Der fischlose Fisch
Die Meere sterben. Mit der Überfischung schwindet eine wichtige Proteinquelle. In-vitro-Fisch und pflanzliche Fischersatzprodukte sollen nun eine gesündere und ökologische Alternative bieten.
Fische sind die letzten Wildtiere, die wir Menschen noch in großer Zahl jagen, um unseren Hunger zu stillen. Rund eine Milliarde Menschen auf der Erde sind auf Fisch und Meeresprodukte angewiesen, um ihren Proteinbedarf zu decken. Vor allem in Afrika und Südostasien sind Meeresfische, die mit kleinen Fischerbooten geangelt werden, der Proteinhauptlieferant für Hunderttausende.
Doch diese wichtige Nahrungsquelle versiegt. Etwa 85 Prozent der weltweiten Fischbestände sind überfischt, dezimiert, vollständig genutzt oder erholen sich von der Ausbeutung. Es wird erwartet, dass die Fangmengen in den Tropen bis 2050 um weitere 40 Prozent zurückgehen werden. Am stärksten von der Überfischung betroffen ist die Küstenbevölkerung. Fisch ist nicht nur die wichtigste Eiweißquelle, die Fischerei sorgt auch für den Lebensunterhalt Hunderttausender.
Gegen Überfischung
Das ökologische und damit auch soziale Problem der Überfischung wollen nun Wissenschafter und Unternehmen im Labor lösen. Seit einigen Jahren züchtet das kalifornische Unternehmen Finless Foods Fischfleisch im Labor. Ähnlich wie In-vitroFleisch ist der Laborfisch noch nicht reif für den Massenmarkt. Schneller werden die Konsumenten auf „fishless fish“aus Pflanzen zurückgreifen können. Impossible Foods, das kalifornische Unternehmen, das hinter dem fleischlosen Impossible Burger steht, entwickelt nun auch eine „ökologische Alternative“zu traditionellen Meeresfrüchten. Bislang hat man sich in den Laboren von Impossible Foods auf die Biochemie des Fischgeschmacks konzentriert. Man tüftle an denselben Proteinmolekülen herum, die auch die Fleischformel untermauern, so Pat Brown, der Vorstandsvorsitzende des Unternehmens. Vor wenigen Wochen produzierte das 124-köpfige Forschungs- und Entwicklungsteam von Impossible eine mit Sardellen aromatisierte Brühe aus Pflanzen. Bis 2035 will das Unternehmen Ersatzstoffe für jedes tierische Lebensmittel auf den Markt bringen.
Ob der „fischlose Fisch“die gleichen Erfolge feiern wird wie der fleischlose Burger, ist fraglich. Die Entscheidung gegen Fleisch treffen Konsumenten vor allem aus gesundheitlichen Gründen. Der fischlose Fisch hingegen ist eher ein „ökologisches Projekt“, sagen die Befürworter des Ersatzproduktes.
Ökologie und Gesundheit
Unser Fischkonsum, wenn auch etwas weniger dramatisch als der Fleischkonsum, ist inzwischen auch ein ökologisches und gesundheitliches Problem. Schon jetzt stammt mehr als die Hälfte der von uns verzehrten Fische aus Zuchtbetrieben. Diese sind mit Wildfischen bestückt, die dann gefüttert werden müssen. Größere Fische wie Lachs und Thunfisch essen bis zum 20-Fachen ihres Gewichts, gefüttert werden sie mit kleineren Fischen wie Sardellen und Heringen. Dies hat zu einer Überfischung der kleineren Fische geführt. Wenn Zuchtfische vegetarisch ernährt werden, fehlen ihnen die wertvollen Omega-3-Öle, die sie nahrhaft machen.
Ob der „fischlose Fisch“auch künstliche Omega-3-Öle enthalten wird, ist noch nicht bekannt. „Derzeit ist die Entwicklung noch darauf konzentriert, den Geschmack und die Konsistenz der Ersatzprodukte zu optimieren, um attraktiver zu werden. Hier geht es nicht primär um Gesundheit. Denkbar wäre es aber, auch diese Produkte hinsichtlich der Nährstoffzusammensetzung zu optimieren“, sagt die österreichische Ernährungswissenschafterin und Foodtrendforscherin Hanni Rützler.
Die Fisch- und Fleischersatzprodukte hält Rützler nicht für einen vorübergehenden Trend: „Es ist eine von mehreren Zukunftsoptionen, denn es gibt ja nicht nur eine Zukunft, es gibt Zukünfte. Die Entscheidung wird sehr stark kulturell geprägt sein, welche Kultur auf welche Ersatzprodukte und Lösungen zurückgreift.“Das Invitro-Fleisch wird am ehesten am amerikanischen oder in Teilen des asiatischen Marktes angenommen werden, prognostiziert die Trendforscherin.
Über die Durchsetzungsfähigkeit der unterschiedlichen Ersatzprodukte sagt Rützler: „Ich sehe einen großen Unterschied zwischen dem Fleisch- oder Fischersatz und den In-vitro-Produkten. Beide Ansätze haben ihre Berechtigung, und es ist zu früh, um zu urteilen, ob es gut oder schlecht ist.“