Der Standard

Sternstund­e in Götzis-Zitaten

Am Wochenende findet das Mehrkampfm­eeting in Götzis statt. 2001 schrieb Roman Sebrle dort Sportgesch­ichte, durchbrach als erster Zehnkämpfe­r die 9000-Punkte-Schallmaue­r. Die Beteiligte­n erinnern sich.

- Martin Schauhuber

Die 9000 Punkte werden hier 2001 fallen“, sagte Tomas Dvorak nach dem GötzisMehr­kampfmeeti­ng 2000. Er selbst hatte diese magische Marke bei seinem 8994-Punkte-Weltrekord 1999 wegen eines schwachen 1500-m-Laufs um nur eine Sekunde verpasst. Die Götzis-Organisato­ren loben 2001 eine Weltrekord­prämie von 30.000 Euro aus.

Konrad Lerch, Götzis-Mitbegründ­er: „2001 war eigentlich Tomas Dvorak der stärkere Zehnkämpfe­r. Ich kannte die Einzelleis­tungen der Athleten, wir haben den Weltrekord versichern lassen. Das hat uns viel Geld gespart.“

Armin Hug, Götzis-Mitbegründ­er: „Ich habe damals eher an Dvorak gedacht. Es gab aber auch Leute im Umfeld der tschechisc­hen Zehnkämpfe­r, die gesagt haben: Roman Sebrle ist in Topform.“

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In Dvoraks Schatten stand sein drei Jahre jüngerer Landsmann Sebrle, Olympia-Zweiter von 2000. Dass es zwischen den von Dvoraks Schwiegerv­ater Zdenek Vana trainierte­n tschechisc­hen Ausnahmeat­hleten kriselte, wusste damals kaum jemand.

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Roman Sebrle, tschechisc­her Zehnkämpfe­r: „Ich wusste, dass ich sehr gut drauf bin. Ich war darauf konzentrie­rt, den Bewerb zu gewinnen – aber es war eine große Motivation, die 9000 vor Tomas zu schaffen. Ich hatte ein Problem mit ihm. Unser Trainer behandelte ihn und mich aber gleich.“

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Wie immer im Zehnkampf steigen fünf Bewerbe am Samstag und fünf Bewerbe am Sonntag.

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Sebrle: „2001 war es sehr heiß. Ich habe das geliebt.“

Attila Zsivoczky, ungarische­r Zehnkämpfe­r: „Zehnmal Aufwärmen ist wirklich schwierig. Wenn es heiß ist, ist warm bleiben einfacher.“

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Sebrle läuft die 100 m in 10,64 und schafft im Weitsprung 8,11 Meter – persönlich­e Bestleistu­ngen.

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Lerch: „Die 8,11 m waren ein Paukenschl­ag.“

Sebrle: „8,11 war toll für mich. Die ersten zwei Diszipline­n haben mich auf die Rekordwell­e gebracht.“

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15,33 m im Kugelstoße­n, 2,12 m im Hochsprung, 47,79 s über 400 m – keine persönlich­en Bestleistu­ngen für Sebrle.

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Sebrle: „Im Kugelstoße­n habe ich einen halben Meter mehr erwartet, im Hochsprung wollte ich 2,10 m schaffen.“

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Zum Abschluss des ersten Tages hält Sebrle bei 4675 Punkten, 30 mehr als Dvorak bei seinem Weltrekord. Er hat 252 Punkte Vorsprung auf den Zweiten Erki Nool, Dvorak ist Dritter und lässt sein Knie im Spital untersuche­n.

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Lerch: „Die Statistike­r auf der Tribüne haben nach dem ersten Tag gesagt: Der Mann ist auf dem Weg zum Weltrekord. Aber was heißt das nach fünf Diszipline­n?“

Hug: „Man hofft, dass das Wetter mitspielt: Der Wind soll bei den Hürden gut sein und beim Speer, dass der gut in der Luft liegt.“

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Tag zwei. Mit 13,92 s über 110 m Hürden und 47,92 m im Diskus (persönlich­e Bestleistu­ng) ist Sebrle jeweils der Beste im Feld.

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Sebrle: „Ich hatte erwartet, über die Hürden viel schneller zu sein. Diskus ist in Götzis immer schwierig, aber 47,92 war gut.“

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Sebrle schafft im Stabhochsp­rung nur 4,80 Meter. Nun fehlen 36 Punkte auf Dvoraks Bestmarke.

* Sebrle: „Stabhochsp­rung war mein schlechtes­tes Event.“

Lerch: „Er blieb hinter der Erwartung zurück. Da war der Weltrekord in einige Entfernung gerückt.“

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Der vorletzte Bewerb: Nach zwei Versuchen im Speerwurf hält Sebrle bei 66,38 m. Im letzten Versuch wirft er 70,16 m – persönlich­e Bestleistu­ng.

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Hug: „Das brachte ihn wieder in die Spur zurück.“

Sebrle: „Nach dem Wurf habe ich gesagt: Entweder breche ich den Weltrekord, oder ich sterbe auf den 1500 Metern.“

* Die letzte Disziplin ist der 1500m-Lauf. Sebrle braucht 4:25,93 min für die 9000 Punkte, seine persönlich­e Bestleistu­ng liegt bei 4:28. Der Ungar Zsivoczky ist der stärkste Läufer im Rennen, er soll Sebrle zum Weltrekord ziehen.

* Sebrle: „Niemand hat mir zugetraut, dass ich so schnell laufen würde. Das hat mir geholfen.“

Zsivoczky: „Sie haben mir gesagt, welches Tempo sie für den Weltrekord brauchen. Im Zehnkampf hilft man einander, also habe ich zugesagt, dass ich die ersten 1200 Meter die Führungsar­beit mache.“

Lerch: „Die Begeisteru­ng im Stadion war unbeschrei­blich.“

* Zsivoczky und Sebrle laufen von Beginn an vorneweg.

* Hug: „Ich war nebst anderen OKMitglied­ern fast nicht in der Lage, genau hinzuhören. Ich habe mich in den ersten zwei Runden kurz auf das WC begeben, obwohl ich gar nicht hätte gehen müssen.“

Zsivoczky: „Sie haben mich um Durchgangs­zeiten von 1:11, 2:22 und 3:33 gebeten – die habe ich fast auf die Sekunde getroffen. Die große Frage war, ob Roman mir folgen konnte.“

*Nach rund 800 Metern fällt Sebrle zurück.

*Sebrle: „600 Meter vor dem Ziel habe ich nicht mehr daran geglaubt.“

Lerch: „Man musste annehmen: Es ist vorbei, Weltrekord ade.“

*Zsivoczky erreicht die 1200-Meter-Marke exakt mit den angepeilte­n 3:33 Minuten, Sebrle hat den Anschluss verloren.

*Sebrle: „300, 400 Meter vor dem Ziel wusste ich, dass ich zwei oder drei Sekunden zu langsam für den Weltrekord war. Ich habe mir gedacht: Jetzt muss ich es versuchen, oder ich schaffe es nie.“

* Sebrle holt auf.

*Lerch: „Man hat gemerkt: Jetzt kämpft der Wille auch die Schmerzen und die Müdigkeit nieder. Die Zuschauer sind alle gestanden, es war ein Höllenlärm.“

Hug: „Die letzten 300 Meter habe ich mir live angeschaut. Es war etwas Unvergleic­hliches, das sich da abgespielt hat.“

Sebrle: „Die letzten 300 Meter waren wirklich hart. Ich habe nicht gewusst, ob ich es schaffe.“

Zsivoczky: „Die letzten 100 Meter waren für uns beide einfach Vollgas.“

*Sebrle überquert die Ziellinie bei 4:21,98 – damit hat er 9026 Punkte. Ein Fan fängt den Weltrekord­ler im Auslauf auf und umarmt ihn, Sebrle hat die Augen weit aufgerisse­n: endloses Glück, vermischt mit endloser Erschöpfun­g.

*Sebrle: „Ich hätte keinen Meter mehr laufen können. Als ich über die Ziellinie kam, habe ich die Zeit gesehen und wusste, dass ich es geschafft habe. Es war ein unglaublic­hes Gefühl.“

Lerch: „Zuschauer lagen sich in den Armen, es gab Tränen noch und nöcher. Es war eine große Glückselig­keit im ganzen Stadion.“

*„Roman Sebrle hat den Himmel berührt“, schrieb die tschechisc­he

Sport über das wohl größte sporthisto­rische Ereignis, das je in Österreich stattfand. Sebrles Rekord hielt bis zum 23. Juni 2012, als ihn Ashton Eaton auf 9039 Punkte schraubte.

➚ Langfassun­g auf derStandar­d.at/Sport

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Roman Sebrles im Ländle aufgestell­ter Fabelweltr­ekord hatte elf Jahre Bestand. Heute arbeitet der im ostböhmisc­hen Lanskroun geborene Tscheche als TV-Anchor und golft.

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