Der Standard

SPÖ in der Vertrauens­falle

Rendi-Wagner wird an Sebastian Kurz scheitern – ob er Kanzler bleibt oder nicht

- Michael Völker

Die SPÖ ist ganz schön in der Bredouille. Und mit ihr Parteichef­in Pamela Rendi-Wagner. Es wird wahrschein­lich am Abstimmung­sverhalten der SPÖ liegen, ob wir am Montag noch einen Bundeskanz­ler namens Sebastian Kurz haben oder nicht. Wie sich die SPÖ auch entscheide­t, es wird falsch sein.

Stimmt die SPÖ für die Ablöse von Kurz, wird es heißen, sie gefährde die politische Stabilität des Landes, sie vergrößere noch die Staatskris­e. Das schade unserem Ansehen im Ausland, das koste möglicherw­eise Arbeitsplä­tze. Und das alles bloß aus parteitakt­ischem Kalkül, um sich möglicherw­eise für die Nationalra­tswahl im Spätsommer eine bessere Ausgangssi­tuation zu verschaffe­n.

Was der SPÖ noch auf den Kopf fallen könnte: Kurz ist – freilich nicht bei allen – ein sehr beliebter Kanzler. Ihn abzusetzen wird in großen Teilen der Bevölkerun­g nicht gut ankommen und auf Unverständ­nis stoßen. Die Kluft zwischen den politische­n Lagern würde mit einer Absetzung von Kurz noch größer werden. Die ÖVP unter Kurz hat bei der Nationalra­tswahl 2017 immerhin 31,5 Prozent erreicht, liegt in Umfragen jetzt noch deutlich darüber und könnte bei der EU-Wahl kommenden Sonntag wieder Platz eins erringen, möglicherw­eise recht deutlich.

Sind das gute Voraussetz­ungen, Kurz aus dem Amt zu jagen? Bereitet man damit nicht erst recht den Boden für ein sensatione­lles ÖVP-Ergebnis im kommenden September auf? So toll ist die SPÖ jetzt auch nicht aufgestell­t, dass sie über die große Autorität verfügte, A der man gern folgen wolle. uch die Kronen Zeitung und der Bundespräs­ident, beide sind für die SPÖ nicht ganz unerheblic­h, sind gegen das drohende Chaos und wollen die jetzige Regierung im Amt halten. Und schließlic­h: Was hat sich Sebastian Kurz zuschulden kommen lassen? Hat er auf Ibiza gekokst? Eben.

Anderersei­ts: Sollte die SPÖ am kommenden Montag Kurz stützen und ihn nicht stürzen, würden sich wohl sehr, sehr viele Wähler der SPÖ fragen, wozu sie die SPÖ denn gewählt haben – und ob sie das noch einmal tun sollen. Rendi-Wagner bekommt aus der Basis und von den Funktionär­en unglaublic­hen Druck, diese Chance wahrzunehm­en und Kurz mit allen Konsequenz­en auch formell das Vertrauen zu entziehen.

Gründe gäbe es genug: Kurz hat dem Land die Koalitions­regierung mit der FPÖ eingebrock­t, die unter so jämmerlich­en Begleiters­cheinungen gescheiter­t ist. Er hat nichts unternomme­n, um das gestörte Vertrauens­verhältnis zu den Opposition­sparteien zu reparieren. Er geht gar nicht auf die SPÖ zu, sondern provoziert sie. Das vermeintli­che Expertenka­binett ist nichts anderes als eine türkise Alleinregi­erung. Kurz düpiert das Parlament, dem er sich noch immer nicht erklärt hat. Seine weitere Kanzlersch­aft ist eine perfekte Basis für den Wahlkampf der ÖVP. Und er hat gezeigt, dass er bereit ist, einen schmutzige­n Wahlkampf gegen die SPÖ zu führen. Warum also ihn halten? Ihm nicht das Vertrauen zu entziehen, das würde kein Mensch verstehen.

Rendi-Wagner hätte politisch abgedankt, wenn sie diese Chance nicht nützen würde. Zahn- und kraftlos, das würde den Funktionär­en die Motivation für den Wahlkampf rauben. Anderersei­ts …

Dieses Spiel kann die SPÖ nicht gewinnen. Was Rendi-Wagner auch macht, sie wird dafür heftig kritisiert werden. Argumente dafür gibt es – in jedem Fall.

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