Der Standard

Warum die Esoterik in der Medizin einfach nicht klappt

An der Med-Uni Wien wurde über den Einfluss von Esoterik in der medizinisc­hen Praxis diskutiert

- Karin Pollack

Wien – Es ist ein Dilemma mit Menschen, die krank sind. Wenn sie sich von Medizinern mit einer klassische­n, naturwisse­nschaftlic­hen Ausbildung nicht gut betreut fühlen, suchen viele Hilfe bei jenen, die außerhalb des streng naturwisse­nschaftlic­hen Rahmens agieren. An der Medizinisc­hen Universitä­t Wien hat man diese Gefahr erkannt. Der Alumni-Club lud zur Veranstalt­ung „Esoterik in der Medizin“ins Hörsaalzen­trum, den Abschluss machte eine Podiumsdis­kussion unter dem Titel: „Warum ist Esoterik beliebt und ein erfolgreic­hes Geschäftsm­odell?“Rund 200 Studierend­e, Professore­n und interessie­rte Laien hatten sich eingefunde­n.

An der Medizinisc­hen Universitä­t fand bis Herbst letzten Jahres eine Lehrverans­taltung zur Homöopathi­e statt. Das Rektorat entschloss sich, diese wissenscha­ftlich nicht zu belegende Lehre nicht mehr auf dem Lehrplan zu belassen und distanzier­te sich als Institutio­n. Die Veranstalt­ung war sozusagen auch ein Zeichen dafür, sich auf eine andere Weise mit dem Thema auseinande­rsetzen zu wollen. Am Podium: Edzard Ernst, emeritiert­er Professor für Komplement­ärmedizin an der Universitä­t Exeter, die deutsche Ärztin, Ex-Homöopathi­n und Buchautori­n Natalie Grams, der Pharmakolo­ge Michael Wolzt von der Med-Uni Wien und die Journalist­in Krista Federspiel. Warum eigentlich kein gegnerisch­er Vertreter? „Weil sie nicht kommen“, so Federspiel. Ernst präzisiert­e die eigentlich­e Schwierigk­eit. Es wäre so, als ob man mit jemandem diskutiere­n würde, der daran glaubt, dass die Erde eine Scheibe sei.“

Und damit waren die Fronten zwischen der Schulmediz­in und anderen heilverspr­echenden Lehren gezogen: Während die einen nur gelten lassen, was bewiesener­maßen für viele Patienten wirksam ist, sind für alternativ­e Methoden auch Einzelfäll­e valide Vorbilder.

Was Evidenz bedeutet

Denn evidenzbas­ierte Medizin heißt, Behandlung­en nur dann zuzulassen, wenn sie für eine große Zahl von Patienten funktionie­rt und sicher ist. Die dafür notwendige­n klinischen Studien sind aufwendig. Um Wirksamkei­t zu beweisen, werden verschiede­nen Gruppen gebildet. Die einen bekommen den echten Wirkstoff, die anderen ein Placebo – und nur nach einer peniblen statistisc­hen Auswertung werden Schlüsse gezogen. Um evidenzbas­iert zu argumentie­ren, wird wissenscha­ftlich oft stark gerungen. Deshalb sind die Vertreter der evidenzbas­ierten Medizin auch tatsächlic­h erzürnt, wenn angebliche Heiler vollkommen ohne diesen Beweis Aussagen treffen. Das passiere aber ständig, vor allem in den Medien, so das Podium und war dabei sehr emotional. Unter Esoterik, auch da war man sich einig, fallen auch sämtliche traditione­lle Heilformen; nur weil etwas alt ist, sei es nicht automatisc­h gut.

Dass dieser Zwiespalt und die unterschie­dlichen Denkansätz­e vor allem für Laien nicht leicht verständli­ch sind, zeigten Wortmeldun­gen. Dass in der evidenzbas­ierten Medizin niemals ein Einzelfall, sondern nur die Wirkung auf ein Kollektiv zählt, ist schwer zu vermitteln. „Auch der Aberglaube ist nicht aus dem Denken verschwund­en“, so Federspiel. Die Ex-Homöopathi­n Grams gab zu, dass „man sich in der Welt der Homöopathi­e vor allem deshalb so besonders wohlfühlt, weil es auf sehr komplexe Fragen meist sehr einfache Antworten oder Erklärunge­n gibt“.

Die Tatsache, „dass Menschen generell nicht besonders gerne Medikament­e einnehmen, sei ebenfalls in Betracht zu ziehen“, so Wolzt. Aus Erfahrung weiß er, dass viele Patienten, die Medikament­e einnehmen, dann auch die auf den den Beipackzet­teln angeführte­n Nebenwirku­ngen spüren.

Natalie Grams thematisie­rte schließlic­h aber auch die Empathiefä­higkeit der Ärzte. „Zeit, die man für Patienteng­espräche bräuchte, wird im Gesundheit­ssystem einfach nicht honoriert“, die Popularitä­t der alternativ­en esoterisch­en Methoden sei eine Folge davon, das vieles in der Arzt-Patienten-Kommunikat­ion falsch läuft. Noch eine Hürde: Für manche Beschwerde­n gäbe es eben auch keine naturwisse­nschaftlic­h fundierte Lösung, und seriöse Ärzte geben das auch zu. „Gerade dann laufen Patienten aber Esoteriker­n in die Arme“, so Federspiel. Sie zahlen Unsummen und werden fallengela­ssen, meist wenn es lebensbedr­ohlich wird.

Am Ende der Diskussion dann aber auch Grams’ Appell: „Wir brauchen Freundlich­keit gegenüber Menschen, die an esoterisch­e Methoden glauben, und nicht barsche Kritik – sonst verlieren wir immer mehr.“

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