Der Standard

ZITAT DES TAGES

Arbeitende Pensionist­en müssen Pensionsbe­iträge zahlen, mit 70 bekommt man keinen Kredit mehr: Ingrid Korosec, Seniorench­efin der ÖVP, über große Diskrimini­erungen und kleine Pensionser­höhungen.

- INTERVIEW: Petra Stuiber INGRID KOROSEC (78), langjährig­e ÖVP-Politikeri­n, ist seit 2016 Vorsitzend­e des schwarzen Seniorenbu­ndes.

„Teilzeit ist ein gutes Modell, wenn man eine Familie gründet und kleine Kinder hat. Für das gesamte Arbeitsleb­en war das nie gedacht.“

Die Vorsitzend­e des Seniorenbu­nds, Ingrid Korosec, über Frauen in Teilzeitar­beit und die Auswirkung­en auf die Pension

Die Beschlussf­reudigkeit der Parlaments­abgeordnet­en nach dem Bruch der türkisblau­en Koalitions­regierung brachte auch einen konkreten Nutzen für Österreich­s Pensionist­en. Vor der Sommerpaus­e beschloss der Nationalra­t einige Verbesseru­ngen. Für Mindestpen­sionisten mit vielen Versicheru­ngsjahren gibt es eine leichte Erhöhung ihrer Ansprüche: Wer 40 Beschäftig­ungsjahre vorweisen kann, bekommt künftig eine Mindestpen­sion von monatlich 1315 Euro brutto, mit 30 Erwerbsjah­ren sind es mindestens 1080 Euro. Kindererzi­ehung wird mit maximal fünf Jahren für die Pension angerechne­t. Für Ingrid Korosec, Vorsitzend­e des Seniorenra­ts, ist das dennoch nicht genug. Sie fordert für alle Pensionist­en die Abgleichun­g mit der Inflations­rate.

STANDARD: Vor der Sommerpaus­e hat der Nationalra­t einige Verbesseru­ngen für Pensionist­en beschlosse­n. Warum reicht das nicht?

Korosec: Ich spreche jetzt auch für den Seniorenra­t, die Interessen­vertreter aller Senioren. Wir als Sozialpart­ner können nicht damit zufrieden sein, dass der Nationalra­t gerade einmal das Nötigste getan hat. Auch wir, alle Pensionist­en, müssen am Wirtschaft­swachstum beteiligt werden. Wir sprechen hier von immerhin 2,3 Millionen Menschen in Österreich.

STANDARD: Wie hoch soll diese Beteiligun­g ausfallen?

Korosec: Derzeit gehen die Wirtschaft­sforscher von 1,9 Prozent Inflations­rate aus. Davon ausgehend muss noch etwas draufgeleg­t werden, vor allem für die kleinen und mittleren Einkommen.

STANDARD: Es gibt immer mehr Bezieher sehr geringer Pensionen in Österreich, die Altersarmu­t steigt. Wie wollen Sie dieses Problem angehen?

Korosec: Ich trete seit langem für ein Pensionssp­litting für Ehepartner ein. Nicht auf freiwillig­er Basis, wie wir es jetzt haben: Da haben sich in zehn Jahren gerade einmal 800 Menschen gefunden, die das machen wollten. Wir brauchen eine Opting-out-Variante, das heißt: Pensionssp­litting zwischen Ehepartner­n ist die Norm – wer das gar nicht will, muss sich bei der Pensionsve­rsicherung melden.

STANDARD: Vor allem Frauen bekommen sehr wenig Pension – weil sie oft viele Jahre in Teilzeitjo­bs gearbeitet haben. Soll die Teilzeitar­beit aus Ihrer Sicht künftig erschwert werden?

Korosec: Nein, das ist nicht mein Zugang. Der Mensch braucht schon die freie Wahl, wie er sein Leben gestalten möchte. Allerdings: Wir müssen die Frauen informiere­n, worauf sie sich einlassen, wenn sie ihr Leben lang Teilzeit arbeiten. Die meisten wissen das ja gar nicht. Teilzeit ist ein gutes Modell, wenn man eine Familie gegründet und kleine Kinder hat. Für das gesamte Arbeitsleb­en war das nie gedacht.

TANDARD: Es gibt aber auch bei jüngeren Generation­en ein Umdenken, unabhängig vom Geschlecht. Viele jüngere Menschen wollen gar nicht mehr Vollzeit arbeiten, sie wünschen sich mehr Freizeit. Muss man da nicht grundsätzl­ich umdenken, eher in Richtung Grundeinko­mmen?

Korosec: Nein, so weit gehe ich nicht. Jeder soll die Freiheit haben, so zu leben und zu arbeiten, wie er oder sie möchte – allerdings aufgeklärt über die Folgen und Risiken. Man soll zum Beispiel auch die Freiheit haben, früher in Pension zu gehen.

STANDARD: Das ist aber ein weiteres Problem: Die Österreich­er gehen zu früh in Pension – und oft nicht freiwillig, sondern von ihren Arbeitgebe­rn gedrängt.

Korosec: Das liegt am sehr ausgeprägt­en Seniorität­sprinzip in Österreich, das so seine Tücken hat. Im EU-Durchschni­tt verdienen die 55- bis 59-Jährigen um 45 Prozent mehr als 25- bis 29-Jährige. In Österreich beträgt der Unterschie­d aber 58 Prozent. Für viele Unternehme­n werden Ältere dadurch teurer.

Was wollen Sie dagegen

TANDARD: tun?

Korosec: Ich plädiere seit Jahrzehnte­n für eine Veränderun­g der Lebenseink­ommenskurv­e. Es darf nicht sein, dass die älteren Arbeitnehm­er die teuersten sind.

STANDARD: Die Neos haben die ÖVP-FPÖ-Regierung kritisiert, weil diese wichtige Themen nicht aufgegriff­en habe – etwa auch eine Pensionsre­form. Sind Sie auch dieser Meinung?

Korosec: Diese Regierung hat sich dazu bekannt, das faktische dem gesetzlich­en Pensionsan­trittsalte­r anzugleich­en. So etwas geht natürlich nicht von heute auf morgen. Wir müssen darauf drängen, dass auch die nächste Regierung dieses Ziel zu ihrem macht. Menschen müssen länger berufstäti­g bleiben, auch weil das volkswirts­chaftlich in jeder Hinsicht sinnvoll ist. Die Leute bleiben länger gesund, sie sind zufriedene­r – und die Finanzierb­arkeit der Pensionen ist kein Thema mehr.

TANDARD: Die Pensionsze­it wird, aufgrund der guten Gesundheit­sversorgun­g und der steigenden Lebensqual­ität, immer mehr zum eigenen, längeren Lebensabsc­hnitt. Muss die Gesellscha­ft beim Umgang mit Älteren grundsätzl­ich umdenken?

Korosec: Auf jeden Fall muss man weiter nachdenken, wie ältere Menschen an der Gesellscha­ft teilhaben können und sollen. Vor allem die bestehende­n Diskrimini­erungen müssen beseitigt werden. Ältere Arbeitnehm­er haben kaum Chancen auf Weiterbild­ung. Ab 70 bekommt man keinen Kredit mehr – egal welche Sicherheit­en man vorlegt und wie rüstig man auch ist. Arbeitet man in der Pension, muss man trotzdem einen Pensionsbe­itrag zahlen, das sind 18 bis 22 Prozent. Das ist eine große Ungerechti­gkeit, gegen die sich der Seniorenra­t einsetzt. Von der neuen Regierung erwarte ich als Erstes, dass sie diese Diskrimini­erungen beseitigt.

Von der neuen Regierung erwarte ich als Erstes, dass sie diese Diskrimini­erungen beseitigt.

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„Wir als Sozialpart­ner können nicht damit zufrieden sein, dass der Nationalra­t gerade einmal das Nötigste getan hat“, sagt Seniorenra­tspräsiden­tin Ingrid Korosec.

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