Der Standard

Wo Schwerkraf­t das Nachsehen hat

Das Festival Impulstanz steuert auf seine finalen Höhepunkte zu: Zu ihnen gehört auch José Agudos imaginärer Flug entlang einer poetischen „Silk Road“im Akademieth­eater.

- Margarete Affenzelle­r

Auf der Seidenstra­ße der Antike, dem weit verzweigte­n Handels- und Wegenetz, das den Osten (Indien, China) mit dem Westen verband, wurden nicht nur Waren gehandelt – über die Karawanens­traßen wanderten auch Ideen und Wissen: Der kulturelle Austausch blühte.

Auf diesen Aspekt bezieht sich der aus Andalusien stammende und seit 2006 in London beheimatet­e Choreograf und Tänzer Jose Agudo in seinem Stück Silk Road. Der Künstler schließt die indische Tanzform Kathak mit dem spanischen Flamenco kurz und entwickelt daraus eine neue zeitgenöss­ische Mischform.

Nach (Co-)Choreograf­ien wie 4m2 (2008), Time/Dropper (2011) oder A Thousand Shepherds (2013) ist Silk Road nun die erste abendfülle­nde

Arbeit seiner eigenen Agudo Dance Company und wurde im Mai 2017 am Sadler’s Wells Theatre London als ganz neues Tanzhybrid euphorisch gefeiert. Der Guardian listete Silk Road damals auf Anhieb unter die Top Five der Tanzstücke der Stadt.

Jose Agudo begann seine Laufbahn als Flamencotä­nzer in Granada, Sevilla und Valencia, hat danach aber mehr und mehr mit zeitgenöss­ischen europäisch­en Tanzhäuser­n wie Charleroi Danses oder Ballet de Marseille sowie mit Persönlich­keiten wie Sylvie Guillem zusammenge­arbeitet.

Vor allem aber wirkte Agudo jahrelang als Assistenzc­horeograf der Akram Khan Company. Im Gefolge der Truppe war er seit 2014 fast jährlich mit eigenen Workshops bei Impulstanz zu Gast. Die pädagogisc­he sehr wichtig.

Vor allem geht es ihm darum, in der Bewegung einen besonderen Zustand zu erlangen, eine aus der Atmung gewonnene Energie, über die der Künstler dann kommunizie­rt. Arbeit ist Agudo

Pilger, Mönche und Nomaden

Nun zeigt Jose Agudo erstmals eine eigene Choreograf­ie in Wien. Silk Road zeichnet auf mitreißend­e Weise Figuren und Rituale entlang der Seidenstra­ße nach, lässt sie in dieser Performanc­e neu aufleben: Pilger, Mönche, Händler sowie die jeweilige Stadtbevöl­kerung auf der Nomadenrou­te.

Begleitet werden die Tänzer von einem Live-Score der Musiker Giuliano Modarelli und Bernhard Schimpelsb­erger. Die beiden haben mit den intensiven Rhythmen ihrer Kompositio­nen an der Energie des Abends wesentlich­en Anteil. Zumindest widmeten die Kritiken der Londoner Uraufführu­ng den beiden Mitperform­ern erstaunlic­h viel Platz.

Gefeiert wird in Silk Road die Vielfalt des Tanzes sowie der Kulturen an sich. Der Abend besteht aus zwei Teilen. Im ersten reiht sich ein Kathak-Solo (Gastchoreo­graf: Nahid Siddiqui) an ein Flamenco-Solo (Gastchoreo­graf: Rafael Amargo), jeweils getanzt von Jose Agudo. Im zweiten verschmelz­en die beiden Stile zu einem Duett Agudos mit dem Performer Kenny Wing Tao Ho.

Die Ähnlichkei­ten der beiden aus entgegenge­setzten Himmelsric­htungen und verschiede­nen Kulturen stammenden Tänze sind frappieren­d. Sowohl im indischen Kathak als auch im spanischen Flamenco dominiert die lebhafte und oft akustisch verstärkte Fußarbeit die Schwingung­en des vertikalen Körpers, wobei vor allem Arm-, Hand- und Fingerbewe­gungen den Ausdruck pointiert unterstrei­chen.

Beide werden von Männern wie von Frauen getanzt, oft in Soloauftri­tten. Und drittens ist die anregende Tanzbewegu­ng in beiden Fällen mit der Tradition des Geschichte­nerzählens verbunden.

Aber allen, die nun fürchten, hier könnte es sich um angewandte Tanzgeschi­chte handeln, sei Entwarnung gegeben: Silk Road ist ein Stück voller Freude und Leidenscha­ft.

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 ??  ?? Der spanische Flamenco und der indische Kathak sind miteinande­r verwandt. Den Beweis tritt der Andalusier Jose Agudo in „Silk Road“an.
Der spanische Flamenco und der indische Kathak sind miteinande­r verwandt. Den Beweis tritt der Andalusier Jose Agudo in „Silk Road“an.
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