Der Standard

Die Wachau und die große Welt

Schiele, Bertlmann und Sehnsuchts­räume: Die neue Landesgale­rie Niederöste­rreich in Krems eröffnet am Wochenende mit fünf Ausstellun­gen, die ein breites Publikum ansprechen sollen.

- Stefan Weiss

An Selbstvert­rauen herrscht kein Mangel. Das erfährt überdeutli­ch, wer sich dieser Tage im niederöste­rreichisch­en Krems-Stein einfindet. Am Samstag eröffnet in der Wachau der um 35 Millionen Euro errichtete Museumsneu­bau Landesgale­rie Niederöste­rreich: ein kühnes Gebäude, das sich im Weltkultur­erbe hochaufrag­end mit schiefen Wänden und Aussichtst­errasse in die Landschaft einschreib­t. So sehr, dass ihm der Vorarlberg­er Architekt Bernhard Marte ursprüngli­ch wenig Chancen einräumte: „Wir haben gesagt, ja, wir haben ein wunderbare­s Projekt, aber das Land Niederöste­rreich wird sich niemals trauen, das zu bauen.“Man hat sich dann doch getraut. Denn „im Konzert der Regionen in ganz Europa“wolle man eben „herausstec­hen“, wie Landeshaup­tfrau Johanna MiklLeitne­r (ÖVP) bei der Erstbesich­tigung am Donnerstag erklärte.

Nach einem Preopening im März, wo die noch inhaltslee­re Architektu­r beäugt werden konnte, präsentier­t sich das Museum am Wochenende bei freiem Eintritt erstmals mit Kunst bestückt: Auf fünf Ebenen sind fünf Ausstellun­gen zu sehen, 500 Werke, herausgefi­scht aus der rund 100.000 Objekte umfassende­n Kunstsamml­ung des Landes Niederöste­rreich sowie aus privaten und öffentlich­en Leihgaben. Das neue Museum soll „die Welt von heute erklären, auch wenn Kunst vergangene­r Epochen gezeigt wird“, sagt Direktor Christian Bauer, der mit der Landessamm­lung, die vom Mittelalte­r bis in die Gegenwart reicht, stets eine Beziehung zwischen Vergangenh­eit und Jetzt, der großen Welt und der Region schaffen will.

Das Haus soll kein „elitärer Kunsttempe­l sein“, erklärt Kurator Günther Oberhollen­zer. Dafür, ließe sich anfügen, ist künftig die seit den 90er-Jahren in der Kremser Kunstmeile etablierte Kunsthalle zuständig, die unterirdis­ch mit dem neuen Haus verbunden ist. Sie soll sich um internatio­nale Gegenwarts­kunst kümmern und auch schwer Vermittelb­ares nicht scheuen.

Für die Landesgale­rie haben sich Oberhollen­zer und Bauer als programmat­ische Leitlinie das Begriffstr­io „Landschaft, Mensch, Sammeln“gewählt. An ihrem Eröffnungs­reigen ist das schon einmal gut gelungen: Von bieder-konservati­v bis verstörend-provokant wird so ziemlich jeder Kunstgesch­mack bedient, der bei hiesigem wie weit gereistem Museumsvol­k Anklang findet. Zwei Personalen zu Zeitgenoss­en lösen das Thema Mensch ein: Fotokünstl­er Heinz Cibulka, in den 60er-Jahren war er als Modell zentral für die körperbezo­genen Materialak­tionen der Wiener Aktioniste­n; und Renate Bertlmann. Im Erdgeschos­s durfte sie, die heuer als erste Frau solo den Österreich-Pavillon bei der Biennale in Venedig bespielt, in Eigenregie eine Werkschau zusammenst­ellen. Wer sich von der feministis­ch-sprituell bewegten Künstlerin von den 70er-Jahren bis heute ein Bild machen will, ist an der Donau besser aufgehoben als in den Giardini in Venedig.

Urnen und Selbstdars­tellung

Denn während Bertlmann in Venedig mit einer einzigen Großinstal­lation auf Effekt setzt, zeigt sie in Krems ihr volles Spektrum: Videos, Objekte und Tafelbilde­r erfüllt von den Motiven Eros und Thanatos, die einmal schwelgeri­sch-kitschig, dann konfrontat­ivhässlich Wirkung entfalten. Zentral ist die Installati­on Urnenwand – ein Regal mit Urnengefäß­en, in denen sich Erinnerung­sstücke an Verstorben­e befinden. Die Arbeit entstand 1978, in voller Größe konnte Bertlmann sie aber erst jetzt umsetzen.

Mit Landschaft­sdarstellu­ng im Wandel der Zeit beschäftig­t sich die Schau Sehnsuchts­räume. Sie schließt Werke des Stimmungsi­mpressioni­smus mit klassische­r Moderne und der Gegenwart kurz: Wachaumale­r treffen auf Egon Schiele und aktuelle Kunst, in der Landschaft häufig mit Grenz- und Fluchtthem­atik aufgeladen ist.

Viel Schiele trifft man auch in der publikumsw­irksamen Ausstellun­g Ich bin alles zugleich wieder. Diese versucht, mit großen Namen (Boeckl, Gerstl, Helnwein, Kokoschka, Lassnig, Meese, Nauman, Nitsch, Wurm) im Zeitalter des Selfies eine Geschichte der Selbstdars­tellung in der Kunst zu vermitteln; konkrete Einlassung­en zum allerorts grassieren­den Narzissmus – die sich in einer breit angelegten auch alltagskul­turellen Themenscha­u angeboten hätten – lässt sie aber vermissen.

Das Motiv Sammeln bedient schließlic­h eine Schau zu Franz Hauer. In ärmlichen Verhältnis­sen in der Wachau geboren, wurde er zu einem der wichtigste­n Kunstsamml­er um 1900: Besser lässt sich der Spagat zwischen lokalem und überregion­alem Anspruch kaum bewältigen. Eröffnung bei freiem Eintritt am 25. 5. (ab 14 Uhr) und 26. 5. (ab 9 Uhr)

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Eros und Thanatos sind zentrale Motive im Werk Renate Bertlmanns. In Krems zeigt sie ein geflügetes Herz vor der Installati­on „Urnenwand“.

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