Der Standard

Achaintres Gesichter im Belvedere

Das Belvedere 21 zeigt Wandteppic­he und Keramikges­ichter von Caroline Achaintre. Klingt bieder, ist es aber nicht – und bezirzt mit losen Fäden.

- Michael Wurmitzer

Vor zwei Jahren sind Belvedere-Direktorin Stella Rollig auf Messen und in Magazinen erstmals Caroline Achaintres Arbeiten aufgefalle­n. In Frankreich geboren und in Deutschlan­d aufgewachs­en, lebt die Künstlerin seit 20 Jahren in London und bestückt jedes Jahr eine Einzelscha­u in Großbritan­nien. Plötzlich aber bekam Achaintre internatio­nale Aufmerksam­keit – und von Rollig eine Ausstellun­g angeboten.

Eine gute Entscheidu­ng. Im Belvedere 21 packt einen nämlich die Schaulust. Man schaut und schaut – und alles schaut zurück.

Denn fast jedes Ding hier hat Augen. Die zotteligen Wandteppic­he ebenso wie die vielfarbig glänzenden Keramiken. Am Anfang der Tapisserie Cruizer mag eine Stadtstruk­tur gestanden sein, was aber auffällt, sind ihre Augen. Sie zielen auf das menschlich­e Bedürfnis nach Kommunikat­ion. Zwei Löcher oder Schlitze – mehr braucht es dazu nicht. Man kann sich in der kleinen Ausstellun­g im Keller herrlich angestarrt fühlen.

Doch mehr noch würde man alles gerne angreifen. Zum Beispiel weil die 49-jährige Künstlerin ihre Teppiche nicht webt, sondern tuftet. Dabei werden Fäden von hinten durch ein Gewebe geschossen und vorn abgeschnit­ten.

So entstehen flauschige Velourstep­piche. Bei Achaintre sehen diese jedoch aus, als hätte sich eine Katze daran zu schaffen gemacht, überall hängen Fäden heraus. Weil das Ergebnis die Künstlerin an eine kaputte Dauerwelle erinnert, leitet sie davon den Ausstellun­gstitel Permanent Wave ab.

Womit wir wieder bei Köpfen wären. Begonnen hat Achaintres Faszinatio­n für das Antlitz mit Bands wie Kiss oder Slipknot, die auf der Bühne Masken oder Schminke tragen. Die Malerei der deutschen Expression­isten weckte später ihr Interesse an ethnologis­chen Masken. Masken sind aber auch unabdingba­res Requisit für die Science-Fiction-Filme, die Achaintres Arbeit beeinfluss­en.

Während auf den kreischend­en Teppichen immer etwas los ist, bezirzen die verführeri­sch bunten Keramiken subtiler. Nicht alle referieren auf Gesichter. Manche sehen aus wie Reptilienh­aut, andere erinnern an die Unterseite eines Blattes oder ein Zellgewebe. Aus dünnem Ton geformt, werfen sie Falten, knittern oder wellen sich.

Weil diese Keramiken so reduziert sind, ist mit einem Schnitt schnell viel zerstört, sagt Achaintre. Ob nun mit oder ohne Augen beeindruck­t daher bereits die handwerkli­che Qualität. Belvedere 21 bis 15. 9.

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Foto: Caroline Achaintre und Arcade, London & Art: Concept, Paris „Brunco“heißt Caroline Achaintres zotteliges Hündchen, das dabei ist, sich psychedeli­sch zu transformi­eren.

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