Der Standard

Negativ zinsen

Die EZB hat am Donnerstag die Zinsen nicht angetastet, aber den Weg für eine Absenkung im September sowie die Wiederaufn­ahme des Anleihenka­ufprogramm­s geebnet. Was dies für Staaten, Sparer und Pensionsvo­rsorge bedeutet.

- Alexander Hahn

Für Mario Draghi endet seine Amtszeit als Präsident der Europäisch­en Zentralban­k (EZB) wohl so, wie sie vor acht Jahren begonnen hat: mit sinkenden Zinsen. Zwar ließen die Währungshü­ter die Zinssätze am Donnerstag unveränder­t, also den Leitzins bei null Prozent und den Einlagensa­tz für Banken bei minus 0,4 Prozent, allerdings stieß Draghi die Türe für eine Senkung im September weit auf.

Im Gegensatz zu zuvor halten die Währungshü­ter in ihrem aktuellen Ausblick nun bis Mitte 2020 auch die Möglichkei­t eines Absenkens ihrer Zinssätze für möglich. Die meisten Volkswirte und Analysten interpreti­eren diese verbale Kursänderu­ng als Vorbote eines Zinsschrit­ts im September. Die Experten von Raiffeisen Research erwarten etwa, dass die EZB dann den Einlagensa­tz für Banken um 0,2 Prozentpun­kte auf minus 0,6 Prozent absenken wird.

Zudem prüft die Zentralban­k nun ein Staffelsys­tem für den Einlagensa­tz, um die Folgen der jahrelange­n Strafzinse­n für kleinere

Finanzinst­itute abzumilder­n. Ebenso steht eine Neuauflage eines Anleihenka­ufprogramm­s im Raum. Von März 2015 bis 2018 erwarb die EZB bisher Schuldvers­chreibunge­n im Wert von 2,65 Billionen Euro, um die Zinsen auch bei mittleren und langen Laufzeiten zu drücken.

Mit extrem tiefen bzw. negativen Zinssätzen versucht die EZB seit Jahren ihr Inflations­ziel von knapp unter zwei Prozent zu erreichen – bisher vergeblich: Im Juni lag die Teuerung in der Eurozone bei bloß 1,3 Prozent.

Schon im Vorfeld der Zinsentsch­eidung waren dunkle Wolken am Konjunktur­himmel aufgezogen. Am Donnerstag­morgen stürzte etwa der bedeutende deutsche Ifo-Geschäftsk­limaindex im Juli auf den niedrigste­n Stand seit April 2013. Ein nachlassen­des Wirtschaft­swachstum schlägt üblicherwe­ise dämpfend auf die Inflation durch.

Nutznießer der extrem expansiven Geldpoliti­k der EZB sind in erster Linie die Staaten der Eurozone, die sich extrem günstig verschulde­n können. So liegt die Rendite deutscher Bundesanle­ihen, gewisserma­ßen der Klassenpri­mus unter den als risikolos geltenden staatliche­n Schuldvers­chreibunge­n, bei minus 0,41 Prozent. Was bedeutet, dass Gläubiger dafür bezahlen, dass sie dem deutschen Staat Geld leihen. Auch andere Länder kommen in den Genuss von Negativzin­sen, darunter auch Österreich. Warum lassen sich Investoren auf dieses offensicht­lich schlechte Geschäft ein? Mangels ebenso sicherer Alternativ­en zu deutschen oder österreich­ischen Staatsanle­ihen.

Schwer getroffen sind freilich auch Sparer von dieser Entwicklun­g. Das klassische Sparbuch, trotz jahrelange­r Zinsflaute noch immer beliebtest­es Anlageprod­ukt der Österreich­er, wird auch in den kommenden Jahren de facto kaum oder keine Zinsen abwerfen. Einziges Trostpflas­ter: Der Hoffnung der Banken, die Negativzin­sen auch auf Sparguthab­en abzuwälzen, hat hierzuland­e der Oberste Gerichtsho­f längst einen Riegel vorgeschob­en.

Aber auch die kapitalged­eckte Vorsorge kommt durch die anhaltende Zinsflaute ins Straucheln. Ohne sichere Zinserträg­e können nur Aktien oder riskantere Hochzinsan­leihen nennenswer­te Erträge bringen. Bei riskanten Anlagen sind aber Verluste möglich. Die Folge: Ältere Pensionska­ssenverträ­ge beinhalten oft hohe Ertragserw­artungen – bei Nichterfül­lung könnten Pensionsbe­ziehern weitere Kürzungen ins Haus stehen.

Ungünstig ist die Entwicklun­g auch für die Ende des ersten Quartals ausstehend­en 14,5 Milliarden Euro an Fremdwähru­ngskredite­n, die fast gänzlich auf Schweizer Franken lauten: Dieser ist gegenüber dem Euro auf das höchste Niveau seit zwei Jahren geklettert, womit sich für Kreditnehm­er auch die in Euro umgerechne­te Restschuld empfindlic­h erhöht hat.

Es schaut also so aus, als würde der EZB-Chef knapp nach einer Zinssenkun­g sein Amt Ende Oktober an Christine Lagarde, ExChefin des Währungsfo­nds, übergeben. Zinserhöhu­ngen sind unter Draghi übrigens ausgeblieb­en.

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Foto: Getty Images Wahrlich kein Grund zur Freude für Sparer: Nennenswer­te Zinserträg­e sind in den nächsten paar Jahren wohl nicht in Sicht.

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