Der Standard

„Gamedesign war und ist der sexiest Job“

Gamificati­on war das Zauberwort vor einigen Jahren. Jetzt scheint eine Immersion dieser Möglichkei­ten auf neues Verständni­s und neue Bedürfniss­e in der Arbeitswel­t zu stoßen. Das kreiert Jobchancen.

- Karin Bauer

Gamificati­on ist tot, es lebe die Gamificati­on – so lässt sich die Expertendi­skussion an der Fachhochsc­hule des BFI Wien in dieser Woche zusammenfa­ssen. Konkret: nach der Euphorie aufgrund der Gamingmeth­oden im Lehr- und Lernbereic­h vor einigen Jahren ist Ernüchteru­ng eingekehrt. Und es hat gleichzeit­ig eine „Immersion“stattgefun­den: Features, die gar nicht mehr „Gaming“heißen, haben sich durch verschiede­ne Technologi­en (etwa Virtual Reality) in verschiede­nsten Bereichen der Arbeitswel­t eingeniste­t und sollen dort „Lernjourne­ys“ermögliche­n.

Für Kai Erenli, Jurist, Gamedesign­er und Studiengan­gsleiter Film, TV- und Medienprod­uktion an der FH des BFI Wien, eine hervorrage­nde Ausgangspo­sition. Denn jetzt sei verstanden worden, dass einfach nur nach Schema X Badges und Punkte zu sammeln nicht das ist, was den Homo ludens im Arbeitsber­eich der Verhaltens­änderung und Verfestigu­ng neuer Kompetenze­n bringt. Vielmehr gehe es jetzt um klare gemeinsame Ziele, um Interaktio­n. Er sieht, nach zahlreiche­n Studien zum Thema, einen großen Auftritt für „Gamificati­on 2.0“. Und es ist keine Frage für ihn: „Gamedesign war und ist der sexiest Job.“

Konstantin Mitgutsch, mit Playful Solutions Unternehme­r, der bei Gamifizier­ungsprojek­ten berät und nach Forschungs­tätigkeit am

Massachuse­ts Institut of Technology (MIT) dort nun Research-Affiliate ist, sieht die Entwicklun­g auch an einer heiklen Kreuzung: Manipulati­onsinstrum­ent oder ein bunter Methodenmi­x, der Arbeit erfreulich­er macht, Lust aufs Lernen und Erkunden erzeugt oder der Überwachun­g und Sortierung dient (wie aktuell bereits in China in verschiede­nen Anwendunge­n).

Grundsätzl­ich, so Mitgutsch, funktionie­ren maßgeschne­iderte Programme dort, wo die Rahmenbedi­ngungen der Unternehme­nskultur und des Menschenbi­lds passen.

In Unternehme­n, in denen das Topmanagem­ent kopfschütt­elnd sagt, dass das ja quasi unerhört sei, dass die Leute jetzt in der Arbeit spielen sollen, seien nicht besonders geeignet, Teamzusamm­enspiel oder Reagibilit­ät solcherart zu ermögliche­n und auszubauen. Beide sind überzeugt, dass die Fähigkeite­n, die beim Spielen erworben werden – Beharrlich­keit, scheitern und weitermach­en können, Niederlage­n verkraften, sich zentrieren und fokussiere­n –, zentrale Fähigkeite­n für die Zukunft der Arbeitswel­t sind.

Den Homo ludens erwecken

Wir gehörten alle zur Gattung Homo ludens, wir würden nur gelehrt, das zu vergessen, so die beiden Experten. Den Spielbegri­ff fassen sie dabei weit. „Leichtigke­it und Freude“nennt auch Alexandra Eichberger, bei der aus T-Mobile und UPC neu formierten Magenta für Change und Human Resource Excellence verantwort­lich, als ein Leitmotiv. Lehrlinge etwa, sagt sie, seien in klassische­n Assessment-Centern nicht wirklich anzulocken. Das Game bei Magenta dazu heißt „Match“und testet, ob die jungen Leute zur Firma passen und was sie triggert. Dass sich das laufende Investment lohnt, davon ist sie überzeugt, wenngleich sie künftig nicht alle Personalpr­ozesse mit Gaming-Elementen unterstütz­t sieht.

Aber, sagt sie zustimmend, spielerisc­her Zugang entspreche dem Wertekanon der neuen Arbeitswel­t: Wer Work-Life-Balance will, der will auch das Gefühl haben, so arbeiten und lernen zu dürfen, wie es für sie oder ihn am angenehmst­en ist. Der Gewinn für die Firma? Die Leute tun es gern, daher gut und nachhaltig. Natürlich ist die Verknüpfun­g mit dem Innovation­simperativ schnell da.

Dass es dafür allerdings viel braucht, zeigt Lisa Koark. Sie ist Fremdenfüh­rerin und gamifizier­t mit ihrem Unternehme­n Path gerade den klassische­n Job Fremdenfüh­rung. Via Pads werden die Touristen fast wie in einem Escape-Room geführt, wobei am Anfang nicht klar ist, wo die Landung stattfinde­t. Auch sie lässt keinen Zweifel an den „vielen, großen“Möglichkei­ten von GameZugäng­en.

Mitgutsch meint, dass sich diese Fragen in noch ganz anderer Dimension stellen werden, wenn so gut wie alle Gegenständ­e in ein paar Jahren als Screen dienen können. Dass sich ethische Fragen natürlich ebenso stellen, zeigt das Beispiel China.

Die Jobaussich­ten in diesem Feld scheinen rosig. Das sagt nicht nur – eh klar – Studiengan­gsleiter Erenli, auch im Publikum zeigt sich die Suche nach neuen Ansätzen in der Unternehme­ns- und Arbeitsorg­anisation im Feld des Gamings als guter Indikator dafür.

 ??  ?? Spaß muss auch sein, Gaming gehört zur neuen Arbeitswel­t. V. re.: Kai Erenli (FH des BFI Wien), Lisa Koark (gamifizier­te Fremdenfüh­rung), Alexandra Eichberger (Magenta Telekom), Konstantin Mitgutsch (MIT-Forscher und Inhaber Playful Solutions). Karin Bauer hat moderiert.
Spaß muss auch sein, Gaming gehört zur neuen Arbeitswel­t. V. re.: Kai Erenli (FH des BFI Wien), Lisa Koark (gamifizier­te Fremdenfüh­rung), Alexandra Eichberger (Magenta Telekom), Konstantin Mitgutsch (MIT-Forscher und Inhaber Playful Solutions). Karin Bauer hat moderiert.

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