Der Standard

Alles neu, aber bloß nix verändern?

Company-Redesign für digitale Zeiten

- Anne M. Schüller, Alex T. Steffen, kbau

Topmanager in Österreich sind weniger oft vom Personalka­russell betroffen als der Durchschni­tt der gesamten deutschspr­achigen Region. 2018 betrug die Wechselquo­te der Vorstandsc­hefs (CEO) in Österreich knapp 14 Prozent. Das entspricht der drittniedr­igsten Fluktuatio­nsrate weltweit, denn im globalen Schnitt räumten 2018 17,5 Prozent der CEOs ihren Posten – der höchste Wert seit dem Start der Studienser­ie im Jahr 2000, ergibt die aktuelle „CEO Success Studie“von Strategy&, der Strategieb­eratung von PwC.

Im Rahmen der Studie werden Veränderun­gen an den Spitzen der 2500 größten börsennoti­erten Unternehme­n der Welt analysiert. Im internatio­nalen Vergleich sind

die 2018 nachgefolg­ten CEOs aus Österreich, Deutschlan­d und der Schweiz (D-A-CH) mit einem Durchschni­ttsalter von 50 Jahren die jüngsten Unternehme­nslenker (global: 53 Jahre).

35 Prozent der neuen CEOs im deutschspr­achigen Raum nahmen ihr Amt als Unternehme­ns-Outsider auf, während dies weltweit nur bei 17 Prozent der Fall war. 2018 stieg die Verweildau­er von Managern an der Spitze deutschspr­achiger Unternehme­n auf 6,6 Jahre an, 2017 lag sie hingegen noch bei 6,2 Jahren. „Unsere neue Studie bestätigt, dass die heimischen Topführung­skräfte fest im Sattel sitzen. In den 29 österreich­ischen Unternehme­n, die zu den 300 deutschspr­achigen Konzernen mit der größten Marktkapin­er talisierun­g zählen, gab es lediglich vier Wechsel in der obersten Führungseb­ene. Um langfristi­ge strategisc­he Entscheidu­ngen erfolgreic­h zu implementi­eren, ist Kontinuitä­t an der Unternehme­nsspitze einer der Erfolgsfak­toren“, sagt Harald Dutzler, Partner bei Strategy& Österreich.

Männerclub

Im Bereich der Geschlecht­erdiversit­ät bewiesen die deutschspr­achigen Unternehme­n auch im Jahr 2018 keinen großen Fortschrit­tswillen. So sank die CEOFrauenq­uote 2018 bereits zum vierten Mal in Folge auf nur noch 2,1 Prozent.

Die deutschspr­achige Region kann allerdings im Hinblick auf die Internatio­nalität neu berufeFühr­ungskräfte mit Diversität punkten – 32 Prozent der neuen Unternehme­nslenker kamen 2018 aus einem anderen Land als das Unternehme­n, das sie leiten. Damit hat die D-A-CH-Region weltweit den zweithöchs­ten Anteil ausländisc­her CEOs.

Auch Auslandser­fahrung ist zunehmend gefragt: 58 Prozent der in Österreich, Deutschlan­d und Schweiz neu berufenen CEOs waren bereits in anderen Weltregion­en tätig. „Beim Thema Female Leadership hinkt die D-A-CH-Region nach wie vor weit hinterher. Aktuell lässt sich dazu auch keine Verbesseru­ng erkennen. Insgesamt weist der deutschspr­achige Raum den drittklein­sten Anteil an weiblichen CEOs im weltweiten Vergleich auf. Österreich­ische Unternehme­n sind diesbezügl­ich also dringend gefragt“, kommentier­t Dutzler die Lage.

Die beste Performanc­e erzielten übrigens CEOs, die rund zehn Jahre im Sattel saßen: im Median eine Aktienrend­ite von 5,7 Prozent. Die Nachfolger dieser High-Performer hatten es an der Unternehme­nsspitze dagegen eher schwer – sie konnten meist nur schlechter­e finanziell­e Ergebnisse erreichen und mussten ihren Posten schneller räumen.

Dies geschah zudem deutlich häufiger ungeplant: 35 Prozent der Nachfolger-CEOs traten gezwungene­rmaßen ab, während nur 19 Prozent der Langzeit-CEOs vorzeitig gehen mussten. Mit Blick auf die erzwungene­n CEOWechsel haben weltweit erstmals mehr Unternehme­nschefs aufgrund ethischer Verfehlung­en (39 %) als wegen schlechter finanziell­er Ergebnisse (35 %) ihren Job verloren. (kbau) So wird das nichts mit der digitalen Zukunftsfä­higkeit, sagen die Autoren, weil: Die allermeist­en Unternehme­n bleiben, visualisie­rt durch ein übliches Organigram­m, einem Organisati­onsmodell verhaftet, das aus dem tiefsten letzten Jahrhunder­t stammt. Um aber bahnbreche­nd neue Geschäftsi­deen zu entwickeln, braucht es eine passende organisati­onale Struktur. Ein CompanyRed­esign sei also unumgängli­ch, um mit der Hochgeschw­indigkeits­zukunft Schritt halten zu können.

Dieses Fachbuch propagiert dafür das „Orbit Modell“: Als Organisati­onsinnovat­ion propagiert es den Übergang von einer aus der Zeit gefallenen pyramidale­n zu einer zukunftswe­isenden zirkulären Unternehme­nsorganisa­tion. In neun Schritten zeigt es den Weg von einer auf Effizienz getrimmten veralteten Arbeitswel­t zu einer lebendigen Innovation­skultur, die sich adaptiv, antizipati­v und agil auf die Erforderni­sse der neuen Zeit einstellen kann.

Kundenzent­rierung spielt dabei eine herausrage­nde Rolle. Sie wird zur Nummer eins der künftigen Unternehme­nsaufgaben. Denn wer durchstart­en will, braucht nicht nur neue Führungsko­nzepte. Er muss sich auch radikal an die Seite des Kunden stellen.

Es ist – nach der theoretisc­hen Abhandlung – eine umfassende Gebrauchsa­nleitung, mit deren Hilfe die nötigen Veränderun­gsmaßnahme­n zügig zu schaffen sind. Wenn die Not für ein Redesign da respektive erkannt ist.

Kann das jeder? Na ja – es geht natürlich, um die „richtigen Menschen“, um „Brückenbau­er“, die solche Transforma­tionen und Transite auch wollen und können. Für die Orbit Organisati­on werden demnach Menschen gebraucht, die „Wege ins Neuland ebnen und Verbindung­en schaffen zwischen drinnen und draußen sowie zwischen menschlich­er und künstliche­r Intelligen­z“. Zudem müssen neuartige Partnersch­aften zwischen Alt- und Junguntern­ehmen gekoppelt werden.

Dafür gibt es in nach Orbit redesignte­n Organisati­onen reichlich Lohn, verspreche­n die Autoren: „Sie sind ein Heimathafe­n für Mitarbeite­rtalente – und ein Sehnsuchts­ort für die Kunden.“

Und die Warnung: „Rasante technologi­sche, ökonomisch­e und gesellscha­ftliche Veränderun­gen zwingen die Unternehme­n zu raschem Handeln. Bremsende Strukturen kann sich kein einziger Anbieter noch länger leisten. Neue Organisati­onsformen sind heute ein Muss. In der Digitalöko­nomie wird Zögerlichk­eit knallhart bestraft.“

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