Joe Biden hält sich in seiner Favoritenrolle
Vorwahlkampf in den USA nimmt Fahrt auf
Wollte man es salopp formulieren, könnte man sagen: Joe Biden hat die Nacht überlebt. Der ehemalige US-Vizepräsident bleibt Favorit des demokratischen Kandidatenrennens ums Weiße Haus, Elizabeth Warren, die linke Senatorin aus Massachusetts, ist wohl seine aussichtsreichste Gegenspielerin.
Statt erneut Federn zu lassen, nachdem er vor fünf Wochen in der ersten Debattennacht in Miami schlecht ausgesehen hatte, parierte er in Detroit die Attacken diesmal deutlich souveräner. Und an Attacken herrschte kein Mangel. Zeitweise drängte sich der Eindruck auf, als hätten sich die neun Parteifreunde, die neben Biden auf der Bühne standen, nur ein Ziel gesetzt: den Spitzenreiter des Feldes ein zweites Mal in Verlegenheit zu stürzen.
Da war Cory Booker, der eloquente Senator aus New Jersey, der den 76-Jährigen daran erinnerte, was harte Paragrafen zur Verbrechensbekämpfung, die er federführend im Parlament einbrachte, in der Praxis bewirkten. Senator Biden, so Booker, trage eine Mitverantwortung, wenn in den USA ein so großer Teil der Bevölkerung in Gefängnissen einsitze, wie es in keinem anderen westlichen Land auch nur annähernd der Fall sei.
Abwärtstrend gestoppt
Bill de Blasio fragte Biden, ob er als Vizepräsident versucht habe, die Deportation illegal Eingewanderter zu stoppen, wie sie bereits unter Barack Obama in großem Stil betrieben wurde. „Sie müssen in der Lage sein, Antworten auf unbequeme Fragen zu geben“, stichelte der Bürgermeister New Yorks. Und da war schließlich Kamala Harris, die Biden vorwarf, zu Beginn seiner Karriere bereitwillig mit Senatoren zusammengearbeitet zu haben, die ein Leben lang die Rassentrennung verteidigten. Hätten sich diese Leute durchgesetzt, säße sie, die Tochter einer Krebsforscherin aus Indien und eines Ökonomieprofessors aus Jamaika, heute nicht im Senat. „Und Barack Obama wäre nie in die Lage gekommen, Sie für das Amt zu nominieren, dessen Titel Sie heute tragen.“
Diesmal lässt Biden mehr Geistesgegenwart erkennen. De Blasio etwa lässt er lächelnd wissen, er habe gar nicht gewusst, dass dieser ihm so viel Aufmerksamkeit schenke. Einen sich abzeichnenden Abwärtstrend in den Umfragen könnte er fürs Erste gestoppt haben, was allerdings nichts an seiner Achillesferse ändert: In einer nach links gerückten Partei bietet der Altgediente, der schon in Washington Politik machte, als Obama noch zur Schule ging, mit seinen früheren Positionen viele, womöglich zu viele, Angriffsflächen.