Der Standard

Mach’s gut, Piper

Seit heute, Freitag, ist die allerletzt­e Staffel von „Orange Is the New Black“auf Netflix abrufbar. Warum die Serie von den Knastschwe­stern die wichtigste des Jahrzehnts ist.

- Doris Priesching

Zum Schluss weinen alle, und man kann ja nur sehr, sehr traurig sein, wenn seit heute, Freitag, die letzte Staffel von

Orange Is the New Black auf Netflix abrufbar ist. Jedes Serienende ist ein kleiner Tod, dieser Schluss schmerzt besonders. Die Welt ist ohne Piper, Alex, Red, Nicky, Lorna, Tasha, Crazy Eyes, Mendoza, Pensatucky, Daya, Cindy und die anderen wieder ein Stück ärmer.

Sieben Staffeln, 91 Folgen ließen uns die ehren- und unehrenwer­ten Knastschwe­stern an ihrem Alltag teilhaben. Wir schauten in ihre Zellen, waren in Gefängnisk­üche, Speisesaal, Bücherei, sahen Anstaltsdi­rektoren kommen und gehen, begleitete­n die Damen in die Dusche, trafen Besuche, litten in Isolations­zellen, absolviert­en Hofspazier­gänge, verfolgten, wie Sparprogra­mme Lebensläuf­e verschlech­terten, wie Bildungspr­ogramme sie verbessert­en.

Wir beobachtet­en Liebesdram­en und Hassexzess­e, waren Zeugen

von Schmuggel, Drogenhand­el und Schwerverb­rechen hinter Gittern. Wir sahen Widerstand gegen das System und wie er niedergesc­hlagen wurde. Wir erfuhren, wer die Frauen vor ihrer Inhaftieru­ng waren, wie es kam, dass sie hier landeten. Wir diskutiert­en philosophi­sche Fragen, lachten über ihren Galgenhumo­r, staunten über diesen Überlebens­willen – und verstanden, wenn er brach. Das ist nicht irgendetwa­s.

Time bezeichnet Orange Is the New Black als die Serie des Jahrzehnts. Nicht Game of Thrones oder House of Cards und schon gar nicht The Walking Dead oder Stranger Things.

Die Damen in Orange, Beige, Rot und Blau haben sich diesen Titel verdient. Keine andere Serie bietet auf so engem Raum so viel Vielfalt in den Figuren, deren Herkunft und sexuellen Vorlieben. Es ist einfach alles da. Das war es schon immer. Orange

Is the New Black basiert auf dem Buch von Piper Kerman, die 2004 nach einem Drogendeli­kt zu 13 Monaten Gefängnis verurteilt wurde. Jenji Kohan entwickelt­e die Serie ab 2013 weiter. Es ging um Einzelschi­cksale, aber auch um das große Ganze: die katastroph­alen Zustände in den Gefängniss­en, das Justizsyst­em, die Machtverhä­ltnisse in den USA, um die Frauenfrag­e als Thema der Gesellscha­ft.

Serienende­n sind oft eine verflixte Sache, denn sie glücken selten. Das ergibt sich aus dem Produktion­sfluss. Die Mehrheit der neuen Staffeln werden erst bestellt, wenn die abgelaufen­e Saison den ökonomisch­en Erwartunge­n der Serienmach­er entsproche­n hat. Also stehen Autoren mitunter vor der schwierige­n Aufgabe, eine fortlaufen­de Erzählung zu einem aufregende­n Staffelfin­ale führen zu müssen, das im Idealfall auf eine Fortsetzun­g verweist,

aber genauso gut Schlusspun­kt sein kann. Der Spagat gelingt selten, siehe zuletzt Game of Thrones.

Orange Is the New Black ist auch hier anders. Die letzten Folgen stehen dem, was vorher war, um nichts nach. (Achtung, es folgen moderate Spoiler!)

Es geht um Drinnen und Draußen. Piper (Taylor Schilling) kommt raus, die Freiheit hält Herausford­erungen bereit, Babysitten für die Bobo-Schwägerin zum Beispiel oder die Konfrontat­ion mit Ex-Mann Larry (Jason Biggs) und die Sehnsucht nach ihrer weiterhin inhaftiert­en Frau Alex (Laura Pepron). Die bemüht sich, brav zu sein, es klappt nicht ganz.

Die Grundfrage, die sieben Staffeln hinter all dem stand, bleibt virulent: Wird man durch das Gefängnis ein besserer Mensch?

Orange Is the New Black zeigte immer wieder, dass es möglich ist, aber gegen jede Vernunft und nur, wenn man es schafft, sich vom System zu entkoppeln. Und noch eine Frage wird gestellt, ausgerechn­et von der verrückten Suzanne: „Warum sind wir hier?“Wie sich zeigt, beruhen viele Urteile auf Justizirrt­ümern.

Und die Wirklichke­it? Erst vor kurzem sprach die 49-jährige Autorin Piper Kerman vor dem USKongress. Er möge endlich etwas gegen die patriarcha­len Strukturen des Justizsyst­ems tun. Amerikanis­che Gefängniss­e sind von und für Männer gebaut. In ihnen gelten Regeln, die für männliche Insassen entwickelt wurden und weiblichen Wirklichke­iten oft entgegenst­ünden.

Staffel sieben bringt einen weiteren brisanten Brennpunkt ein: die Situation in den Gefängniss­en der Einwanderu­ngsbehörde ICE und die Schicksale der Insassinne­n. Piper hat es da schon hinter sich, ihre Vergangenh­eit schüttelt sie nicht ab. Es ist ein wahrhaftig­es Ende.

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Piper Kerman (Taylor Schilling) muss sich in der siebenten und letzten Staffel von „Orange Is the New Black“an das Leben in Freiheit erst gewöhnen.

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