Ab 2021 mehr Sprachautonomie für das Elsass
Regionalinitiative von Zentralisten kritisiert
In Frankreich führen alle Straßen nach Paris; und im Denken der politischen Elite dort gibt es kaum Platz für Regionalpolitisches – schon gar nicht für die 1,9 Millionen Elsässer mit ihrem alemannischen Dialekt, die gegen die Zugehörigkeit zur neu geschaffenen Region „Grand Est“protestierten. Es zahlte sich aus: Präsident Emmanuel Macron ließ sich auf Verhandlungen ein, und nun wurde ein Kompromiss abgesegnet: Das Parlament hat der Neubildung eines elsässischen Einheitsgremiums zugestimmt. Es entsteht am 1. Jänner 2021 und erhält den – an sich unnötigen – Zusatz „europäisch“: „Collectivité européenne d’Alsace“.
Das Ringen war sehr grundsätzlich und hitzig, wie einige Episoden der Parlamentsdebatte zeigten. Einmal wandten sich Abgeordnete des Départements BasRhin auf Elsässisch an regionale Kollegen; ein anderes Mal stimmte einer gar das Volkslied D’r Hans im Schnokeloch an.
Manche Abgeordnete hielt es nicht mehr auf ihrem Platz: „Sie zerstören die Republik!“, rief einer – und ein anderer warnte, dass nach den Elsässern bald auch die Nordfranzosen ein eigenes Autonomiebegehren stellen würden. Das neue Elsass-Statut wurde dennoch klar angenommen.
Inhaltlich stellt es keine Revolution dar. Denn neben der „Europäischen Körperschaft Elsass“existieren die beiden Départements Hoch- und Niederrhein weiterhin. Die Pariser Zentralgewalt wahrt damit mehr als nur die administrative Form. Zugleich schafft das neue Elsass-Gremium aber beträchtliche Lokalkompetenzen, etwa beim Verkehr. Außerdem gibt es in Zukunft „einen fakultativen Sprach- und Regionalkultur-Unterricht“. Er gilt für die „ganze Schulzeit“, nicht nur für die Volksschule.
Wirtschaftlich wichtig ist die neue Kompetenz des „Europagebietes Elsass“, mit den Nachbarn Basel (Schweiz) und Baden-Württemberg (Deutschland) grenzüberschreitende Kooperationen einzugehen. An die Stelle des womöglich schon bald stillgelegten Atomkraftwerkes Fessenheim am Rheinufer will die Region etwa eine Forschungs- und Entwicklungszone errichten.
Thema Schulunterricht
Das Elsass schafft zudem ein „Strategiekomitee für den Unterricht der deutschen Sprache im Elsass“– mit dem Fernziel, dass die jungen Elsässer zweisprachig aufwachsen. Dieser zusätzliche Deutschunterricht sorgt weit über das Elsass hinaus für Diskussionen, was angesichts der deutschen Vergangenheit der Region nicht ganz verwundern kann. Am vehementesten und mit ihrer üblichen Übertreibung reagierte die Rechtsextremistin Marine Le Pen: Sie schimpft lauthals über die „deutsche Vormundschaft“.
Der Vorwurf ist lächerlich. Sogar die Aussage der Chefin des Départements Hochrhein, Brigitte Klinkerts, die neue Region bedeute die „Wiedergeburt eines politischen Elsass“, wird von Föderalisten infrage gestellt. Die gemäßigte Elsässer-Partei „Unser Land“meint, das neue Statut sei nur „viel Lärm um nichts“. Was sicherlich auch unzutreffend ist, wenn man die sprachpolitischen Konzessionen des französischen Zentralstaates in Rechnung stellt.