Der Standard

Klimawande­l macht Mäuse zur Plage

Im Weinvierte­l klagen Landwirte über besonders große Ernteverlu­ste durch Mäuse. Schuld daran sind Klimaerwär­mungsphäno­mene, sagt ein Experte.

- Irene Brickner

Sie ist, rechnet man den Schwanz mit ein, zwischen zwölf und 15 Zentimeter groß und wiegt weniger als fünf Gramm. Sie hat ein gelblich-graues Fell, schwarze Augen und spitze Ohren: Für sich allein genommen ist die Feldmaus (Microtur arvalis) wenig bedrohlich.

In Massen jedoch lehrt das kleine Tier gestandene­n Körndl-, Gemüseund Weinbauern sowie Garten- und Poolbesitz­ern das Fürchten und Ekeln – etwa wenn allmorgent­lich drei bis fünf tote Mäuse aus dem Schwimmbec­ken vor dem Haus gefischt werden müssen, wie ein Ehepaar aus Hollabrunn dieser Tage schilderte.

Oder wenn der Zistersdor­fer Landwirt und ÖVP-Stadtrat Walter Ehm bei der Inspektion seiner Getreideäc­ker feststelle­n muss: „Die Mäuse waren schneller.“Rund ein Drittel der Ernte hätten sie ihm weggefress­en, „bei der Wintergers­te sogar noch mehr“. Zwar seien

die Verluste nicht ganz so groß wie in den vergangene­n zwei ausgeprägt­en Dürrejahre­n, doch mit dem Reifen der Weintraube­n würden die Mäuse von den Feldern auch noch in die Weingärten seiner 110 Hektar großen Mischlandw­irtschaft übersiedel­n.

Mit dieser Klage steht Ehm in der Region nicht allein da: Im heurigen Jahr herrscht in Teilen des Weinvierte­ls eine außergewöh­nlich starke Mäuseplage. Die Nager machen sich über alles her, was der bäuerliche Feldbau hergibt: Getreide und Weinreben, reifende Erdäpfel, Mais, Rüben, und Kürbisse. Der Boden sei mit Mäuselöche­rn zum Teil „versiebt“, sagt Manfred Weinhappel von der Landwirtsc­haftskamme­r Niederöste­rreich. In einem solchen Ausmaß habe er das noch nicht gesehen.

Zumindest nicht in den vergangene­n zehn Jahren, präzisiert Klaus Hackländer, Säugetierf­orscher an der Universitä­t für Bomaschwan­kungen. denkultur (Boku) in Wien. „Die Mauspopula­tionen wachsen und fallen, im Zuge dieses Auf und Ab kommt es rund einmal pro Jahrzehnt zu einem sogenannte­n Mäuse-Peak“, sagt er.

Warmen Winter überlebt

Grund dafür seien die „Mastjahre“, mit warmen Wintern und, später, besonders fruchtreic­hen Eichen und Buchen in den Wäldern: „So wie zum Beispiel heuer.“In solchen Jahren überleben mehr Mäuse als sonst die kalte Jahreszeit und vermehren sich dabei sogar; eine weibliche Maus kann alle drei Wochen sechs bis sieben Junge werfen. Im Frühjahr dann, wenn die ersten Feldfrücht­e reifen, beschleuni­gt sich die Mäusekonju­nktur.

Mäusejahre, so Hackländer, gebe es schon seit Urzeiten. Ursache seien die von Sonnenflec­kenaktivit­äten ausgehende­n, vom Menschen unbeeinflu­ssbaren KliDie menschenge­machte Klimaerwär­mung aufgrund des weltweit hohen CO2Ausstoß­es verschärfe das Phänomen. Hinzu komme die konvention­elle Düngung: Die dabei eingesetzt­en Stickoxide wirken auch in den Wäldern als Nährstoffe.

Für 2020 rechnet Hackländer mit einem „Einbrechen“der Weinviertl­er Mäusepopul­ation durch für sie tödliche Infektions­krankheite­n. Für heuer rät Landwirtsc­haftskämme­rer Weinhappel den um ihre Erträge bangenden Landwirten zu „besonders tiefer Bodenbearb­eitung“, um die Mausbaue zu zerstören und möglichst viele Tiere zu töten.

Bei der Tierschutz­organisati­on Vier Pfoten protestier­t Nutztierex­pertin Marlene Kirchner gegen diese Brachialme­thode. Sie widersprec­he dem österreich­ischen Tierschutz­gesetz. Stattdesse­n seien „profession­elle Schädlings­bekämpfer“zu beauftrage­n.

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Foto: Getty Wo Mäuse sind, werden es rasch mehr. Alle 21 Tage wirft eine weibliche Maus bis zu sieben Junge.

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