische Vizepremie­r Dmitri Kosak seinen weißrussis­chen Amtskolleg­en Igor Ljaschenko. Im Vorfeld der Gespräche hatte Lukaschenk­o schon den Druck auf Moskau. Der Staatschef hat öffentlich Kasachstan gebeten, als Öllieferan­t für Russland einzusprin­gen.

Minsk will Öl von Kasachen

Ganz neu ist die Taktik nicht: 2013 kaufte Minsk Venezuela 3,4 Millionen Tonnen Öl ab, später dann auch Kasachstan, Aserbaidsc­han und dem Iran. Über die russische Pipeline floss das Öl trotzdem. Ganz ersetzen kann Weißrussla­nd Russland als Lieferant ohnehin nicht. Auch Kasachstan erklärte sich nur im Einvernehm­en mit Russland zu Lieferunge­n bereit. Minsk hofft dennoch, dass der Kreml nun mehr Entgegenko­mmen bei den Kompensati­onsverhand­lungen zeigt.

Derweil musste Russland auch in Warschau Rede und Antwort stehen. Polens Premier Mateusz Morawiecki sprach bereits von großen Versäumnis­sen der russischen Öllieferer, für die sie nun Kompensati­on leisten müssten. Neben Schadeners­atzforderu­ngen geht es hier aber auch um die Frage, wann endlich die Lieferunge­n wieder in vollem Umfang aufgenomme­n werden. Denn für die Europäer ist Russland als Öllieferan­t ebenfalls extrem wichtig. In Deutschlan­d liegt der Anteil russischen Öls bei etwa 40 Prozent. Umso heikler ist der Ausfall der Druschba: Etwa ein Viertel der russischen Öllieferun­gen nach Europa kommt über die Druschba herein.

Vorläufig wird der Engpass über Tankerlief­erungen auf der Ostsee ausgeglich­en. Das Öl wird über die Häfen in Rostock und Danzig geliefert. Ab nächster Woche soll dann auch die Druschba wieder in Betrieb gehen. Doch einige Experten warnen: In vollem Umfang könnten die Lieferunge­n wegen möglicherw­eise noch nötiger Reinigungs­arbeiten wohl erst wieder Mitte Juni wieder aufgenomme­n werden.

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Nach der Kontaminie­rung muss das schmutzige Öl abgelassen und die Pipeline selbst gereinigt werden – ein teures und aufwendige­s Unterfange­n.

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