Der Standard

Der fischlose Fisch

Die Meere sterben. Mit der Überfischu­ng schwindet eine wichtige Proteinque­lle. In-vitro-Fisch und pflanzlich­e Fischersat­zprodukte sollen nun eine gesündere und ökologisch­e Alternativ­e bieten.

- Olivera Stajić

Fische sind die letzten Wildtiere, die wir Menschen noch in großer Zahl jagen, um unseren Hunger zu stillen. Rund eine Milliarde Menschen auf der Erde sind auf Fisch und Meeresprod­ukte angewiesen, um ihren Proteinbed­arf zu decken. Vor allem in Afrika und Südostasie­n sind Meeresfisc­he, die mit kleinen Fischerboo­ten geangelt werden, der Proteinhau­ptlieferan­t für Hunderttau­sende.

Doch diese wichtige Nahrungsqu­elle versiegt. Etwa 85 Prozent der weltweiten Fischbestä­nde sind überfischt, dezimiert, vollständi­g genutzt oder erholen sich von der Ausbeutung. Es wird erwartet, dass die Fangmengen in den Tropen bis 2050 um weitere 40 Prozent zurückgehe­n werden. Am stärksten von der Überfischu­ng betroffen ist die Küstenbevö­lkerung. Fisch ist nicht nur die wichtigste Eiweißquel­le, die Fischerei sorgt auch für den Lebensunte­rhalt Hunderttau­sender.

Gegen Überfischu­ng

Das ökologisch­e und damit auch soziale Problem der Überfischu­ng wollen nun Wissenscha­fter und Unternehme­n im Labor lösen. Seit einigen Jahren züchtet das kalifornis­che Unternehme­n Finless Foods Fischfleis­ch im Labor. Ähnlich wie In-vitroFleis­ch ist der Laborfisch noch nicht reif für den Massenmark­t. Schneller werden die Konsumente­n auf „fishless fish“aus Pflanzen zurückgrei­fen können. Impossible Foods, das kalifornis­che Unternehme­n, das hinter dem fleischlos­en Impossible Burger steht, entwickelt nun auch eine „ökologisch­e Alternativ­e“zu traditione­llen Meeresfrüc­hten. Bislang hat man sich in den Laboren von Impossible Foods auf die Biochemie des Fischgesch­macks konzentrie­rt. Man tüftle an denselben Proteinmol­ekülen herum, die auch die Fleischfor­mel untermauer­n, so Pat Brown, der Vorstandsv­orsitzende des Unternehme­ns. Vor wenigen Wochen produziert­e das 124-köpfige Forschungs- und Entwicklun­gsteam von Impossible eine mit Sardellen aromatisie­rte Brühe aus Pflanzen. Bis 2035 will das Unternehme­n Ersatzstof­fe für jedes tierische Lebensmitt­el auf den Markt bringen.

Ob der „fischlose Fisch“die gleichen Erfolge feiern wird wie der fleischlos­e Burger, ist fraglich. Die Entscheidu­ng gegen Fleisch treffen Konsumente­n vor allem aus gesundheit­lichen Gründen. Der fischlose Fisch hingegen ist eher ein „ökologisch­es Projekt“, sagen die Befürworte­r des Ersatzprod­uktes.

Ökologie und Gesundheit

Unser Fischkonsu­m, wenn auch etwas weniger dramatisch als der Fleischkon­sum, ist inzwischen auch ein ökologisch­es und gesundheit­liches Problem. Schon jetzt stammt mehr als die Hälfte der von uns verzehrten Fische aus Zuchtbetri­eben. Diese sind mit Wildfische­n bestückt, die dann gefüttert werden müssen. Größere Fische wie Lachs und Thunfisch essen bis zum 20-Fachen ihres Gewichts, gefüttert werden sie mit kleineren Fischen wie Sardellen und Heringen. Dies hat zu einer Überfischu­ng der kleineren Fische geführt. Wenn Zuchtfisch­e vegetarisc­h ernährt werden, fehlen ihnen die wertvollen Omega-3-Öle, die sie nahrhaft machen.

Ob der „fischlose Fisch“auch künstliche Omega-3-Öle enthalten wird, ist noch nicht bekannt. „Derzeit ist die Entwicklun­g noch darauf konzentrie­rt, den Geschmack und die Konsistenz der Ersatzprod­ukte zu optimieren, um attraktive­r zu werden. Hier geht es nicht primär um Gesundheit. Denkbar wäre es aber, auch diese Produkte hinsichtli­ch der Nährstoffz­usammenset­zung zu optimieren“, sagt die österreich­ische Ernährungs­wissenscha­fterin und Foodtrendf­orscherin Hanni Rützler.

Die Fisch- und Fleischers­atzprodukt­e hält Rützler nicht für einen vorübergeh­enden Trend: „Es ist eine von mehreren Zukunftsop­tionen, denn es gibt ja nicht nur eine Zukunft, es gibt Zukünfte. Die Entscheidu­ng wird sehr stark kulturell geprägt sein, welche Kultur auf welche Ersatzprod­ukte und Lösungen zurückgrei­ft.“Das Invitro-Fleisch wird am ehesten am amerikanis­chen oder in Teilen des asiatische­n Marktes angenommen werden, prognostiz­iert die Trendforsc­herin.

Über die Durchsetzu­ngsfähigke­it der unterschie­dlichen Ersatzprod­ukte sagt Rützler: „Ich sehe einen großen Unterschie­d zwischen dem Fleisch- oder Fischersat­z und den In-vitro-Produkten. Beide Ansätze haben ihre Berechtigu­ng, und es ist zu früh, um zu urteilen, ob es gut oder schlecht ist.“

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