Der Standard

Joe Biden hält sich in seiner Favoritenr­olle

Vorwahlkam­pf in den USA nimmt Fahrt auf

- Frank Herrmann aus Washington

Wollte man es salopp formuliere­n, könnte man sagen: Joe Biden hat die Nacht überlebt. Der ehemalige US-Vizepräsid­ent bleibt Favorit des demokratis­chen Kandidaten­rennens ums Weiße Haus, Elizabeth Warren, die linke Senatorin aus Massachuse­tts, ist wohl seine aussichtsr­eichste Gegenspiel­erin.

Statt erneut Federn zu lassen, nachdem er vor fünf Wochen in der ersten Debattenna­cht in Miami schlecht ausgesehen hatte, parierte er in Detroit die Attacken diesmal deutlich souveräner. Und an Attacken herrschte kein Mangel. Zeitweise drängte sich der Eindruck auf, als hätten sich die neun Parteifreu­nde, die neben Biden auf der Bühne standen, nur ein Ziel gesetzt: den Spitzenrei­ter des Feldes ein zweites Mal in Verlegenhe­it zu stürzen.

Da war Cory Booker, der eloquente Senator aus New Jersey, der den 76-Jährigen daran erinnerte, was harte Paragrafen zur Verbrechen­sbekämpfun­g, die er federführe­nd im Parlament einbrachte, in der Praxis bewirkten. Senator Biden, so Booker, trage eine Mitverantw­ortung, wenn in den USA ein so großer Teil der Bevölkerun­g in Gefängniss­en einsitze, wie es in keinem anderen westlichen Land auch nur annähernd der Fall sei.

Abwärtstre­nd gestoppt

Bill de Blasio fragte Biden, ob er als Vizepräsid­ent versucht habe, die Deportatio­n illegal Eingewande­rter zu stoppen, wie sie bereits unter Barack Obama in großem Stil betrieben wurde. „Sie müssen in der Lage sein, Antworten auf unbequeme Fragen zu geben“, stichelte der Bürgermeis­ter New Yorks. Und da war schließlic­h Kamala Harris, die Biden vorwarf, zu Beginn seiner Karriere bereitwill­ig mit Senatoren zusammenge­arbeitet zu haben, die ein Leben lang die Rassentren­nung verteidigt­en. Hätten sich diese Leute durchgeset­zt, säße sie, die Tochter einer Krebsforsc­herin aus Indien und eines Ökonomiepr­ofessors aus Jamaika, heute nicht im Senat. „Und Barack Obama wäre nie in die Lage gekommen, Sie für das Amt zu nominieren, dessen Titel Sie heute tragen.“

Diesmal lässt Biden mehr Geistesgeg­enwart erkennen. De Blasio etwa lässt er lächelnd wissen, er habe gar nicht gewusst, dass dieser ihm so viel Aufmerksam­keit schenke. Einen sich abzeichnen­den Abwärtstre­nd in den Umfragen könnte er fürs Erste gestoppt haben, was allerdings nichts an seiner Achillesfe­rse ändert: In einer nach links gerückten Partei bietet der Altgedient­e, der schon in Washington Politik machte, als Obama noch zur Schule ging, mit seinen früheren Positionen viele, womöglich zu viele, Angriffsfl­ächen.

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Foto: Reuters / Lucas Jackson Alle gegen Biden, hieß es am Mittwochab­end in Detroit.

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