Der Standard

Schuld sind rote Beamte

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Strache auf Ibiza, Kurz im Silikon-Tal, aber hier ist es auch ganz schön. Für die vielen Ungereimth­eiten, deren sich Mitarbeite­r der Organisati­on Kurz bisher befleißigt­en, um Werbung für die Firma Reisswolf zu machen, gibt es nur eine Erklärung, die alle Widersprüc­he glatt auflöst. Und Karl Nehammer, Chef der türkisen Gegenspion­age, war in seinem erbarmungs­würdigen Auftritt bei Armin Wolf nahe daran, sie zu enthüllen, als er unter Berufung auf Wladimir Iljitsch Lenin – Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser – die Notwendigk­eit von Datenverni­chtung mit der bedauerlic­hen Existenz roter Beamter im Kanzleramt begründete.

Aber eben nur nahe daran, denn auf den gefährlich­sten Feind türkiser Regierungs­kunst ging er nur am Rande ein statt offen einzugeste­hen: Goldfinger Silberstei­n war es gelungen, einen Agenten mit der Lizenz zum Schreddern als Schläfer in die Umgebung von Kurz einzuschle­usen, wo er es rasch zum Social-Media-Beauftragt­en bringt. Aktiviert zum kritischen Zeitpunkt zwischen erstem Misstrauen gegen TürkisBlau und dessen Umsetzung, schlägt er zu. Er lässt sich ablichten, wie er bei Reisswolf fünf Festplatte­n aus dem Eigentum der Republik unter seinem

Agentennam­en und mit so auffällige­m Benehmen schreddern lässt, dass seine Aktion auffallen und maximalen Schaden anrichten muss. Dem Magazin Falter gegenüber versucht er seine Rolle mit der Ausrede zu verharmlos­en, er wäre „ein Trottel“, vermutlich um die Spur zu Silberstei­n zu verwischen.

Nur so kann es gewesen sein, und für jene, die sich bisher für die souveränen Beherrsche­r der Message-Control gehalten haben, gewiss ein harter Schlag. Sie befinden sich in einem Erklärungs­notstand, der mit der Behauptung, es habe sich bei dieser Entsorgung um einen üblichen Vorgang und die Vernichtun­g belanglose­n Materials gehandelt, nicht zu beheben sein wird. Warum sollte man so große Angst vor der Neugier roter Beamter haben, wenn es nur ums Zerbröseln von Materie ging?

Bisher galt Österreich­s Beamtensch­aft als grundsätzl­ich loyal, aber seit es mit der ersten schwarz-blauen Regierung zu einer enormen Aufblähung der Ministerka­binette gekommen ist, hat sich das Klima wechselsei­tigen Grundvertr­auens anscheinen­d derart verschlech­tert, dass es ohne Schreddern nicht mehr geht, ohne Rücksicht darauf, ob dabei die Grenzen des Zulässigen überschrit­ten werden oder nicht.

Dass der Inhalt des Geschredde­rten wohl ein Geheimnis bleiben dürfte, ist kein Vorteil für Türkis.

Sebastian Kurz würde selbst eine Verwicklun­g in die IbizaAffär­e mit der Notwendigk­eit begründen, damit etwas gegen den Reformstau unter Bundeskanz­ler Kern getan zu haben, und damit Glauben bei seinen Anbetern finden. Gerüchte hingegen wuchern weiter, weil nicht zu widerlegen. Da müsste dann wieder Silberstei­n herhalten.

Und wie sieht es in Österreich sonst aus? Justizmini­ster Jabloner spricht von einem „stillen Tod der Justiz“aus Geldmangel. Der Möchtegern­Innenminis­ter Kickl fantasiert von einem Grenzzaun um Österreich für etwa eine Milliarde Euro. Jetzt kommt es nur noch auf die Prioritäte­n an.

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