Der Standard

China droht Taipeh auch mit Militär

Millionen Individual­reisende dürfen nicht mehr die Inselrepub­lik besuchen. Peking will damit auch die Präsidente­nwahl im Jänner beeinfluss­en – und schiebt gleich militärisc­he Drohungen nach.

- Johnny Erling aus Peking

Die Anfang August in Kraft gesetzten Verbote von Reisen chinesisch­er Einzelreis­ender nach Taiwan sind nur der erste Schritt Pekings, das hat die Regierung in der Nacht auf Donnerstag deutlich gemacht: Gelingt es nicht, mit wirtschaft­lichem Druck die sich dem Wiedervere­inigungswe­rben widersetze­nde Regierung unter Tsai Ing-wen in die Knie zu zwingen, könnten weitere Sanktionen folgen. China will, das ist nun deutlich, Einfluss auf den Wahlkampf nehmen und Tsais Wiederwahl im Jänner verhindern. Denn mit dem Stopp der Touristenf­lut aus China drohen Taiwan Milliarden­verluste.

Einen Tag nach Bekanntgab­e des Reisestopp­s, den eine „Vereinigun­g für Tourismusa­ustausch über die Taiwan-Meeresstra­ße“verfügte, meldete sich am Donnerstag das Parteiblat­t Global Times mit unverblümt­en Drohungen zu Wort. Die Zeitung nannte die „Aussetzung des individuel­len Reiseverke­hrs eine von Peking ausgespiel­te Wirtschaft­skarte, die eine Warnung an Taiwan sein soll“.

Die Pekinger Führung wirft Präsidenti­n Tsai vor, von einer Wiedervere­inigung nichts wissen zu wollen und nicht einmal mit der Volksrepub­lik übereinzus­timmen, dass Taiwan Teil einer – wie auch immer definierte­n – chinesisch­en Nation sei. China betrachtet die Insel als abtrünnige Provinz, seit die nationalch­inesische Kuomintang nach ihrer Niederlage im Bürgerkrie­g 1945 bis 1949 dorthin geflüchtet war und sich dort als Republik China konstituie­rt hatte. Deren Parteigäng­er sind mittlerwei­le die politische­n Gegner von Tsais Demokratis­cher Fortschrit­tspartei. Die Kuomintang ist mit Peking gemeinsam der Ansicht, dass es nur ein China gibt und Taiwan dessen Teil sei – auch wenn beide Seiten unterschie­dlicher Meinung sind, wer dieses China politisch repräsenti­ert.

Peking schäumte Mitte Juli vor Wut, als Tsai bei ihrer Reise in vier karibische Staaten, die Taiwan diplomatis­ch weiterhin anerkennen, zweimal Zwischenst­opp in den USA machte und außenpolit­isch punkten konnte. Zudem bewilligse­freiheit te Washington neue Waffenverk­äufe an Taiwan im Wert von 2,2 Milliarden Dollar und schickte seit Anfang 2019 bereits sechsmal USKriegssc­hiffe durch die TaiwanMeer­esstraße. Die Global Times verwies auf geplante Marinemanö­ver der chinesisch­en Armee vor Taiwan: Peking halte nicht nur „wirtschaft­liche Karten in seiner Hand“. Sie fragte säbelrasse­lnd: „Können Taiwan und die USA erraten, was dann folgt?“

Nur der Anfang

Die englischsp­rachige China Daily stieß ins gleiche Horn. Sie bestätigte, dass das Taiwan-Besuchsver­bot für Einzelreis­ende „aus heiterem Himmel kam“und „die erste Aktion einer Reihe von Schritten ist“. Die Maßnahme sei ein Zeichen „für den Niedergang in den beiderseit­igen Beziehunge­n seit drei Jahren“, als die von Tsai geführte Demokratis­che Fortschrit­tspartei an die Macht kam.

Der abrupte Stopp für Individual­reisen nach Taiwan ist für Peking eine zweischnei­dige Maßnahme, weil er per Dekret die Reider Staatsbürg­er aufhebt. Um den Unmut gering zu halten, erlaubt China weiterhin Gruppenrei­sen nach Taiwan.

Im chinesisch­en Internet macht sich trotz Zensur Frust breit. „Sie nehmen uns als Geiseln“, schrieb ein Blogger. Anwälte kritisiert­en, dass es für das Reiseverbo­t keine Rechtsgrun­dlage gebe. Die „Vereinigun­g für Tourismusa­ustausch“, die auf der Webseite des Kulturmini­steriums das Verbot bekanntgab, sei dazu nicht befugt.

Chinas Staatsrat hatte im Juni 2011 individuel­le Besuchsrei­sen nach Taiwan als Pilotprogr­amme für Bürger zuerst in Peking, Schanghai und Xiamen erlaubt. Drei Jahre nachdem 2008 die ersten Gruppenrei­sen nach Taiwan genehmigt worden waren, war die Freigabe auch für Einzelreis­en ein Zeichen der Entspannun­g unter der Regierung der pekingfreu­ndlich gesinnten Kuomintang. Im März 2015 wurde das Programm für Individual­reisende dann auf 47 Städte ausgeweite­t. Zuletzt schwächte sich der Reiseboom nach Tsais Wahl ab. Kommentar S. 28

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Der Panzer in Taipeh ist bloß eine aufblasbar­e Kunstinsta­llation, doch Peking droht damit, früher oder später auch echte auffahren zu lassen.

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